Hallo zusammen,
hier ein Bericht, wie ich das Seminar erlebt habe.
Ich bin am Donnerstag Abend mit einem geliehenen Auto angereist; nach der Arbeit ging es los, unterwegs in Buchloe habe ich noch Melchior eingesammelt, und kurz vor acht waren wir in Dornbirn, und haben den Bus gleich in der Tiefgarage des Kulturhauses geparkt. Wir wussten, dass
@Sunny Werner abends in eine Pizzeria gehen wollte – aber hatten den Beitrag so in Erinnerung, dass die Pizzeria beim Kulturhaus sei. So mussten wir erst einmal schauen, wo sich diese eigentlich befindet, und dort hinlaufen. Dort waren schon knapp 20 Leute, wir haben gut gegessen, uns u.a. über die fernsteuerbaren Kerzen amüsiert – aber da es am nächsten Tag früh losgehen sollte, sind wir um 22 Uhr auch schon wieder verschwunden. Gerade als die anderen alle weg waren, tauchten
@Jack-Lee und Steffen auf; und so gingen wir noch einmal in die Pizzeria. Danach fuhr Patrick nach Götzis, und Steffen musste einen Platz für den Hänger finden. Erst nach Mitternacht fielen wir ins Bett, und ich habe wie ein Stein geschlafen – und gar nicht gemerkt, wie sich morgens die Tiefgarage um uns herum füllte.
Am Freitag waren dann Vorträge angesagt:
- Carl-Georg Rasmussen: Ein Rückblick über die Geschichte der Velomobile, mit vielen Bildern; interessant fand ich, dass in der Nachkriegszeit Schweden eine Hochburg der Velomobile (oder besser „Tretautos“) war, aber heute angeblich dort wenig los sei. Zumindest aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass in Schweden mehr los ist als in Norwegen, und dass die autobegeisterten Schweden mein Velomobil toll fanden. Zudem erzählte Carl-Georg viele Anekdoten; z.B. dass er einmal mit der Leitra zum Flugplatz Roskilde gefahren ist, diese in 10 Minuten zerlegt hat, in eine Cessna verstaut hat, nach Biggin Hill geflogen ist, und dort nach dem Zusammenbau weitergeradelt ist. Oder die Umbauten, für Hunde- und Kindertransport. Oder ein besonders stylischer Umbau, alles mit Samt überzogen.
- Kuba Szankowski: Hier ging es ebenfalls um die Leitra; er hatte sich ausführlich mit möglichen Modifikationen beschäftigt – leider wurde nicht wirklich klar, was eigentlich sein Ziel war.
- Per Hassel Sørensen: Er präsentierte die Idee, ein VM (sein Entwurf heißt Podbike) mit einer Federung wie im Citroën auszustatten – mehr Komfort, zudem kann sich das Fahrzeug aufrichten, damit man leichter einsteigen kann. Da er von der bergigen und regnerischen Westküste Norwegens kommt, sieht er einen elektrischen Hilfsantrieb vor. Mit einem Hinterradantrieb, genutzt als Rekuperationsbremse, hatte er allerdings bei seinem alten VM einen Unfall, als das Hinterrad auf Eis kam.
- Charles Henry (@carbono): Er berichtete von die Entwicklung des PoB – viele Bilder, sehr beeindruckend, welcher Aufwand getrieben wurde. Und wohl jeder im Saal will so ein Ding haben, wenn es denn erschwinglich wäre. Habe übrigens zum ersten Mal ein PoB und ein Peregrin in Realität gesehen. Toller Vortrag!
- Joachim Fuchs: Er erzählte von seinem vollverkleideten Einspurer-Eigenbau, dem Aeolos. Das ist zwar nicht so modern wie das PoB, deutlich einfacher gehalten – aber er hat es in den 1990ern gebaut, und fährt seit 20 Jahren damit in die Arbeit, praktisch unfallfrei, und die Kilometerzahl ist inzwischen gut sechsstellig. Sehr beeindruckend!
- Frank Regge (@Reggebabe): Er arbeitet bei Busch & Müller, und hielt einen Vortrag darüber, welche Kriterien eine gute Fahrradbeleuchtung erfüllen muss und wie man die Zahlenwerte interpretieren muss (Stichworte: beeindruckende Beleuchtungsstärke eines Laserpointers, Messung von LEDs im kalten Zustand, Notwendigkeit der Messung der Lichtverteilung). Der Vortrag war eine ausführliche Form dessen, was er schon auf der SPEZI präsentiert hat – aber toll und sehr engagiert vorgetragen. Besonders beeindruckt hat mich, dass Frank klar gemacht hat, dass man bei B&M genau verstanden hat, was Liegerad- und Velomobilfahrer brauchen, aber es nur nicht wirtschaftlich herstellen kann. Hoffentlich findet sich da noch ein Weg; im Unterschied zum Big Bang, der eine komplette Neuentwicklung war (und aufwändig zu bauen), könnte man bei LED-Technik bestehende Scheinwerfer modifizieren; den immer noch hohen Preis würde die Community IMHO zahlen – besonders, wenn die großen Hersteller so ein spezielles LR/VM-Licht serienmäßig verbauen würden.
- Falk Kling: In seinem zweiteiligen Vortrag erklärte er die Grundlagen der Aerodynamik. Kernpunkte: Eine laminare Strömung hat weniger Reibung als eine turbulente, und einen möglichst späten Umschlag von laminar auf turbulent erreicht man, indem die dickste Stelle des Fahrzeugs weit hinten ist – das sei der Grund, warum das Eta dieses Jahr in Battle Mountain den Rekord so viel höher schrauben konnte. Allerdings darf auch nichts die laminare Strömung stören, nicht einmal ein Aufkleber (daher sind die beim Eta ausschließlich hinten). Zudem warnte er immer wieder vor den Schwierigkeiten, kleine Luftwiderstände zuverlässig zu messen – beispielsweise wird die Messung bereits dann verfälscht, wenn das Fahrzeug 20% des Windkanal-Querschnitts hat, und Messgeräte für Autos sind viel zu unempfindlich für die geringen Kräfte eines Velomobils. Außerdem sei die Strömung im Bodenbereich (untere 15 cm) ein noch vollkommen ungelöstes Problem. cW-Wert: Dieser sei nicht hilfreich, weil er erstens schwierig zu messen sei, und zweitens nichts darüber aussagt, wo die Probleme liegen und was man verbessern kann. Abhilfe schafft z.B. die Particle Image Velocimetry, bei der ein gepulster Laser (Anekdote: so stark, dass man damit Löcher in Betonwände schießt) fliegende Öltröpfchen beleuchtet, welche gefilmt und vom Computer verfolgt werden. CFD-Simulationen seien dagegen nur dann hilfreich, wenn man genau wisse, wie sich das Modell verhält. Außerdem hat er an der Ostfalia-Hochschule mit seinen Studenten einen Windkanal gebaut; dort haben sie den Milan vermessen. Überraschende Ergebnisse: Rückspiegel verbessern den Luftwiderstand (da die gekrümmte Rumpfform hinten zu einer Strömungsablösung führt, und die Wirbel des Spiegels wie beim Golfball-Effekt die Ablösung verzögern), ebenso NACA-Ducts (z.B. vorne saugt der NACA-Duct die Turbulenzen des Scheinwerfers ab, so dass dahinter die Strömung sauberer ist). Eine verbesserte Form des Milan ist vorne und hinten höher, allerdings auch seitenwindempfindlicher. Kurz gesagt, in der Aerodynamik ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht, aber vieles ist alltagsfern (z.B. perfekt glatte Oberfläche ohne Fugen und Dreck). Toller Vortrag. Bonus: Er kündigte an, nächstes Jahr den Windkanal HPV-Interessierten zum Selbstkostenpreis zur Verfügung zu stellen!
- Per Hassel Sørensen: Dieser Vortrag enthielt viel Zukunftsmusik – autonom fahrende elektrifizierte Velomobile. Für mich allerdings zu träumerisch.
- Thomas Zurbrügg: Er erklärte, wie man Scheibenbremsen am Quest nutzen kann – entweder, indem man eine kleine Scheibe nimmt (140 mm), oder, indem man auf ein Speichenrad verzichtet; in einem gewölbten Laufrad lässt sich eine 203-mm-Scheibe unterbringen (die man wegen der höheren Wärmekapazität will). Das Bremsgefühl sei fantastisch, der Belagverschleiß allerdings deutlich höher als bei der Trommelbremse, speziell bei Wasser und Sand. Sehr interessant!
- Patrick Flé (@Patrick): Er stellte seine Wasser-Bremsenkühlung vor. Auslöser waren viele Speichenrisse bei @TimB bei der Pfänder-Abfahrt. Wasser hat eine hohe Wärmekapazität; seine Konstruktion verwendet Kunststoff-Spritzflaschen mit einem Schlauch zur Vorderradnabe, der mit einem Metallröhrchen durch die Bremsplatte geführt wird. Theoretisch braucht man bei einer Mt-Ventoux-Abfahrt 1 Liter Wasser zur Kühlung; in Realität aber deutlich weniger, da gekühlte Bremsen besser bremsen, man kann zwischen den Bremsungen also schneller fahren und den Luftwiderstand mehr helfen lassen. Die Bedienung sei einfach zu lernen, man würde gut spüren, wann man spritzen muss, und die Trommelbremsen scheinen die schnellen Temperaturwechsel („abschrecken“) gut wegzustecken. Temperaturempfindlich seien dagegen die Speichen (gerissene Speichen gelb angelaufen = etwa 400 °C), die muss man schützen. Das erhitzte Wasser läuft einfach aus der Bremse heraus; einziger Nachteil sei der erhöhte Verschleiß an Belägen und Lagern. Anschaulicher Vortrag, der meine früheren Bedenken ausgeräumt hat.
- Theo van Andel: Er warf die Frage auf, ob das Velomobil deshalb kein Massenprodukt sei, weil die Hersteller es für Rennen und Rekorde bauten, es aber in der Praxis größtenteils im Alltag eingesetzt würde. Ich finde, ganz so einfach ist es nicht – aber er hat in diesem Punkt sicher nicht unrecht, und es hat die Diskussion befeuert.
Dann gab es Abendessen, mit vielen interessanten Diskussionen an den Tischen, und danach ein Selbstbau-Workshop von Busch&Müller-Scheinwerfern.
Am Samstag ging es mit dem sehr straffen Vortragsprogramm weiter:
- Martin Wöllner: Er erläuterte die Grundlagen eines Mehrspurer-Fahrwerks – welche Parameter-Änderungen welche Folgen haben. Er hat damit schön gezeigt, dass das alles keine Magie ist, wenn man die Bewegungen der entscheidenden Punkte betrachtet und die richtigen Diagramme zeichnet. Leider konnte ich nicht immer ganz folgen, da waren manche Grafiken zu komplex (und ich zu müde).
- Charles Henry (@carbono): Er stellte vor, welche Möglichkeiten es gibt, um den Rollwiderstand zu messen, und erklärte im Detail seine aufwändigen Rollwiderstandsmessungen auf Metallrolle. Sehr interessanter Vortrag, obwohl nicht viel Neues dabei war, wenn man seine ausführlichen Beschreibungen im Forum verfolgt hat.
- Helge Herrmann: Hier ging es ebenfalls um Reifen; interessant fand ich die Erklärung für einen Maximaldruck: Wenn der Reifen zu hart ist, verformt man statt dessen den Untergrund – was je nach Material des Belags früher oder später passiert. Bei Asphalt beispielsweise sei dieses Limit bei etwa 11 bar. Interessant!
- Manfred Raich (@Mandi): Er erzählte vom täglichen Pendeln in die Arbeit, täglich 80 km hin und zurück – inklusive sehr ehrlich über Motivation, Probleme, Pannen, Langzeiterfahrungen. Sehr beeindruckend!
- Wulf Kraneis: Hier ging es um einen Milan mit Elektro-Antrieb; obwohl schon bekannt, sind die Fahrleistungen immer wieder beeindruckend. Erst recht im Vergleich, z.B. dass seine Photovoltaik-Anlage am Dach mehr Strom erzeugt, als er jemals verfahren könnte (reicht für ca. 1 Mio Kilometer pro Jahr!). Damit war die Kernaussage seines Vortrags: Elektrifizierung macht nicht unbedingt schneller (Spitzengeschwindigkeit), sondern vor allem sicherer (gleich schnell wie Autos beim Beschleunigen und bergauf), und bietet verschleißfreies Bremsen.
- Tristan Willbrandt (@thegetaway): Dieser Vortrag fiel stilistisch etwas aus der Reihe; zusammengefasst sagte Tristan, dass man seinen kompletten Körper einsetzen solle, statt nur die Beine. Das heißt beispielsweise, ein Sitz mit guter Abstützung an den Schultern, so dass man sich beim Beschleunigen aus dem Sitz heben kann und den gesamten Körper, von den Zehen bis zur Hüfte, zur Kraftentwicklung nutzt – statt wie nur ein nasser Sack im Sitz zu liegen. Interessant auch die Aussage, dass das Ziehen an den Pedalen nichts bringen würde. Ich muss sagen, intuitiv mache ich es teilweise so, wie Tristan es sagt – allerdings muss man auch wissen, er ist eher ein Sprinter, und Langstreckenfahrer haben andere Prioritäten als maximale Kraftentwicklung.
- Heinrich Schlack: Er erzählte über seine Rekuperationsbremse, via Zahnriemen auf der linken Seite des Hinterrads zu einem Motor/Generator beim Schwingenlager. Interessant fand ich, dass ihm ein relativ kleiner Akku ausreicht – wenn also nicht der Antrieb, sondern die Rekuperation im Vordergrund steht, kann so eine Ausrüstung prinzipiell auch relativ leicht sein.
- Und dann gab es noch mehrere Reiseberichte sowie Berichte von Rekordfahrten bei der DEKRA und durch Österreich. Sehr beeindruckend.
Abends spielte dann noch
Schneewittchen – leider waren etwas wenig Leute anwesend, denn vielen hat das Essensangebot im Kulturhaus (Pommes oder Schnitzelsemmel) nicht gereicht. Ich fand es sehr unterhaltsam, sowohl von der Musik als auch von der Show her. Leider musste ich schon früh abreisen.
Fazit: Vielen Dank an
@Patrick,
@jessie und alle anderen Organisatoren und Helfer – es hat mir sehr gut gefallen! Das straffe Programm war zwar durchaus anstrengend, aber ich habe auch viele Leute getroffen und sehr interessante Gespräche geführt.