Wenn wir Radfahrer vermitteln, dass Bewegung aus eigener Kraft Spaß macht, dann tun wir das beste was wir tun können für eine Verkehrswende.
Stimmt, jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob Pedelecs das bewirken können. Zum Teil und in bestimmten Fällen sicherlich, ich sehe aber auch die Gefahr, dass durch deren zunehmende Vermarktung und Verbreitung vielen das Biorad immer unattraktiver erscheint und das Pedelec in absehbarer Zeit zum Normalfall wird. "Wieso soll ich mich abmühen, wenn es auch leichter geht?" erscheint mir aufgrund der schon erwähnten Tendenz zur Trägheit bei vielen Menschen die logischere Reaktion.
Aber ganz abgesehen von Pedelecs jetzt mal was Grundsätzliches: Es gibt den Spaß, oder neudeutsch "Fun", und es gibt ein von ganz tief innen kommendes Gefühl des Glücks und der Befriedigung, das gerade nach Erlebnissen auftritt, bei denen man wirklich etwas geleistet hat und innere und äußere Widerstände überwinden musste, also bis an seine Grenzen und manchmal darüber gehen musste. Ich glaube nicht, dass ich einem Radfahrer, der einmal eine Langstrecke bewältigt hat, die er sich früher so gar nicht vorstellen konnte, erklären muss, was das bedeutet.
Unterschied zu Spaß/Fun: Spaß ist im Vergleich dazu oberflächlich, leicht zu erzeugen und dafür auch wieder schnell vergänglich. Das Gefühl der inneren Befriedigung nach echten Leistungen geht tiefer und hält auch länger vor, unter Umständen kann es sogar die gesamte Einstellung zum Leben verändern.
Als einfaches Beispiel bringe ich da immer das Bergwandern. Ich kann zu Fuß mühsam auf einen Berg steigen, dann oben erschöpft, aber im guten Bewusstsein, etwas geleistet zu haben, die Brotzeit und die Aussicht genießen, dann wieder hinuntersteigen und nach einem erfüllten Tag todmüde aber zufrieden ins Bett fallen.
Alternativ kann ich mit der Seilbahn hochgondeln, oben dann die Aussicht genießen und im Gipfelrestaurant ohne großen Appetit Kaffee und Kuchen verzehren. Kann sicherlich auch Spaß machen, aber irgendwie fehlt meist die letzte Erfüllung und viele werden sich wohl schon an der Gipfelstation fragen: "Sehr schön, aber was machen wir jetzt noch?"
Natürlich habe ich das jetzt ein wenig überzeichnet, aber der Unterschied dürfte klar geworden sein. Ich behaupte nun, dass den Menschen von heute, und ganz speziell den Kindern, viele denkbare Momente des Glücks und der inneren Erfüllung vorenthalten werden, indem sie mit Dingen und Beschäftigungen abgespeist werden, die zwar Spaß bringen, aber nicht wirklich erfüllend sind. Und die Menschen lassen sich dazu manipulieren, weil sie sich durch den schnellen Spaß, und die Vermeidung der unerlässlichen Anstrengung zuvor, ködern lassen.
Warum das geschieht, sollte auch klar sein:Menschen, die immer auf der Suche nach oberflächlichem Spaß sind, geben die wesentlich besseren Konsumenten ab. Diese Suche nach Spaß nimmt heute ja oft suchthafte Züge an, was natürlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass viele Menschen heute über kein funktionierendes soziales Netz mehr verfügen, kein Wunder in einer Zeit, in der bereits die Kinder auf Einzelkämpfer getrimmt werden.
Zur Sicherheit betone ich es noch einmal: ich habe nichts gegen Spaß an sich und auch nichts gegen Pedelecs, aber ich sehe die Gefahr, dass die Pedelecs genau wie viele andere Produkte auch, vorrangig dazu verwendet werden, die Menschen immer weiter in die Abhängigkeit hineinzutreiben und ihnen zu vermitteln, dass Konsum und der damit verbundene Spaß den eigentlichen Sinn des Lebens darstellen.
Dass es Ausnahmen gibt, versteht sich von selbst, dazu zählt für mich natürlich auch Kräuterbutter, und ich freue mich wirklich über jeden, der über das Pedelec die Liebe zum Radfahren entdeckt, ich befürchte aber, dass in der Gesamtbilanz die Folgen eher schädlich sind. Vor allem schätze ich mal rein aus meiner Lebenserfahrung, dass bei vielen der Spaß an den neuen Spielzeugen, wie eben Pedelec oder E-Scooter, sehr vergänglich ist, nach einer Phase der ersten Begeisterung schnell wieder Frust und Langeweile einziehen, und dann muss entweder die Dosis, sprich Speed oder Power, gesteigert werden, oder es muss etwas ganz Neues her.
Wollen wir mal hoffen, dass die Radfahrer dann nicht ganz auf der Strecke bleiben, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
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also die Moralkeule wegen 3kg Akku rausholen,
aber selber mehrere exotische Räder haben -> passt nicht so ganz
Stimmt, die bittere Wahrheit lautet: Radfahren allein macht niemanden zum Umweltengel. Es kommt immer auf die Gesamtbilanz an.
Andererseits bedeutet die Forderung, dass nur diejenigen etwas kritisieren dürfen, das sie für schädlich oder problematisch halten, die selbst eine blütenreine Weste besitzen, einen Maulkorb für alle. Niemand auf dieser Welt ist ganz ohne Fehl und Tadel.
Meine Lösung sieht so aus, dass ich zwar Dinge kritisiere, die ich für problematisch halte, dabei aber versuche, den moralischen Zeigefinger soweit als möglich stecken zu lassen. Errare humanum est, das wussten schon die alten Römer und letztlich sind wir alle nur Menschen.