Hallo liebe Liegeradgemeinde,
ich habe endlich etwas Zeit gefunden und möchte euch von meiner Liegeradtour in den Urlaub
berichten.
Familienurlaub war dieses Jahr auf der schönen Insel Rügen geplant und mein Urlaub, mit dem
gewissen Hintergedanken, bereits ein paar Tage vor der Anreise beantragt und vom Arbeitgeber
genehmigt.
Über Monate habe ich an den einzelnen Etappen getüftelt und nach Strecken mit möglichst wenigen
Steigungen gesucht.
Bin ja mehr so der Flachlandradler.
Zumindest konnte ich dieses Mal, im Vergleich zu meinen Touren Richtung Bodensee im Frühjahr
und Herbst, die warmen Klamotten im Schrank lassen.
Der Urlaub kam näher und die Vorfreude auf die Tour und die Nervosität, ob der Wettergott bei
seinen Vorhersagen bleiben würde, stieg. Panik stellte sich ein, nachdem ich mir, 4 Tage vor
geplanter Abfahrt, auf dem Weg zur Arbeit, ein fettes, spitzes Stück Split in den Hinterreifen bohrte.
Schwupps hatte ich keinen Ersatzreifen für die Tour mehr….
Panisch kaufte ich alles, was der überschaubare Onlinehandel so hergab….
Jetzt habe ich 4 Marathon Racer plus den geflickten zu Hause herumliegen und bin reifentechnisch
ziemlich gut aufgestellt.
1. Etappe: Hünstetten – Schlüchtern (127,6 km / Nettofahrzeit 6:40h)
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=awtbvsyleltsyduy
So kam es also, dass ich am 20.7., ein Samstag, morgens um kurz vor acht mein Fluxi (wie meine
Mädels die Liege liebevoll nennen) vor die Tür stellte und die Luftbremsen in Form zweier Ortlieb
Taschen mit einem Ersatzreifen, zwei Schläuchen, 2. Garnitur Radklamotten und Zivilkleidung für
abends, sowie meine Radical Toptasche für den Kleinkram wie Powerbank, Brotdose, Werkzeug,
mehrere Packungen TUC, Müsliriegel usw. ans Rad hängte.
Meine geplanten Routen hatte ich mir mit der Kombination B-Router und GPSies als GPX Dateien auf
das Handy geladen, welches ich mit einer Handy-Armtasche (wie man sie auch beim Laufen nutzt) an
den rechten Unterarm gebunden habe. Zur Navigation entlang des Tracks nutze ich seit Jahren
erfolgreich OSMAND. Habe die Navigation dermaßen konfiguriert, dass die nette Dame aus dem
Handy mir die Richtungsanweisungen ins Ohr flüstert und mir gleichzeitig für 15 Sek. auf dem Display
die Position und Route angezeigt wird, Funzt super.
Punkt 8 Uhr war ich dann auf dem Weg zum ersten Etappenziel, Schlüchtern im Main-Kinzig-Kreis.
Wie erwartet war die B417 leer und ich konnte entspannt losradeln.
Über Niedernhausen, Eppstein und Hofheim führte die Route zum Mainradweg, den ich ab
Schwanheim, vorbei an der Frankfurter Skyline bis Dömigheim, folgte, über Bruchköbel nach
Langenselbold um von nun an mehr oder weniger konsequent dem Kinzigtalradweg (R3) zu folgen.
Eigentlich hatte ich geplant einen kurzen Kaffee und Kuchen Stopp in der Altstadt von Gelnhausen
einzulegen. Aufgrund der Temperaturen (inzwischen knapp unter 30°C) und der Tatsache, dass es
zum Kuchen „bergauf“ ging….
Weiterfahren und Supermarkt suchen.
Nach Kilometer 100 waren die Wasser- / Apfelschorlenvorräte erschöpft. Im nächsten Supermarkt
schnell neue Flüssigkeit und eine Packung Milchbrötchen bunkern und kurz die angenehm gekühlte
Luft des Supermarktes genießen und weiter…. wollte ja ankommen. Erwischte mich dabei, wie ich
beim Vorbeiradeln am Barbarossafreibad in Gelnhausen eine Millisekunde über einen Sprung ins
kühle Nass nachdachte.
Die weitere Route führte mich dann immer entlang der Kinzig und der Bahnstrecke Frankfurt – Fulda
durch Wächtersbach und Bad Soden Salmünster nach Schlüchtern.
Um 16 Uhr erreichte ich schließlich das Hotel im Stadtzentrum und freute mich auf eine Dusche, ein
oder zwei eiskalte Hefeweizen (alkoholfrei natürlich), ein leckeres Abendessen und darauf folgend
einen erholsamen Schlaf.
Alles in allem war ich mit meiner Leistung und dem gefahrenen Schnitt von 19,1 km/h sehr zufrieden.
Noch ein paarmal lobend auf die Schulter geklopft und ab ins Reich der Träume.
2. Etappe: Schlüchtern – Kassel (149,3 km / Nettofahrzeit 8:07 h)
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=uejnfocmeqzrspsr
Nach 9 Stunden erholsamen Schlafes, rollte ich mich gut gelaunt um 7 Uhr aus dem Bett. Bereit ein
Paar Setzlinge auszureißen.
Das Frühstücksbuffet des Hotels war sehr umfangreich und lecker.
„Fluxi“ konnte ich in der hoteleigenen Tiefgarage parken und hatte es dort fachmännisch an ein
Regenrohr gekettet.
Um 08:30 setzte ich mich in Bewegung. Während der Nacht waren in der näheren Umgebung einige
heftige Gewitter niedergegangen, so dass die Luft angenehm frisch aber nicht sonderlich schwül war.
Die ersten 5 km quälte ich mich den R3 folgend die 150 hm Richtung Flieden den „Berg“ hoch.
Irgendwie waren meine Muskeln noch nicht so richtig in der Stimmung Leistung zu erbringen. Die
freudige Erwartung auf keine weiteren nennenswerten Steigungen nach Erreichen der ersten Anhöhe
ließ mich dann jedoch kontinuierlich Höhenmeter für Höhenmeter „bezwingen“.
Der Fliede entlang den R3 folgend erreichte ich nach 23 km bei Eichenzell den Zusammenfluss von
Fulda und Fliede.
Der Fernradweg R1 entlang der Fulda füllte sich langsam mit schwer bepackten Radreisenden auf
Treckingrädern.
Andere Liegen oder sogar Velomobile habe ich während der gesamten Tour nur einmal in Kriftel
gesehen.
Zu den inzwischen vielen bepackten Radreisenden gesellten sich zunehmend mehr
sonntagsnachmittägliche Ausflügler mit Kindern und allem was Räder hat. Also erhöhte
Aufmerksamkeit.
Bei Bebra macht die Fulda einen Knick Richtung Nordwesten und der Radweg führt entlang des
Flusses zu weiten Teilen durch Bäume beschattet Richtung Rotenburg a.d. Fulda.
Hier lag aber plötzlich ein Resultat eines der nächtlichen Gewitter quer über dem Weg. Anhalten.
Erstmal was trinken und ein Milchbrötchen verdrücken. Während ich kauend auf den entwurzelten
Baum schaute, krabbelte ein Rennradler mühelos mit seinem 9kg Rad über den Baum. Er berichtete,
dass auf den nächsten 2 km weitere 3 Bäume lägen und ich spätestens dort keine Chance hätte mit
meinem Gefährt diese Hindernisse zu überwinden. Aber ich könne zurückfahren und die Wege rechts
der Fulda nehmen.
Na gut. Also wieder zurück bis Breitenbach, einmal um den Breitenbacher See herum und rechts der
Fulda weiter radeln. Leider gab es auf dieser Seite gar keinen Schatten und die Sonne brannte
unerbittlich auf die Radelnden herunter.
Nach dem Umweg von knapp 4 km erreichte ich dann die schöne Altstadt von Rotenburg a.d. Fulda.
Ein schattiges Straßencafé lud zu einer Pause ein um den Flüssigkeitshaushalt durch Zufuhr zweier
alkfreier Hefeweizen und den Akkustand des Smartphones mithilfe der Powerbank aufzufüllen.
Hier konnte ich dann wieder auf meiner geplanten Route, dem R1 folgend, weiterfahren.
Bei Baumbach verließ ich den R1 und setzte die Fahrt über die K131 links der Fulda fort, da die
Recherche über google Street view ergab, dass dort nur wassergebundener Untergrund mit feinem
Split vorhanden war. Nach meinem letzten Erlebnis das zum Plattfuß führte, entschied ich mich für
die wenig befahrene Kreisstrasse. Dieser K131 bin ich bis Binsförth gefolgt um dort dem R1 zu
wechseln um in den Genuss der Flussquerung per Muskelkraft im Transportkorb zu kommen.
Eine willkommene Gelegenheit um mit anderen Radlern ins Gespräch zu kommen und die Vorzüge
der Liege besonders auf langen Strecken hervorzuheben und auch mal andere Muskelgruppen zu trainieren.
Das Flussquerungsabenteuer hat mich zwar locker 30 Minuten gekostet, war aber sehr unterhaltsam.
Ab Beiseförth dann weiter über die Kreisstrasse bis Melsungen.
Melsungen mit seinem alten Stadtkern und den liebevoll renovierten Fachwerkhäusern und vielen
Cafes und Konditoreien ist auf jeden Fall eine Reise wert.
Mit der inzwischen im warmen Nachmittagslicht glitzernden Fulda zur rechten ging es weiter entlang
des R1 bis Grebenau. Um mir ein paar Flusschleifen zu sparen, bin hier ein kurzes Stück auf die B83
bis Guxhagen ausgewichen. Zum Glück war nicht allzuviel Verkehr und ich konnte entspannt die paar
Höhenmeter bis Guxhagen hochstrampeln. Die Pension direkt an der Fulda schon fast vor Augen,
gingen die letzten paar Kilometer über die K16 sehr leicht von den Pedalen.
Die Pension liegt sehr ruhig, direkt am R1 und wenige Meter entfernt gibt es ein Restaurant mit
Biergarten.
Restaurant mit Biergarten… das war der Plan. Leider hatte das Restaurant aufgrund
eines traurigen Ereignisses geschlossen. Jetzt war guter Rat teuer. Ich hatte noch ein paar
Müsliriegel und zwei Pakete TUCs, mir war jedoch mehr nach etwas Handfestem. Google hilft, bzw.
lässt die Ernüchterung der „Abgeschiedenheit“ noch ein wenig grösser werden. Das nächste
Restaurant ziemlich weit weg. „Ah, eine Haltestelle!“ Die „Öffi“- App teilte mit mit, dass in wenigen
Minuten ein Bus käme der mich mit einmaligen Umsteigen zum Hbf und zu einer Burger-Braterei
bringen würde. Zwar nicht wirklich das, was ich mir vorgestellt hatte, aber besser als trockene Kekse
und Müsliriegel. Und es gab auch einen Geldautomaten nicht weit weg.
Also heute mal ein ausgewogenes Abendessen mit Pommes und einem Baconburger. „Lecker!“
Mit der nächsten Bahn- / Busverbindung wieder zurück und ab ins Bett. Es standen schließlich 140km
bis Elze bevor.
3. Etappe: Kassel – Elze (141,8 km / Nettofahrzeit 7:44 h)
https://www.gpsies.com/map.do?fileId=njsyrpeninznsjfd
Frühstück hatte ich für 7 Uhr bestellt. Wenige Minuten bevor der Wecker seine Arbeit aufnahm wurde
ich wach. Ziemlich ausgeruht nach einem, bedingt durchs spätabendliche Essen jagen, nur 7 Stunden
Schlaf.
Das Frühstück, welches mir dann von der Gastgeberin aufs Zimmer gebracht wurde, war der
Hammer.
Kanne Kaffee, je eine Karaffe mit Milch und O-Saft, 2 Eier, Müsli, reichlich Wurst, Käse und
Konfitüren, Gemüse, Weintrauben, 3 Brötchen und 3 Scheiben Brot. Einfach klasse!
Hab das was ich nicht geschafft habe als Marschverpflegung in meine Brotbox gepresst.
„Fluxi“ hat direkt vor der Zimmertüre in einem Carport die Nacht verbracht.
Um 08:30 Uhr waren schließlich alle Taschen angebracht und nach Begleichen der Rechnung ging es
sofort rechtsrum auf den R1, auf nach Elze bei Hildesheim.
Ich hatte mich im Vorfeld gegen die (flache) Route und die extra Kilometer entlang der Fulda
entschieden und wollte stattdessen parallel zur B3 Richtung Ihringshausen fahren.
Jetzt die Abfahrt über die B3 anstatt wie geplant dem Radweg zu folgen und unten angekommen mit
zwei scharfen Rechtskurven auf den R1 zu gelangen. Die nächsten 16 km bin Hannoversch Münden
waren dann Lustradeln pur. Obwohl der Radweg größtenteils parallel zur B3 entlang führt, war der Straßenlärm nicht sehr störend. Einfach schön am Vormittag entlang der spiegelglatten Fulda entspannt
„dahinliegend“ die Natur beobachten zu können. Hier ein auf einen Snack lauernder Graureiher, dort
eine Entenfamilie in enger Formation oder der über einem Feld kreisende Rotmilan. Hätte ich in
dieser Entspanntheit auf meinem Trekkingrad nicht gesehen.
Da es sich bei dem Fuldaradweg ja um einen der wichtigeren Radfernwege handelt, wurde der
Radverkehr konstant dichter.
Nach 26 km wurde ich am Ortseingangsschild von „Doktor Eisenbarth“ in Hannoversch Münden
willkommen geheißen.
Von meiner Route abweichend fuhr ich einmal kreuz und einmal quer durch
die wunderschöne Altstadt und nahm mir die Zeit in einem Café mit Blick auf die Kirche Sankt Blasius
einen schnellen Milchkaffee zu trinken.
Die nun folgenden 10 km waren mit einem Anstieg von 120 m NN bis hoch auf 280 m NN die
Anstrengendsten.
Der B3 und dem zum Teil parallel verlaufenden Weser-Harz-Heide Radweg folgend, hinauf bis nach
Scheden um dann einen Kilometer die Dransfelder Rampe zu befahren.
Ich hatte mich dagegen entschieden, die Dransfelder Rampe bis hinunter nach Göttingen zu fahren, sondern stattdessen die etwas kürzere Variante über die Dörfer nördlich der B3 um dann bei Nörten-Hardenberg an die Leine und den Leine-Heide-Radweg zu gelangen. Von nun an musste ich nur noch stumpf dem LHR folgen.
Der Wind hatte etwas aufgefrischt, kam aber aus der richtigen Richtung und erhöhte meine
Reisegeschwindigkeit. Da Reisen mit dem Liegerad eine entspanntere Art des Fahrradfahrens ist,
habe ich Einbeck den Abzweig nach Richtung Osten „verträumt“.
Was für ein Glück!
So kam ich zwangsläufig an einem Supermarkt vorbei und nahm die Gelegenheit wahr um meine
Getränkebestände zu erneuern.
Weiter ging es dann dem LHR folgend bis kurz vor Kreiensen um von hier links der Leine auf der
L487 und Wirtschaftswegen bis Freden (Leine) zu fahren. Die Entscheidung den LHR zu verlassen
traf ich während der Planung, als ich mit Hilfe von Google Street view erkannte, dass der Radweg
dort auch nicht asphaltiert oder geteert bzw. in einem mitleiderregenden Zustand war. Bei Kilometer
109 riss mich dann ein kurzer knackiger Anstieg, den ich überhaupt nicht auf der Liste hatte, aus
meinen Tagträumen. „Oben“ angekommen genoss ich den Blick ins Tal der Leine Richtung Freden.
Die letzten 30 km waren dann angenehmes nachmittägliches Radeln in schönstem Sommerlicht.
Ich hatte mir in Elze ein Hotel mit angeschlossenem ital. Restaurant ausgeguckt. Dummerweise nicht
an den Tag gedacht. Montag. Der bundesweite Ruhetag in der Gastronomie.
Also kein Pastaberg bei Luigi, stattdessen Dönerteller in Alis Dönerschmiede. Anschließend noch ein Eis und dann Bettruhe.
Ein Tag mit schönen Eindrücken wollte verarbeitet werden.