6. Deutsches Super Brevet Hamburg-Berlin-Köln

N'Abend,

bis jetzt haben es insgesamt 5 RR-Fahrer ebenfalls ins Ziel geschafft, Gratulation dafür! Die Velomobilisten @CarstenS u. @ChristianW befinden sich im Anflug darauf. Zu G. Beumer vermisse ich ein Update, die Mehrzahl der übrigen Teilnehmer/-innen bewegen sich gerade auf die vorletzte Kontrolle in Lindern zu.
 
N'Abend,

Danke für die Info. Gert Beumer hat es gegen 22:21 Uhr ebenfalls ins Ziel geschafft. Zur Zeit sind noch etwas über ein Dutzend RR unterwegs, die eine letzte Nacht vor sich haben. Haltet durch, auch Ihr werdet bald ein/e Finisher/-in sein!.
 
Nach einiger Zeit Foren-Detoxing melde ich mich mal kurz zurück, um etwas zu berichten aus dieser realen Welt da draußen außerhalb des Forums.

Ahrensburg Mittwoch Nachmittag

Ich wache mit einem Ruck auf und bin desorientiert. Es ist hell um mich. Ich bin in einer Art Turnhalle oder Aula und weiß nicht, wie ich hier hingekommen bin. Schaue auf Handy. Mehrere Mails von Strava mit Kommentaren. Dann kommt es langsam wieder. Ich habe HBK hinter mir, habe mich. kurz(!) hinlegen wollen, bevor ich im PKW nach Hause fahre. @CarstenS lag auf der andere Seite der Halle, ist aber weg.
Ich sammle mich, laufe etwas wackelig in die Mensa nebenan und finde da Carsten und andere Finisher mit einem Teil der Ausrichter-Crew.
Esse mir noch ein Brot, trinke was und mache mich - weiterhin groggy - dann langsam auf die Heimfahrt. Ich habe noch 3 Stops mit kurzen Schlafpausen gemacht, bis ich endlich gegen 22 Uhr zu Hause war. Da falle ich dann endlich in mein richtiges Bett und kann mich ausruhen.

Ahrensburg, Samstag, fünf Tage zuvor

Es ist etwa 4:30 als ich vor die Mensa rolle. Das Frühstück beginnt um 5:00, aber ich war wach und fertig und aufgeregt. Langsam trudeln immer mehr Teilnehmer ein und machen sich über Brötchen, Kaffee und Müsli her. Kurz vor 6 sind alle draußen und abfahrbereit.
IMG_2691.jpeg
Ich rolle mit dem Feld, hinter dem Badewannen SL von Jonas und dem QV von Gert. Das Feld ist irgendwann hinter uns und der SL vor mir aus dem Blick.
Dann endlose Felder, Teile von HHB, ein Regenschauer und kurz vor 14 Uhr bin ich in Nauen, wo man noch aufbaut. Jonas ist schon länger da und wartet. Essen, stempeln und weiter nach Ditfurt. Weiter ziemlich flach, am Ende dann die ersten Hügelchen zum Einstieg.

Um 20:30 rumpele ich dann über das derbe Kopfsteinpflaster von Ditfurt und finde eine der schönsten Kontrollen im Heimatmuseum.
IMG_2783.jpeg
Man klatscht (ich bin immer noch 2.), kümmert sich herzlich wegen Essen, Schlaf und Getränken und ich erwäge, hier etwas zu schlafen. Funktioniert aber nicht lange, also breche ich gegen Mitternacht dann doch schon wieder auf nach Messinghausen. Erste richtige Nachtfahrt, nach einer kurzen Abfahrt fängt dann das zähe Klettern an. Die Sterne funkeln, ich fahre batterieschonend mit Tagfahrlicht, das reicht völlig bei dem Tempo. Nur bei Abfahrten nutze ich Abblendlicht und teilweise kurz das Fernlicht.
Gleichzeitig läuft auf dem anderen Threema-Kanal der Weltrekord-Krimi mit Nici am Lausitzring, den ich interessiert verfolge. Immerhin gibt es noch andere bekloppte, die sich die Nachtstunden in so einer Rappelkiste um die Ohren schlagen. Fühlt man sich nicht so alleine...

Am Morgen übermannt mich die Müdigkeit. Ich halte kurz und haue mich für über eine Stunde hin. Es ist frisch. Also lange Hose und Jacke drüber im VM. Als ich wieder aufwache, bin ich frostig und fahre schnell weiter.
Nici beendet mittlerweile ihre Rekordfahrt und die Daumen gehen nach oben. Ist natürlich noch nicht offiziell. Aber ich bin froh, dass alles geklappt hat. Ich überlege kurz, im Netz eine Waschbärmütze zu ordern, aber verwerfe den Gedanken später wieder...
IMG_2843.jpeg
Dann kommt die Sonne und die Hitze und die nicht endenden Anstiege. Noch mal knicke ich mit der Müdigkeit ein und stelle mich kurz an die Seite für ein Nickerchen.
Auf einer Abfahrt vor der Nebenkontrolle bei Rosis höre ich es links zischen und ahne schon, was passiert ist. Nach dem Stempeln und einem frischen Baguette mit EI und Speck schaue ich mir meinen weichen ProOne links an, der eine weiße Milchbeule auf der Lauffläche trägt und dann in den Müll fliegt. Einen One mit Butyl drauf und weiter geht's. Es bleibt zäh und ich spiele sehr ernsthaft mit dem Gedanken, dass dies meine letzte Etappe wird und ich abbreche. Es ist irre heiß und meine Knie und Achillessehnen schreien um Gnade.
IMG_2823.jpeg
Ein Team von Bekannten feuert mich indes via Threema-Gruppe an und Ursula wartet schon in Rösrath auf mein Eintreffen.
Ich erreiche Messinghausen endlich um 18:30 und bin erst mal platt. Zum Überfluss liegt das Schützenhaus auch noch am Hang und ist über eine geschätzt 15 % steile Serpentinenzufahrt zu erreichen - also aussteigen und schieben.

Duschen, Essen, Trinken, Ausruhen. Es ist unglaublich warme Luft. Ein schöner, lauer Abend und gute Stimmung. Ich fülle erst mal die Tanks meines Körpers und auch die im VM wieder auf und bereite mich auf eine mögliche Weiterfahrt vor, dann lege ich mich in den Schlafsaal auf die ultradünnen, ultraschmalen Isomatten. So richtig schlafen kann man hier nicht, aber etwas ausruhen.

Wieder gegen Mitternacht (die gewaschenen Sachen draußen waren fast schon trocken in der warmen Luft) breche ich auf gen Rösrath. Einfach mal weiter fahren. Es geht schon irgendwie. Der Gedanke an Abbruch wieder verdrängt.
Das Spiel vom Vortag wiederholt sich: sternenklare Nacht, diesmal aber wärmer. An einem Anstieg meldet sich langsam mein Darm (endlich! - seit Abfahrt war da irgendwie keine Aktion mehr) - also kurz in die Büsche in einer Spitzkehre eines Anstiegs und dann 10 m weiter noch ein Nickerchen hinterher und dann weiter. Dann Morgengrauen und wieder Müdigkeit. Irgendwann habe ich ihm Wahn vor mich hin kurbelnd eine Baumkrone in Form von Donald Ducks Kopf gesehen, da war es wieder höchste Zeit, eine Stunde die Augen zu zu machen.
Dann kündigte sich noch @jostein und @Jupp mit Frau an, mich in Rösrath zu empfangen und das gab noch mal die letzte Kraft, die zähen Anstiege und Hügel bis zum westlichsten Punkt der Tour zu bewältigen.
Montag gegen 15:30 bot sich mir der herzlichste Empfang von allen: @milkiwei, @jostein mit Frau Katrin (die auch freiwillige Helferin war), @Jupp und Anhang standen schon an der Straße und lotsten und schoben mich ein Stück zum Vereinsheim. Ein kühles Weizen, Worte mit Hajo, Kettenpflege von Jupp (das elende Quietschen hatte mich schon seit dem Harz genervt) und ein leckeres Essen von Katrin. Ursula hatte sogar Kettenlehre, Öl, Montageböcke (die ich ablehnte weil nicht notwendig) und noch viel mehr an Utensilien dabei - unglaublich!
IMG_2856.jpeg
Der rechte ProOne hatte auf Abfahrten schon geschüttelt und zeigte eine Beule an der Flanke. Also flog auch der raus und wich einem One mit Butyl. Sicher ist sicher. Die haben beide auch wieder keine 1000 km gehalten. Drecksreifen sind das. Und ich habe noch zu viele davon... Und billig sind die auch nicht.
Dann habe ich mich für 5 Stunden Schlaf entschieden, die ich auch erstmalig hatte. Herrlich weiche, breite Turnmatten und pünktlich um 1:52 wurde ich total ausgeruht wach, noch bevor jemand die Chance hatte, mich zu wecken.

Nach einem kurzen Snack startete ich wieder in die laue Nacht und habe die Titelmusik von "Into the Night (1985)" von B. B. King als Dauerschleife im Kopf. Finnentrop erreiche ich kurz vor 5:00, die Tankstelle macht gerade auf. Glück gehabt. Eine 3er RR-Gruppe kommt auch gut gelaunt dazu und hatte die Nacht irgendwo vor Finnentrop biwakiert.
Es folgt wieder zähes Klettern und rauschende Abfahrten - zum Glück nicht so heiß und extrem wie am Vortag. Ein Stück Bahntrassenradweg mit Tunnel, dann etwas Regen und schon vor Mittag bin ich wieder in Messinghausen.
Also wieder kurz gestärkt - und meinen dicken Sack an Ersatzklamotten, Schlafsack, zig Mänteln und Schläuchen und Standpumpe der DropBag verstaut, weil es ja jetzt wieder flacher würde und ich dann nicht auf irgendwas warten muss, falls ich schneller als der Bus zurück bin.

Nach einer Stunde geht es dann gleich weiter, eine kurze Rampe über das Rothaargebirge und dann viele lange Abfahrten Richtung Norden.
IMG_2897.jpeg
Dabei teilweise böiger Wind und nadelharter Regen im Gesicht, während ich mich mit 60 km/h unter den Schaumdeckel kauere und mich über die Windstabilität meines A9s freue.
Dann wird es ein Stück zäh und hügelig. Teilweise wieder etwas Regen, bis dann irgendwann hinter dem Mittelland-Kanal der Velomobil-Himmel beginnt und ich endlose, schnurgerade Straßen mit teilweise bis zu 50 km/h bei Gegenwind fahre und ich in meiner Euphorie zuweilen noch mal 200 W und mehr dazu abrufe.
"Wer hier Auto und kein Velomobil fährt, hat einen an der Waffel" war mein einziger Gedanke.
Und so komme ich nach etwas Zickzack und durch die winkeligen Wirtschaftswege kurz nach 19 Uhr in Lindern an.
Wieder herzlicher Empfang. Die erhoffte Dusche war dann leider nur ein Gartenschlauch zwischen den Autos (ging nicht anders), dafür leckeres Essen, nette Unterhaltungen und noch etwas Schlaf, während sich Carsten im SL tatsächlich gleich auf die letzte Etappe aufmachte.
Ich wollte aber nicht weiter, zumal ich wegen des Geesthachter Brücken-Chaos die Fähre geplant hatte und die ohnehin nachts nicht fährt.
Leider war @Radwunschmeister auch wegen Krankheit ausgefallen. Es war verhext. Hätte mich gerne mit ihm über seine Tour mit unserem gemeinsamen Bekannten Tilman zur York Rally unterhalten...

Also noch mal etwas geschlafen und quasi zeitgleich mit einem RRler aus Berlin gegen 03:30 bei frischer Temperatur mit Schaumdeckel gestartet, der dann aber schnell verschwand, weil die Landschaft weiter zum Rasen animierte und nicht aus Zufall dort in Siedenburg der Milan entstanden ist.
Im weiteren Verlauf wurde es dann doch noch hügeliger als gedacht. Teilweise so, dass man die Steigung gar nicht als solche sieht, aber völlig genervt ist, wenn man nur 20 km/h fährt und sich dafür fast verausgaben muss. Nach der letzten Kontrolle in Winsen dann Trackwechsel Richtung Fähre, dann nach der Elbe nicht ganz so schnell wie @Stephan1970 und Co über den Deich genagelt und wieder zurück auf den originalen Track.
Am Ende kam dann noch etwas Sonne heraus. Und noch ein paar unverhoffte Steigungen.
IMG_2934.jpegIMG_2939.jpeg
Und dann war es geschafft.

Zehnter im Ziel. Aber der Platz ist egal. Hauptsache gefinished. Dafür groggy. Aber es gab schon 200er und 300er Brevets, wo ich mich anschließend kaputter gefühlt habe...
IMG_2953.jpeg

Wie geht es weiter? Vielleicht dann doch mal PBP probieren. Sind ja "nur" 1200 km. Mal schauen. Muss man ja mal gemacht haben. 50 Teilnehmer vs. tausende sind ja vielleicht noch ein Unterschied.

Das A9 hat sich super bewährt. Angenehm. Sicher. Schnell. Spurtreu. Leicht.
Hätte ich mit dem DF mehr zu kämpfen gehabt. Dort sind Sitz, Gewicht, Platzverhältnisse und die Spurtreue für solche Strecken einfach einen Ticken schlechter. Also warum es sich schwer machen?
Zumal bei dem Gegenwind DF nur mit Hosen hätte mithalten können. Dann aber auf Kosten des Wendekreises und des Theaters bei möglichen Pannen.

Danke an alle Verfolger, Mitfieberer, Anfeuerer, Freiwilligen, Organisatoren und Mitbestreiter dieser unbeschreiblichen Tour.
Leider konnten @MAT, @Guzzi und Hajo nicht mitfahren, was ich einerseits sehr bedauert habe.
Andererseits gab es mir die Chance, das ganze alleine zu "erfahren" und mich nicht gehetzt zu fühlen durch deren Routine und Tempo.

Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn es mit ein paar mehr VMs geklappt hätte.

Unglaublich die Leistung auch von Jonas @SpaßAnDerFreude im Badewannen SL, der quasi ohne Schlaf gefahren sein muss und mehr als einen Tag vor mir schon im Ziel war!
Noch unglaublicher, dass selbst RR-Fahrer nur kurz später eintrafen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe gerade (aus eigenem Interesse) mal ein wenig Statistik gemacht:
1659285465557.png
Pausenzeiten umfassen Ampelstops, Kontrollen oder kurze Schlaf-Stops.
Rast umfasst das Essen/Ausruhen/Schlafen nach Ankunft bei den Hauptkontrollen, wo ich länger war.
Die gesamte Bruttozeit ist knapp 101 Stunden.

Es ist erschreckend, wie gering der Bruttoschnitt der besonders zähen Etappen 3 und 4 ausfällt, wo sowohl die Höhenmeter als auch die kurzen Schlaf-Stops ursächlich sein dürften.
Erstaunt war ich, wieviel auf Etappe 7 noch gegangen ist.
 
Zurück
Oben Unten