Die Entwicklung den Milan SL MK4 superlight

Jens Buckbesch

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moin moin,

ich separiere diesen thread vom Standard-Milan SL-MK4, weil er sich doch genügend Eigenheiten und Merkmale enthält.
In der Vergangenheit haben wir als Leichtmilan den CAS-Milan (in Anlehnung an unseren großen Rennfahrer Christian von Ascheberg) gebaut und verkauft.
Dieser CAS-Milan wurde im Vakuum gezogen und auf vielen Gebieten abgespeckt. Er wog dann je nach Ausstattung zwischen 21 und 24 kg. Immer ohne Heckschwinge.
Durch die Auslagerung der Produktion nach Rumänien und die neuen Möglichekeiten dort konnten wir das Gewicht des Standard-Milan SL-MK4 auf 24 kg drücken, ähnlich also dem Gewicht des alten CAS, mit der entsprechenden Vollausstattung.

Bald kamen Anfragen nach einem MK4-superlight. Ich habe versucht, mit einem Paket von Maßnahmen einen Leichtmilan zu entwickeln und zu konfigurieren, der bei einem Gewicht von ca. 21 kg liegt, je nach Ausstattung.
Auf Vakuum-verfahren habe ich aus verschiedenen Gründen verzichtet. Zum Einen wollte Jan im Werk ungerne mit Vakuum arbeiten; seine umfangreichen Tests ergaben keinen signefikanten Vorteil, auch nicht was die pinholes an der Oberfläche angingnen.
Zum anderen entsteht sehr viel Müll und das Flächenlaminat wird so dünn, dass es sehr an Steifigkeit verliert. Der Gewinn durch diesen großen Aufwand war zu gering.
Ich werde im Folgenden die Features und Eigenheiten des SL-MK4 superlight darstellen20170821_144917.jpg
 
Der Milan SL-MK4 superlight hat folgende Merkmale:
1. Kein zweites Kettenblatt vorne, hinten 11-fach
2. Keine elektrische Anlage, nur 2 Hauptscheinwerfer Cyo-Premium
3. Hinten ungefedert , Sitz mit GFK-Sitzfeder wie der SL MK3
4. Karaosserie immer in einem Spezialweiß (hochdeckend und dünn ausreichend)
5. Extrem dünne und feine Gewebe, die ein mehrfaches vom normalen Gewebe kosten
6. Carbonrohr zusätzlich zur Absteifung des hinteren Ausfallendes zur Karosserieseite
7. Carbonrohr zusätzlich unter dem Carbonmast zur diagonalen Absteifung des Rahmens nach unten.
8. Der Süllrand wird durch ein einlaminiertes Rohr im Profil geschlossen und dadurch extrem versteift.
9. Lukendeckel in Carbon-Leichtbau
10. Alle drei Laufräder mit c-xray-Messerspeichen, abgedrehten Naben, Leichtfelgen und Leichtreifen Conti GP-Erlkönig.
11. Federbeine wie im MK-4 Standard (hier lauert noch ein Gewichtseinsparpotential von 500 g)

Ziel war ursprünglich, mit diesem Fahrzeug unter 20 kg zu kommen.
Das hat sich als sehr schwierig herausgestellt, es wurden etwa 21 kg
 

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Ich will jetzt auch ein bischen von den Kulissen berichten und würde mich auch über Beträge von anderen zum Thema Ultraleichtbau freuen.
Der Extrem-Leichtbau ist ja ein vielschichtiges Thema und verdient eine breite Erörterung.
Der erste Milan SL-MK4 superlight wurde also dann von Jan Wijnen persönlich laminiert. Es wurde ein Fahrzeug, das fahrfertig tatsächlich nur 20 kg wog.
Die folgenden Leichtmilane, die dann vom Laminierteam im Werk hergestellt wurden, wogen fahrfertig allerdings 5-7 % mehr.
Also etwa 21 kg.
Wir haben diese Schwankung mit Jan besprochen und er meinte, es wäre nicht möglich, das Gewichtsziel zu 100 % zu erreichen, es gäbe immer Schwankungen und das Team wäre ja keine Maschine , sondern bestünde aus Menschen.
Das ist ja nachvollziehbar.
Welche Faktoren haben Einfluss auf das Gewichts-Ergebnis ?:
1. Temperatur und Luftfeuchtigkeit (trotz Klimatisierung des Laminierraumes)
2. Harzqualtiät, die schwankt mit den Lieferungen, trotz strenger Qualitätsvorgaben
3. Faser-Harz-Verhältnis hängt auch von der Laminiertechnik ab
4. Trotz eines speziellen Oberflächenaufbaues beim superlight wird ein Filler vor der Endlackierung eingesetzt. Ein Mehr an Filler kann hier Nachbearbeitung von Luftblasen in der Oberfläche ersparen. Der Einsatz von Filler muss also sehr streng kontrolliert werden.
 
Wenn man als Hersteller ein ultraleichtes Velomobil bauen will, finde ich folgende Größen, die Berücksichtigung finden müssen:
1. Allererst darf die Sicherheit des Fahrers in keinem Fall gefährdet werden
2. Die Dauerfestigkeit aller sicherheitsrelevanter Bauteile muss ausreichend sein, auch aus Sicherheitsgründen, aber auch um nicht zu hohe Nebenkosten zu haben.
3. Die Alltagstauglichkeit darf nicht gravierend leiden
4. Die Steifheit im Antriebsstrang darf nicht soweit unterschritten werden, dass Verluste entstehen.
5.Bauteile und Strukturen müssen in der Serienproduktion reproduzierbar sein. Besondern sicherheitsrelevante Bauteile brauchen eine hohe Prozess-Sicherheit bei der Herstellung. Qualitätsprüfungsverfahren müssen diese Bauteile prüfen können (Zugänglichkeit, Prüfbarkeit).
Unten möchte ich zu diesen einzelnen Punkten mehr schreiben.
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@Jens Buckbesch
Gibt es eine Gewichtsbeschränkung für eure Velomobile, GT, SL und das SL-superlight?
hallo,

Das Systemgewicht beim superlight sollte 120 kg nicht überschreiten.
Eine solche Festlegung ist aber wenig aussagekräftig. Es sagt eigentlich nur darüber etwas aus, wie mutig ein Hersteller sich traut, seine Angaben an die Grenze zur Fahrlässigkeit zu positionieren.
Ein Milan bricht sicherlich nicht zusammen, wenn die Grenzen überschritten werden, er reagiert in der Regel bei Überlastung mit Verbiegung und nicht mit Versagen. Aber wir haben ja das Produkthaftungsgesetz und keine Produkthaftungsversicherung wird zahlen, wenn die Herstellerangaben zu liberal sind.
Es gibt tatsächlich Bauteile, deren Versagen zum Tode des Fahrers führen können. Ich sehe da insbesondere die Federbeine, die Heckschwinge aber auch zu leicht dimensionierte Laufräder.
 
Abseits von der Karosse ist natürlich auch eine Menge Metall verbaut, wo Einsparpotential liegt. Lenkgestänge, Tiller, Sitzabstützung, wie erwähnt die Federbeine, Räder und die üblichen Fahrradkomponenten.
 
SL MK4 sl wirds eher nicht, aber mit Sparen fang ich trotzdem an :).
Aus irgendeinem Grund, der sich mir rational nicht erschließt, mag ich die Milane und finde auch den Namen sehr passend. Irgendwann demnächst, mittelfristig sehe ich sie schon, die offenen Mäuler in unserem Pimperlkaff :whistle:.
 
Ich gehe jetzt Punkt für Punkt durch die oben aufgezählten relevanten Größen.

ad 1. Sicherheitsrelevante Bauteile im SL-MK4 superlight
a. Laufräder.
Diese werden mit 24 Speichen bestückt und mit extrem leichten Felgen (Ryde Edge MC 406 von Gingko), Alunippeln und abgedrehten schwarz eloxierten Naben. Gingko liefert ein Einspeichprotokoll mit und dokumentiert hier auch genau Speichenlänge, Höhenschlag und Seitenschlag.
Gingko ist ja der ausgemachte Spezialist für Leichtlaufräder, ein toller Lieferant.
Das Hinterrad hat Ryde Edge Felgen und eine Leichtnaben, c-xray-Messerspeichen.
Wo lieht hier ein Sicherheitsrisiko?
Vielleicht darin, dass Leichtfelgen nicht ganz so viel Luftdruck vertragen (die Hersteller geben ja sehr konservative Werte an, mit denen man eigentlich gar nicht losfahren mag) und , nach einiger Zeit der Beanspruchung durch Korrosion und Lastwechsel brechen. Das wäre tatsächlich eine sehr gefährliche Situation.
Superleichtbau-Räder erfordern eine engmaschigere Überprüfung und haben wahrscheinlich auch eine geringere Lebenserwartung.
Die Verwendung von sehr leichten Reifen mit geringstem Rollwiderstand liegt ja nahe beim superlight. Er kommt serienmäßig mit Conti Grand Prix Erlkönig-Reifen daher, die sind tatsächlich ultraleicht trotz Pannenschutz. Wenn man sie mit Latexschläuchen fährt, sind sie ganz oben .
Allerdings muss man aufpassen, wenn man zu scharf bremst, besonders bei Regen, kann man sich schnell einen Bremsplatten mit Blowout einhandeln.
Das gilt bedingt auch für Schwalbe pro one.
Ein G-one hat diese Probleme nicht, allerdings belastet er die Felgen bei zu hartem Aufpumpen .
Abschließend bleibt, das eine Gewichtsbeschränkung auf ein Systemgewicht ratsam scheint, denn schwere Fahrer mit viel Gepäck und sportlichem Fahrstil werden die filigranen Laufräder stark belasten und deren Lebenserwartung verkürzen.
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b. Federbeine vorne
Wir verbauen bislang normale Standard-Federbeine im superlight, die gleichen wie in der Serie. Da verschenken wir natürlich viel Gewichtseinsparung, es sind für uns momentan aber keine erprobten Leichtfederbeine verfügbar. Das wird sich bald ändern, aber hier erstmal der aktuelle Stand.
Die Standardfederbeine in Alu und mit Stahlfedern sind sehr robust und tausendfach bewährt. Man könnte sie auch statt mit Stahlfedern mit Elastomeren bestücken, dass kann jeder Fahrer nachrüsten und damit noch ein paar Gramm sparen.
Demnächst kommt etwas Neues, aber alles zu seiner Zeit.
Die verwendeten Federbeine sind so überdimensioniert, dass auch bei Überlastungen und Unfällen keine Brücke (meiner Kenntnis nach) aufgetreten sind.
c. Bremsen
Der SL-MK4 superlight hat standardmäßig 70-mm-Trommelbremsen mit aufgedrehten Kühlrippen. Wer sehr viele Höhenmeter am STück vernichten will, sollte Abkühlpausen einplanen. Die Trommeln sind aber sehr robust und mit etwas Sensibilität kann man schnell lernen, sie im Grenzbereich einzusetzen. Denkbar ist natürlich immer auch die Nachrüstung von Wasserkühlung, die man dann nur in Extremfällen einsetzt. Wasserkühlung hat in einigen Fällen gezeigt, dass es zu schnellerem Verschleiß der Bremsbeläge führt. Genauso das Weglassen der schweren Bremsplatte, da so auch Wasser eindringt.
d. Hinterrad
Beim superlight wird normalerweise der starre Radkasten mit integrierten Ausfallenden verwendet. Diese sind mittlerweile verstärkt und der Radkasten mit einem auflaminierten Holm versteift.
Die Hauptgefahren beim Hinterrad liegen im möglichen Blowout und im Laufradversagen. Das Hinterrad im SL-superlight muss mittels eines Schnellspanners geklemmt werden (beidseitige Radaufhängung). Dabei ist sehr darauf zu achten, dass mit genügend Druck geklemmt wird, damit das Laufrad sich bei Schlagelöchern und Kurvenfahrten nicht lösen kann.
Weiterhin ist peinlichst darauf zu achten, dass der (meist dünnwandige) Reifen keine Vorschädigungen hat (häufige Kontrolle notwendig) oder gar abgefahren ist.
Auch ein zu hoher Reifendruck auf der high-end-Felge kann die Felge überlasten.
 

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