Doppel-Kettenrolle aus dem 3D-Drucker – ein Versuch

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Hallo,

mein Semi-Tieflieger Evil Cat von 1995 hat eine Doppel-Kettenrolle wie bei den Bacchettas. Die Original-Rolle ist wie der Rahmen des Rades eine Sonderanfertigung, offenbar aus dem Vollen aus Hartplastik gedreht, mit 2 Rikula 12x28x8. Die Befestigung am Rahmen erfolgt auf einem an den Rahmen angelötetem Bolzen von 12 mm. Die Rolle ist unangenehm laut und führt auch die Kette nicht wirklich gut, sie springt leicht ab.

Rolle alt.jpg Bolzen.jpg

Ich habe bei Ginkgo und Icletta geschaut, aber eine Doppel-Kettenrolle mit 12 mm Bohrung gibt es nicht. Die einzige Einzel-Kettenrolle bei Ginkgo mit 12 mm Bohrung ist nicht lieferbar und kostet 60 €, für eine doppelte Rolle als Sonderanfertigung müsste ich vermutlich mit 80 - 100 € rechnen. War mir momentan zu teuer.

Ich habe daher überlegt, ob sich nicht eine Rolle mittels 3D-Druck selbst fertigen ließe. In dem Gebiet war ich absoluter Laie, aber sehr interessiert. Über den Versuch will ich hier berichten. Kann sein, dass ich was Grundlegendes übersehen habe, aber hey: Versuch mach kluch.

Preislich war das Ganze sehr überschaubar, denn das FabLab Nürnberg ist für mich gut zu erreichen. Die haben zwei 3D-Drucker vom Typ Prusa MK2, als Filament war nur PLA verfügbar, evtl. wäre ABS besser geeignet. Gezahlt wird im Wesentlichen nach Materialverbrauch: 0,20€ pro Gramm Filament.

Ich habe entschieden, als ersten Entwurf eine doppelte Kettenrolle in mehreren Teilen (Scheiben) zu drucken, um keine größeren Überhänge zu haben. Die insgesamt 4 Scheiben werden anschließend miteinander verschraubt. Dazwischen wird für das Zugtrum ein Ritzel mit 16 Zähnen aus einem alten, zerlegten 7-fach-Ritzelpaket geschraubt. In den Rillen neben dem Ritzel sowie auf der Lauffläche für das Leertrum werden O-Ringe zur Bedämpfung bzw. als Opfermaterial aufgezogen. Vorteil: 'ne Tüte O-Ringe lässt sich immer leicht als Ersatz mitnehmen.

CAD Skizze.jpg

Das ausgeschlachtete Ritzelpaket war mit einer M2,5 Schraube verschraubt. Das Schraubenmaß habe ich übernommen, um die Löcher im Ritzel nicht aufbohren zu müssen. Da die Rolle später auch auf 2 Rikula laufen soll, muss die Verschraubung m.E. nicht allzuviel aushalten.

Da ich CAD nur in 2D und rudimentär beherrsche, habe ich mich an TinkerCad versucht, das ist eine Art 3D-Baukasten auf einer Webseite. Mit meinem Entwurf war ich ganz zufrieden. Hier das Ergebnis, die STL-Datei stelle ich gerne zur Verfügung.

TinkerCad.jpg

Das Slicing-Programm Cura im FabLab hat bei einer Schichtdicke von 0,15 mm und 20% Infill 6 h Druckzeit errechnet. Ich durfte den Druckjob während des OpenLab starten und in die Nacht laufen lassen. Gestern Abend konnte ich das Ergebnis abholen.

Druckergebnis.jpg

Auf Teil 2 habe ich eine typische Ritzelaufnahme drucken lassen. Die Vorlage dazu hätte ich unter GrabCAD gefunden. Da hatte sich jemand die Mühe gemacht, einen vollständigen Freilauf mit Sperrklinken und Kugellager in 3D nachzumodellieren. Das Modell konnte ich als STL-Datei runterladen, in TinkerCad in seine Einzelteile zerlegen, alle nicht benötigten Teile löschen und aus der eigentlichen Ritzelaufnahme eine Ringscheibe ausschneiden. Die habe ich dann in mein Modell integriert und nur in der Höhe anpassen müssen. Die STL-Datei dieser Ritzelaufnahme stelle ich auch gerne separat zur Verfügung.

Teil 2.jpg

Ich habe zwei Rikula 12x22x6 vorgesehen (Stück ca. 1,50€), die O-Ringe sind vom Typ 50x3 in NBR90 Qualität (25 Stück 5,90 € bei ebay). Es folgen Einzelfotos vom Zusammenbau. Der Druck der Ritzelaufnahme war erstaunlich passgenau.

Aufbau 1.jpg Aufbau 3.jpg Aufbau gesamt.jpg

Die Oberflächen habe ich nicht nachbehandelt, für mich ist das ein Prototyp, bei dem es nicht ums Aussehen geht.

Meine STL-Datei enthielt einen kleineren Fehler (die Sacklöcher für die Innensechskant-Köpfe der Schrauben saßen nicht mittig über den Durchgangslöchern, in der STL inzwischen korrigiert), aber insgesamt bin ich hochzufrieden. Die Lagersitze hatte ich mit 22,0 mm Durchmesser drucken lassen, die Lager passten also nicht unmittelbar rein, nach ein bisschen nachbearbeiten mit der halbrunden Feile ließen sie sich aber gut mit dem Gummihammer einklopfen und sitzen jetzt schön stramm.

Ein paar Angaben: 74 mm Außendurchmesser; die Laufflächen, auf denen die O-Ringe 50x3 aufgezogen sind, haben 53 mm. Gesamtbreite der Doppelrolle 24,8 mm, Gesamtgewicht mit Ritzel, Lagern, Schrauben und O-Ringen nur 95 gr (und das, obwohl sicher noch viel Material gespart werden könnte). Druckkosten im FabLab 9,20 € (46 gr Filament verbraucht).

Das Gesamtbild am Rad:

Rolle neu.jpg

Nach der ersten Fahrt ums Carré bin ich sehr zufrieden. Über die Dauerhaltbarkeit oder unbedachte Fehler berichte ich demnächst, aufgrund von größeren Rückenproblemen kann ich die Katze derzeit nur sehr kurze Strecken fahren.

Ich kann nur empfehlen, sich mit dem Thema 3D-Druck zu beschäftigen. Mir hat's großen Spaß gemacht.

Wer Interesse an den STL-Dateien hat, möge sich per PN melden, ich verschicke dann einen Link zu meinem Google Drive.

Gruß

Fetzer
 
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Hallo Fetzer,
tolle Arbeit. Zwei Anmerkungen:
PLA ist suboptimal für beanspruchte Teile im Sonnenlicht.
Es wird unter UV spröde und bei Hitze schnell weich.
1. Abhilfe: Lackieren
2. Abhilfe: ASA als Werkstoff, voll mit UV-Schutz...
 
Ah, danke. Again what learned. (y)

Irgendwann werde ich wohl ohnehin eine verbesserte Version drucken, dann achte ich aufs Material.
 
Wo läuft auf der Leertrumseite eigentlich genau die Kette? Bei Bedarf lässt sie sich vielleicht etwas in die Mitte holen, indem der mittlere Gummiring auf einen 3-4mm größeren Durchmesser gebracht wird.
Die seitlichen Anlaufseitenscheiben sind bei den meisten Rollen auch leicht kegelig, oder?
 
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