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Das Finden der richtigen Sitzposition ist ein langwieriger, aber sehr wichtiger Prozess. Die ersten Fahrten mit dem eigenen Velomobil endeten bei mir schon nach 70km mit furchtbaren Schmerzen und dem Gefühl, möglicherweise einen sehr teuren Fehler gemacht zu haben. Ich habe mal aufgeschrieben, wie ich das Problem vor einigen Jahren für mich gelöst habe, in der Hoffnung, dass es anderen Velomobilneulingen hilft, möglichst schnell zu einer vernünftigen Einstellung zu finden. Es wird obendrein nicht dadurch einfacher, dass die Verstellerei kompliziert ist und eine Änderung oft eine weitere an anderer Stelle nach sich zieht. In meinem Fall ging es um die Anpassung eines DF-XL, aber andere Velomobile sind in entscheidenden Punkten ähnlich aufgebaut, insofern können einige der nachfolgenden Tipps sinngemäß übernommen werden.
Ich finde es sinnvoll, das Ganze systematisch anzugehen und zwar in einer Reihenfolge von hinten nach vorn. Erst die ungefähre Position des Kopfes ermitteln, dann die des Beckens und dann des Tretlagers
Sitzposition sollte so tief wie möglich sein, der Kopf stört die Aerodynamik, außerdem kommt der tiefere Schwerpunkt einer besseren Kurvenlage zugute. Außerdem passt man so besser unter eine Haube, vor allem mit Helm (Helmpflicht bei vielen Rennen, RTFs etc).
Man sollte ohne sich recken zu müssen bequem über die vordere Cockpitkante hinwegsehen können, auch wenn man bei einer längeren Fahrt ein bisschen im Sitz nach vorne (und damit tiefer) rutschen sollte, viel höher als die Kante sollte man wiederum auch nicht sitzen.
Der Hinterkopf sollte nicht hinter, sondern unter dem Hinterhauptshöcker locker abgestützt werden können (siehe Grafik ganz unten). Ich habe hierfür eine hohle Rohrummantelung festgeklettet. Auf diese Weise kann man den Kopf frei drehen und der Helm, wenn man ihn aufhat, stößt nirgendwo an, was ich sonst als sehr störend (und laut) empfinde.
Damit ist der blaue Punkt (Kopfende des Sitzes) so halbwegs festgelegt. Wenn man mal mit, mal ohne Ventisit Matte fahren will, sollte man das berücksichtigen, damit man nicht im Sommer ohne Matte zu tief sitzt. Ich fahre sommers wie winters mit der Matte, weniger wegen der Kälte, sondern wegen des Schwitzens.
[DOUBLEPOST=1525292491][/DOUBLEPOST]Der rote Punkt kann ermittelt werden, ohne gleich den Sitz und die Radhäuser in Schweizer Käse zu verwandeln. Man besorgt sich eine Platte stabiles Dämmmaterial im Baumarkt, schneidet sich ein rechteckiges Stück zu, das man unterlegen kann, um die Vorderkante des Sitzes etwas anzuheben oder tiefer kommen zu lassen. Etwas mehr erreicht man durch zwei Lagen, etwas weniger durch wegnehmen von Material. So kann man guten Gewissens eine Weile herumfahren und sich dann um die richtige Tretlagerposition kümmern.
Die Knie sollten oben nicht anstoßen und die Schuhe in keiner Position. Wenn sie irgendwo schleifen sollten, kann man entweder die Cleats verstellen oder ausnutzen, dass das Tretlager zumindest beim DF nicht horizontal verstellt wird, sondern beim nach vorne schieben auch deutlich nach unten kommt (gelber Balken oben in der Grafik). Wenn’s also oben schleift mit den Schuhen, dann die ganze Sitzposition zwei Zentimeter nach vorn verlegen (roter und blauer Punkt) und gucken, ob es dann passt.
So erst einmal eine Stunde herumfahren, mit wechselnder Belastung. Wenn sich die Knie melden, das Tretlager etwas weiter weg einstellen, wenn sich die Achillessehne meldet, das Tretlager etwas heranholen. Das Ganze so lange wiederholen, bis sich die Beine gut anfühlen.
Wer so gebaut ist wie derjenige, der den Sitz entworfen hat, ist wahrscheinlich schon am Ziel. Wenn nicht, tut einem möglicherweise der Lendenwirbelbereich knapp über dem Becken ordentlich weh, beliebt sind auch Schmerzen in den Gesäßmuskeln. In dem Fall muss man die Form des Sitzes etwas modifizieren, um zwei Dinge zu erreichen: Rotation des Beckens nach vorne (in die Richtung, die man bei einem Situp machen würde) und Entlastung der Gesäßmuskeln.
Ich habe zunächst mit Moosgummiresten den für mich zu starken Knick im Lordosebereich aufgefüllt, das hat die Schmerzen im Lendenwirbelbereich behoben. Hier geht es nur um die Rotation des Beckens, also nur den lilafarbenen Bereich auffüllen, nicht noch weiter nach vorn. Tipp: Sitz ausbauen, waagerecht hinlegen und Sitzkuhle mit Wasser auffüllen, dann weiß man ungefähr, worum es geht.
[DOUBLEPOST=1525292664][/DOUBLEPOST]Die Gesäßmuskeln werden entlastet, indem man sich eine Sitzunterlage bastelt mit Aussparungen für die Gesäßmuskeln. Ggf noch eine Art Sattelschnabel im Steißbeinbereich einbauen.
Ich habe irgendwann das folgende Teil aus Nylonwirrgewebe gebaut, welches beide Funktionen für mich erfüllt. Das Material gibt es zB im Bootsbau, um Matratzen am Schimmeln zu hindern.
Zusätzlich führt auch eine weniger aufrechte Sitzhaltung zur Entlastung der Gesäßmuskulatur, durch das Anheben der Sitzvorderkante (roter Punkt) entlastet man das Gesäß. Es gibt Leute, die können mehr Leistung treten, wenn sie einen kleineren Körperöffnungswinkel haben, also weniger gestreckt liegen, aber schmerzfreies Sitzen und Pedalieren ist natürlich die Grundlage von allem. Ausprobieren.
Alternativ kann man mit luftgefüllten Kissen experimentieren. Ich war kurz davor, mir aus Schubkarrenschläuchen selbst etwas zu bauen, da stolperte ich über dieses Kissen und habe es mir kurzerhand besorgt und bin begeistert, ich bin knapp 500 km gefahren und fühlte mich pudelwohl. Einzig bei der Langzeithaltbarkeit bin ich mir unsicher.
Am Ende bohrt man ein EINZIGES Loch in den Radkasten und die Seitenwange des Sitzes und weiß, dass das passt und dann erst fliegt die Dämmplatte raus. Den Rest bekommt man durch Sitzungerlage, Verschieben der Cleats uä hin, ein bisschen Training gehört auch dazu.
Die Grafiken stammen von Eva Navratilova von Velomobiel.nl, ich hoffe, es ist okay, diese hier zu verwenden.
[DOUBLEPOST=1525293026][/DOUBLEPOST]Wie gesagt, wer keine Probleme mit dem Sitz an sich hat, braucht sich keinen Kopf um Sitzkissen etc zu machen und kann nach der Hälfte der Anleitung oben schon Schluss machen. Aber jeder Hintern ist anders und wer wie ich Probleme haben sollte, kommt mit einem oder mehreren der Tipps in der zweiten Hälfte vielleicht dem Ziel näher, mit seinem oder ihrem Velomobil glücklich zu werden.
Ich finde es sinnvoll, das Ganze systematisch anzugehen und zwar in einer Reihenfolge von hinten nach vorn. Erst die ungefähre Position des Kopfes ermitteln, dann die des Beckens und dann des Tretlagers
Sitzposition sollte so tief wie möglich sein, der Kopf stört die Aerodynamik, außerdem kommt der tiefere Schwerpunkt einer besseren Kurvenlage zugute. Außerdem passt man so besser unter eine Haube, vor allem mit Helm (Helmpflicht bei vielen Rennen, RTFs etc).
Man sollte ohne sich recken zu müssen bequem über die vordere Cockpitkante hinwegsehen können, auch wenn man bei einer längeren Fahrt ein bisschen im Sitz nach vorne (und damit tiefer) rutschen sollte, viel höher als die Kante sollte man wiederum auch nicht sitzen.
Der Hinterkopf sollte nicht hinter, sondern unter dem Hinterhauptshöcker locker abgestützt werden können (siehe Grafik ganz unten). Ich habe hierfür eine hohle Rohrummantelung festgeklettet. Auf diese Weise kann man den Kopf frei drehen und der Helm, wenn man ihn aufhat, stößt nirgendwo an, was ich sonst als sehr störend (und laut) empfinde.
Damit ist der blaue Punkt (Kopfende des Sitzes) so halbwegs festgelegt. Wenn man mal mit, mal ohne Ventisit Matte fahren will, sollte man das berücksichtigen, damit man nicht im Sommer ohne Matte zu tief sitzt. Ich fahre sommers wie winters mit der Matte, weniger wegen der Kälte, sondern wegen des Schwitzens.
[DOUBLEPOST=1525292491][/DOUBLEPOST]Der rote Punkt kann ermittelt werden, ohne gleich den Sitz und die Radhäuser in Schweizer Käse zu verwandeln. Man besorgt sich eine Platte stabiles Dämmmaterial im Baumarkt, schneidet sich ein rechteckiges Stück zu, das man unterlegen kann, um die Vorderkante des Sitzes etwas anzuheben oder tiefer kommen zu lassen. Etwas mehr erreicht man durch zwei Lagen, etwas weniger durch wegnehmen von Material. So kann man guten Gewissens eine Weile herumfahren und sich dann um die richtige Tretlagerposition kümmern.
Die Knie sollten oben nicht anstoßen und die Schuhe in keiner Position. Wenn sie irgendwo schleifen sollten, kann man entweder die Cleats verstellen oder ausnutzen, dass das Tretlager zumindest beim DF nicht horizontal verstellt wird, sondern beim nach vorne schieben auch deutlich nach unten kommt (gelber Balken oben in der Grafik). Wenn’s also oben schleift mit den Schuhen, dann die ganze Sitzposition zwei Zentimeter nach vorn verlegen (roter und blauer Punkt) und gucken, ob es dann passt.
So erst einmal eine Stunde herumfahren, mit wechselnder Belastung. Wenn sich die Knie melden, das Tretlager etwas weiter weg einstellen, wenn sich die Achillessehne meldet, das Tretlager etwas heranholen. Das Ganze so lange wiederholen, bis sich die Beine gut anfühlen.
Wer so gebaut ist wie derjenige, der den Sitz entworfen hat, ist wahrscheinlich schon am Ziel. Wenn nicht, tut einem möglicherweise der Lendenwirbelbereich knapp über dem Becken ordentlich weh, beliebt sind auch Schmerzen in den Gesäßmuskeln. In dem Fall muss man die Form des Sitzes etwas modifizieren, um zwei Dinge zu erreichen: Rotation des Beckens nach vorne (in die Richtung, die man bei einem Situp machen würde) und Entlastung der Gesäßmuskeln.
Ich habe zunächst mit Moosgummiresten den für mich zu starken Knick im Lordosebereich aufgefüllt, das hat die Schmerzen im Lendenwirbelbereich behoben. Hier geht es nur um die Rotation des Beckens, also nur den lilafarbenen Bereich auffüllen, nicht noch weiter nach vorn. Tipp: Sitz ausbauen, waagerecht hinlegen und Sitzkuhle mit Wasser auffüllen, dann weiß man ungefähr, worum es geht.
[DOUBLEPOST=1525292664][/DOUBLEPOST]Die Gesäßmuskeln werden entlastet, indem man sich eine Sitzunterlage bastelt mit Aussparungen für die Gesäßmuskeln. Ggf noch eine Art Sattelschnabel im Steißbeinbereich einbauen.
Ich habe irgendwann das folgende Teil aus Nylonwirrgewebe gebaut, welches beide Funktionen für mich erfüllt. Das Material gibt es zB im Bootsbau, um Matratzen am Schimmeln zu hindern.
Zusätzlich führt auch eine weniger aufrechte Sitzhaltung zur Entlastung der Gesäßmuskulatur, durch das Anheben der Sitzvorderkante (roter Punkt) entlastet man das Gesäß. Es gibt Leute, die können mehr Leistung treten, wenn sie einen kleineren Körperöffnungswinkel haben, also weniger gestreckt liegen, aber schmerzfreies Sitzen und Pedalieren ist natürlich die Grundlage von allem. Ausprobieren.
Alternativ kann man mit luftgefüllten Kissen experimentieren. Ich war kurz davor, mir aus Schubkarrenschläuchen selbst etwas zu bauen, da stolperte ich über dieses Kissen und habe es mir kurzerhand besorgt und bin begeistert, ich bin knapp 500 km gefahren und fühlte mich pudelwohl. Einzig bei der Langzeithaltbarkeit bin ich mir unsicher.
Am Ende bohrt man ein EINZIGES Loch in den Radkasten und die Seitenwange des Sitzes und weiß, dass das passt und dann erst fliegt die Dämmplatte raus. Den Rest bekommt man durch Sitzungerlage, Verschieben der Cleats uä hin, ein bisschen Training gehört auch dazu.
Die Grafiken stammen von Eva Navratilova von Velomobiel.nl, ich hoffe, es ist okay, diese hier zu verwenden.
[DOUBLEPOST=1525293026][/DOUBLEPOST]Wie gesagt, wer keine Probleme mit dem Sitz an sich hat, braucht sich keinen Kopf um Sitzkissen etc zu machen und kann nach der Hälfte der Anleitung oben schon Schluss machen. Aber jeder Hintern ist anders und wer wie ich Probleme haben sollte, kommt mit einem oder mehreren der Tipps in der zweiten Hälfte vielleicht dem Ziel näher, mit seinem oder ihrem Velomobil glücklich zu werden.
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