Mein 400er Saarland allererster Brevet-Start begann bei km 192 in Worms an der Kontrollstelle 2.
Die Damen an der Rewe Kasse hatten natürlich um 10 Uhr alle Hände voll zu tun und sowieso keinen Stempel, also einfach unterschrieben. Das hätte ich auch selber machen können. Beim Bäcker das Gleiche, trotz Kauf eines Latte Macchiato, der mir wegen schlechtem Deckel dann später teilweise übers Hemdchen schwappte.
Die Fahrt durch die Rheinebene bis Leistadt an der Hardt war ziemlich flach und es rollte ganz entspannt. Kurz danach in Derkem mitten durch die Fußgängerzone, viel Kopfsteinpflaster plus Baustelle (Schieben weil sehr eng und kurvig), nervig. Entlang der Hardt Richtung Süden durch Neustadt, Edekowe, Burrweiler kamen dann erste kleinere Steigungen, landschaftlich schon klasse, leider auch viele Rüttelpisten. Ab Albersweiler aufwärts in den Pfälzer Wald rein, durch Annweiler, Willgartswiesen, Häste bis Hinterweidenthal. Leider fror da mein Navi ein und war nicht wieder zu beleben. Umstieg auf Fahrtenbuch klappte auch nicht, weil die angegebenen Örtchen leider nicht ausgeschildert waren. Na ja die Spargelfrau wusste wos nach Salzwoog geht. Dann Tacho-Navi aktiviert, leider ohne Voranzeige von Abbiegungen und oft zu später Aktualisierung. Erst nachdem du am Abzweig vorbei bist, siehst du, dass hättest abbiegen sollen. Hinter Glashütte sehr schön gelegene Radwege, Wald, Bachläufe, Dampfeisenbahn, kurzen Hügel hoch und danach km weit gerollt, sehr schee. Vor Schweix kommt die erste größere Steigung, halt im Wald, sogar noch ganz nett. In Frankreich Liederscheidt bis Bitch mit Landschaft vom Feinsten, aber Kiesbelag, do gesche echt kabutt. Freien Kontrollstempel in Bitch hab ich mir direkt mal geschenkt. Ab hier auch der Punkt, wo meine innere Wasserwaage versagt, ich kann nicht mehr sagen, ob leicht bergauf oder bergab. Stück dahinter wurde die Straße zum Glück etwas glatter. Bis Saargemünd viel Auf und Ab. Trotz flacher Abfahrten hab ich nicht laufen lassen, der Seitenwind von rechts war echt brutal, schneller, zweispuriger Gegenverkehr, da riskier ich nix. Soviel Daumen hoch und Ampel-Fragen zum VM wie in Saargemünd hab ich in Deutschlang im ganzen Jahr net. Also Die waren echt begeistert. Später auf dem Saarradweg hatten sich am späten Nachmittag natürlich alle Saarländer eingefunden, die noch irgendwie laufen können. Hab mich deshalb nach kurzer Slalomfahrt für die B51 entschieden und doch vielleicht etwas Zeit rausgeholt. So etwa 19 Uhr in Saarbrigge mit viel Fragen und wenden wieder auf den Radweg zurück. Trotz tiefstehender Sonne aufm Bless konnt ich doch was sehen, es rollte sehr locker und war so richtige Urlaubsstimmung. Halb 9 Ankunft an Start/Ziel. Einige Runden über beide Plätze, aber trotz Brevet Transparent am Zaun weiß Keiner was. Aah die Gastronomen kennen sich aus, vom Brevet-Team ist natürlich jetzt noch Niemand da. Nach Frikadellen geht's dann ab in die Dunkelheit. Nervig, dass man halt vor allen Kreuzungen die Tacho-Beleuchtung per 2 Tasten gleichzeitig drücken einschalten muß. 50 % Trefferquote, bei Fehlbedienung muss man dann die Fummeltaste eine Runde durchdrücken bis die Navigationsseite kommt. Wegen Blendwirkung danach wieder ausschalten und schon biste wieder im falschen Menü. Wasn Ärger. Erstmal sind die Beine noch ganz gut. Schnell ist aber anders, sehr viel Respekt vorm Hunsrück. Gute 70 km fast nur bergauf. Unterwegs kurzer Regenerationstreff mit
@chrisbamb. Und da kommt auch schon der vermutlich Schnellste auf ner Liege(?) vorbeigerauscht. Pi mal Daumen 16 h, meine Hochachtung. Bin hier nicht mehr taufrisch aber auch net platt. Einige 2er-Teams und ein 3er Team kommen entgegen. Fixe Jungs. Zwei in die Unendlichkeit des Alls führende Reflektorenketten unter sternenklarem Himmel. Leiern mit 8 kmh, kein Ende der Lichterketten in Sicht. Kauze, Eulen und andere Geräusche als willkommene Ablenkung vom Knarzen meines Antriebs und vom Röcheln meines Atems. Hinter dem Erbeskopf den Abzweig zur Kontrolle 1 verpasst. Wenden in achtzehn Zügen und Strafstrampeln im steilsten Stück des Brevet. Und völlig umsonst, da ist eh alles tot. Wäre ein traumhafter Rastplatz. Wenn man 12 h früher da wäre. Und auch die paar m Abfahrt vorm Erbeskopf wollen auf dem Rückweg wieder bergauf bezwungen werden. Boah des mog I net. Und wieder Fahrtenbuch, ja nach Allenbach, aber kein Schild mit Allenbach, krutz die Türken. Krasse Abfahrt gegen die Bremse. Der Wind spielt mit mir wie er will. Macht kein Spaß. Wieder Randoneure auf der Route 1 in entgegengesetzter Richtung. Irgendwann dann länger bergauf. Ich meine gelegentlich Raureif auf der Böschung zu sehen. Die Füße werden trotz Anstrengung kalt und kälter. Handschuhe hab ich mit, aber die Hände fühlen sich pudelwohl. Überzieher leider nicht dabei, die bräuchte ich unbedingt. In Bruchweiler kam dann die weiße Fahne aus den Radschuhen. Irre kalt. Da leg ich mich auf keine Bank. Am Friedhofsparkplatz abgestellt, frische Klamotten an und Schlafsack drüber. Beide Beine links vom Tiller iss net so üppig im Platzangebot. Die Füsse tun weniger weh, aber kommen nicht mehr auf normale Temperatur. Vielleicht 2 Uhr oder 3? Bin mehr am Dösen als Schlafen wegen der Füßchen. Die Morgensonne mahnt zum Weiterfahren. Rest vom Müsli, Tee vom Christian und dann lange bergab. Das hilft den Füssen auch net, aber lässt sich gerade noch aushalten. Dann 30 km nur steil hoch und direkt steil runter. Die ham wirklich die maximal möglichen hm reingepackt. Diesen Mist gegen Ende empfinde ich noch sonem bescheidenen Schlaf nur als Schikane. Gefühlt eierst du 1 h nur bergauf, damit die Bremsen auch für die folgende Abfahrt runter gekühlt sind. In Meisenheim werf ich dann das Handtuch und verlasse die Brevet Strecke. Ich wär durchaus noch in der Lage gewesen weitere h bergauf zu eiern, aber hab keine Lust mehr. Alles Salzverkrustet und pappig, jetzt nur noch das Nötigste fahren. Nach einem letzten langen Anstieg über Bad Münster, Bad Kreuznach, Bingen, Ingelheim sowie letzten Interferenzen mit den Gonsenheimer Straßenbahnschienen rolle ich rein nach Mainz. Oh Mann Marathon. Aber man kann ja auch mal frech sein und Glück haben. Ich fahr einfach auf die abgesperrte Strecke und wenn die Streckenposten gucken, dann winke ich freundlich und fahr einfach weiter. Volksfeststimmung, Armeen von Zuschauern haben die Theodor Heuss Brücke eingenommen. Dann noch de Rampe un ich bin deheem. Klar hätte ich die 500 voll machen können, aber man muss ja was übrig lassen.
Ja das war eine schöne Erfahrung. 490 km in 30,5 h Abwesenheit. Sehr viel gesehen. Viel gefühlt, halt intensiv gelebt.
Noch zu erwähnen, dass ich Sonntag seekrank einschlief. Also der Wind hat mein Bett ganz schön gebeutelt. Zum Glück musste ich nicht......
Falls nochmal, dann aber:
· Start ab offiziellem Startpunkt in der Gruppe
· Bei der Entfernung (170 km) keine Anfahrt per VM oder aber mindestens 1 Tag vorher
· weniger Ballast (Schlafsack, Isomatte, Wasser) mitnehmen
· Überziehschuhe und lange, dicke Hose für Pausen
· Bei gutem Wetter ohne Haube fahren (wegen Navi, Übersicht und Kühlung bergauf)
· Für Notfälle auch mein Auto-Navi oder Karte mitnehmen
· Vorher die Strecke analysieren, was man notfalls weglassen kann, Streckenplan ergänzen mit ausgeschilderten Orten
· Auf den flacheren Stücken schneller fahren
· Viel mehr essen
· Umleitungen folgen (kam zwar durch 3 Baustellen durch, aber bestimmt fünfmal Aufsetzen, Aussteigen, Schieben)
Ist das VM schneller als ein RR? Meiner Meinung nach nein. Grob gerechnet ging es 100 (120?) km steil bergauf mit 8 kmh. Das macht 12,5 h. Mit dem RR fahre ich diese Anstiege lockerer mit 10 kmh, eher mit 11. Das macht 10 h. Die 2,5 h Differenz hole ich bei diesem Höhenprofil, Fahrbahnbelag, unzähligen Stopps und Wind mit dem VM nie mehr ein, eventuell ist es über die restlichen 300 km sogar langsamer als das RR. Also das gilt nur für mich, kann ja mit mehr Liege-km anders aussehen.
Sonntag wollte ich niemals mehr einen Brevet >300 km fahren. Heute denke ich, na ja wäre interessant, wie schnell ich ohne Verfahren und mit besserer Kräfteeinteilung die Strecke packe. Schaun wir mal......