Nordkapptour 2018

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Bremen im Vollrausch, nein, Vollmond :p

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So sieht's langsam auch ohne Kamera aus...

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Nacht. Noch 63km. Gähn.
Gruß Krischan
 
So langsam müsstest Du doch ausgeschlafen haben...
Hab ich nicht, aber aufgehört... Ich kann noch laufen :p
Nach 322,02km, 14:10h Fahrzeit, 22,7er (/) war ich um 8:06h zu Hause. Endlich. Mit frischen Brötchen :) (ich war mal weg- zum Brötchen holen..)
Wie das mit fixen Ideen so ist, manchmal lassen sie sich umsetzen. Wenn ich das schaffe, in einem Stück nach Hause, hab ich mich nicht überfordert, dann war ich "nur" am Limit.
Außer nasser Füße vom 2. schweren Schauer um 19:40h bis zur Ankunft war die letzte Etappe richtig wunderschön. Ich empfehle ausdrücklich jedem:
Mach einmal im Leben eine SommerVollmondNachtfahrt. Boah, is dat geil... Ein würdiger, krönenender Abschluss meines schönsten Urlaubes.
Da ich von halb zehn bis um zwei geschlafen habe, werde ich mich jetzt meinen Liebsten widmen- bis spädda :)

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Sunset :)

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Ich werfe meine Schatten voraus- ich bin ein Ereignis :p

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Unser Brunnen musste leider der Bühne weichen.

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Festgemacht, GrilleHavn

In 20 Tagen 3511 Kilometern :)

Gruß Krischan
 
Zuletzt bearbeitet:
Poah Chrischan, du bist echt ein zäher Knochen..... und das auch noch mit einem Knicklenker :D. Toller Bericht, vielen Dank dafür, ich habe mit viel Freude mitgelesen während wir selbst unterwegs waren. Sollten wir uns mal irgendwo treffen, möchte ich mehr hören!
 
So eine Schei.....grad erst gelesen....Lindaunis.... Eckernförde....Maasholm....da biste ja bei mir an der Haustür vorbei.... hätte dich gerne getroffen und paar Kilometer begleitet....aaaarrrrr....Mist
 
Naja, ein bisschen. Mit Björn hätte es auch fast geklappt...
Kommst Du zur Mitte? Dann treffen wir uns dort :)
Gruß Krischan, der noch keine Lust hat, den Abschlussbericht zu schreiben.
 
Liebe Gemeinde, liebe Mitforistinnen und Mitforisten, liebe Freunde!
Lang genug habe ich mich um meinen Abschlussbericht gedrückt, warum auch immer.
Nun will ich mal aufschreiben, was ich so erzähle, wenn mich die Leute fragen, wie es war.
Es war klasse. Ein großartiges Erlebnis. Mein schönster Urlaub, meine beeindruckendste Reise.
Man müsste den Thread eigentlich umbenennen in "Nordkapptour 2018 - verkürzt auf `Kleine Ostseerunde´".
Entfernungsmäßig wäre ich ganz hingekommen und hätte sogar den Rückweg mit Inlandsbanan, Fähre und Zug durch Deutschland geschafft.
Aber mein Heimweh in Kombination mit dem Bruch der Sitzhalterung und dem Flickwerk am Gepäckträger waren gute Gründe für die richtige Entscheidung, nach halbem Hinweg abzubrechen und den Rückweg anzutreten.
Ich kann nächstes Jahr schon wieder los, oder danach oder sonstwann...
Neun Tage nach der Heimkehr treten viele Erlebnisse in den Hintergrund und andere Eindrücke schwimmen nach oben, erhalten ihre Prägnanz und verstärken sich noch. Claudia @Calimera hatte nach meinen Schilderungen den Eindruck, Polen und Russland seien schrecklich gewesen.Das war z.B. nicht so.
Nachdem ich die polnische Grenze überquert hatte, war ich sehr positiv vom Fahrverhalten der Polen überrascht. Vielleicht ist der banale Grund, dass die Kraftfahrerversicherung den Schaden an Rad und Radler ersetzen muss, wie in den Niederlanden. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass ich mit sehr viel Respekt behandelt wurde, immer abbremsen, immer mit großem Abstand überholen, immer mal zuwinken. Die Leute auf dem Land haben häufig zurückgegrüßt, in den Läden bekam ich oft ein "Auf Wiedersehen", weil ich als Deutscher erkannt wurde und überhaupt begegneten mir die Menschen sehr zugewandt und freundlich.
Der Schock an der Grenze zur Oblast Kaliningrad war bedrückend und wirkte eine volle Stunde. Als dann dieser uralte Ford Transit hupend entgegenkam und die drei Personen winkten und filmten und Daumen reckend mich mit Jubel empfingen, was soll man da noch Groll hegen?
Egal, wie dicht ich überholt wurde, ich hatte auch bei den Dreharbeiten beifahrender, "cool" kreischender Töchter in 20 Zentimeter SUV-Abstand bei 35 km/h nie ein Bedrohungsgefühl. Als hätte mich die Wärme der russischen Seele voll erwischt und überzeugt. Wenn ich da an meine alltäglichen Begegnungen mit den Spätheimkehrern (Aussiedlern?) in unserem Landkreis denke, die auf den ersten Eindruck immer so cool und grimmig, fast böse wirken, kann ich heute nur sagen: Alles Show. Die kaliningrader Russen fahren wie die Henker, aber mir begegneten sie fröhlich und gut.
Krassestes Überholmanöver war auf der Einfallstrecke in die Stadt ein Rollerfahrer, der mit gut 60 Sachen auf dem Hinterrad an mir vorbeiheizte. Das rechte Bein zum Balancieren ausgestreckt sauste sein Schuh in Augenhöhe an mir vorbei. Sein Wheelie dauerte über 800m an, mitten in dieser endlosen, stadteinwärts rauschenden HauptstraßenFahrzeugkolonne, irrwitzig.
Die Frechheit der "Offiziellen" habe ich an der Stelle mit dem (Naturreservats-) Parkwächter kurz beschrieben, bei der Ausreise war das schon deutlich milder und bei der Einreise in Litauen war es ganz vorbei. Welch eine Erleichterung.
Nun nahm auch die sichtbare Armut ab, in Polen sah ich viele kaputte Häuser, in Russland noch viel mehr, in Litauen war es wieder besser. Doch vor allem die wunderschönen Holzhäuser sind verlassen, und wenn nicht, verfallen sie trotzdem, ein Jammer. Ein Land verliert seine Geschichte.
Und die Menschen sind frei. Frei und freundlich. Eine beeindruckende Erfahrung. Auch in Litauen fallen deutsche Floskeln, die Verständigung klappt auf englisch problemlos.
Lettland empfing mich dann mit Schotter, unfahrbar. Im Grenzland pflegen die Litauer ihre Straßen, die Letten eher nicht. Sehr lästig. Auch hier überall verfallende Holzhäuser, den erwachenden Wohlstand erkennt man an den immer neuer werdenden Autos. Es wird wie bei uns sein, die dicken Karren gehören der Bank oder den Bonzen :p
In Riga habe ich bedauerlicherweise den Holzhausstadtteil nicht fotografiert. Ich bin in der Lübecker Altstadt aufgewachsen, da sind die enormen Eindrücke einer alten Hansestadt viel weniger tief, aber dieser Straßenzug hat mich wirklich geflasht. Der übertraf auch die Academie und die orthodoxe Kirche!
Estland scheint die reichste der drei Baltenrepubliken zu sein, sicher auch, weil die Nähe- und die sprachliche Nähe- zu Finnland für wirtschaftliches Wachstum sorgt. Die Leute gehen dort noch ein bisschen aufrechter und durchaus stolz, aber immer freundlich, zugewandt, interessiert, nie hochnäsig, hochsympathisch insgesamt.
In Tallinn- und seit Berlin war mein Mantra: Ich fahr auf jeden Fall bis Tallinn!- kam dann die Entscheidung, umzukehren. Ob es einen Rahmenknacks gebraucht hat? Ich weiß es nicht. Die Weichheit des oberen Sitzes ist beim Knicklenker schon ein rechter Mist, die Unsicherheit bei jedem Manöver hat mich zwar immer nur irritiert, nicht richtig gestört. Aber die Vorstellung, der Sitz bricht oben ab, irgendwo auf Schotter in der Einsamkeit, die war doch bedrückend. Und die augenblicklich einsetzende Erleichterung nach meiner Entscheidung war wie Balsam für die Seele, ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln.
In Paldiski musste ich mich dann zwischen Nord- und Südhafen entscheiden, nachdem mir die DFDS-Leute bei einer telefonischen Nachfrage schon dumm kamen, war ich froh, von einer Tallink-Fähre, Südhafen, zu hören. Die war ausgelegt auf LKW-Transport, aber es war die richtige Wahl. All Inc. für €90,-, ruhige, freundliche LKW-Fahrer, Fernseher, Kaffe und Tee satt, heißes Abendbuffet mit 6 Gerichten, Suppe, Nachtisch, Fernsehraum, Sauna, Einzelbett in Doppelkabine für mich allein, Riesenfrühstück, früher Start, frühe Ankunft, allerbest.
Und dann kam Schweden. Wie gut, dass ich übers Baltikum hingefahren bin, ich habe in diese Richtung eine stete Steigerung optischer Hochgefühle erlebt. Natürlich sind Polen, Russland, Litauen, Lettland und Estland landschaftlich schön, beeindruckend, sogar atemberaubend, aber eben doch auch kaputt, verwahrlost, ungepflegt, verfallen. Und Schweden hatte sich für mich rausgeputzt wie eine Braut, ich kann es nicht anders beschreiben. Jedes Stückchen Land wenigstens als Weidefläche genutzt, die Häuser entlang der Route praktisch alle frisch gestrichen, kaum ältere Fahrzeuge (außer Oldtimer;) ), es war ein einziger großer Showdown.
Malmö bei Nacht, naja, mit den Schreckensmeldungen auch von alten Schweden, zack rein, zack raus.
820 km in vier Tagen, mit dem Auto lachhaft, mit dem Rad einen Tick zu schnell. Aber ich komme wieder, auch und gerade nach den Berichten von @Joosten und @abcde .
Dann lieber Kopenhagen, das Fahrradparadies ;) Ich fand es klasse, der versiffte Stadtcampingplatz glich dem in Tallinn, was solls.
Dänemark an einem Tag, es wurde immer heimatlicher. Seit zwanzig Jahren machen wir hier Herbsturlaub, trotzdem war ich über den durchgehenden Radweg bis Deutshland überrascht.
Hart war der Weg zu meinen Eltern, der Ostseewind blies stark von vorne, von Flensburg nach Maasholm durch das traumhaft schöne Angeln ein einziger Hitzekraftakt. Als ob ich nicht erwünscht wäre in meiner alten Heimat, grrr.
Der Nachmittag mit Mama und Papa war selten harmonisch und wirklich richtig schön, danke!
Weiter gings nach Eckernförde und dabei fiel mir immer stärker auf, dass sich unser Land während meiner Abwesenheit verändert hatte... Erst war es ja einfach, Grenzland, dänische Gelassenheit, aber als der erste Deutsche auf der Landstraße MIT begleitendem Radweg abbremste, den Gegenverkehr abwartete, um dann gemächlich beschleunigend mit üppigem Abstand überholte, kniff ich mich kräftig, um aufzuwachen. Aua, ich war wach. Was ist geschehen? Dieser Respekt, der mir seit Grenzübergang Küstrin/ Polen gezollt wurde, klebte der an mir? Ist es gar das Fahrrad, die Grille?? War es der Schock aus Russland, der Rollerfahrer???
Ich weiß es nicht, aber ich hoffe, dass es so bleibt. Fahrradfreundliches Deutschland wegen des Klimawandels? Man weiß es nicht, aber es tut gut, sehr gut :)
Von Osterby begab ich mich dann ja aucf meine letzte Etappe, in einem Rutsch die fehlenden 322km nach Hause. Einer der schönsten Abschnitte meiner Radreise, der Sturmregenschauer in der Wilstermarsch im verfallenen Bushäuschen, Worpswede, der noch Fastvollmond in der Nacht, Bremen mit Mars, die Müdigkeit um vier Uhr morgens... Aprospos: Ich mochte keine Hunde. Aber der Stopp an diesem Landhotel in Goldenstedt hatte schon was Mystisches. Da kommt plötzlich ein Dackelmischling über den Parkplatz getrippelt und hält direkt auf mich zu, schnuppert, lässt sich kraulen, setzt sich neben mich, sieht aus wie ein kleiner, ebenso alter Bruder unseres Ex-Hundes, legt sich ab und hält ein kleines Nickerchen auf meinem Fuß. Als ich wieder aufwache, gähnt der Hund mit mir, rappelt sich auf und läuft fortan neben mir her, gut 2km. Ich biege falsch ab, drehe nach 300 m um, an der Abbiegestelle wartet- der Hund. Nach einem weiteren Kilometer hab ich ihn nach Haus geschickt und er drehte auch bei. Das war schon seehr besonders... Das hat sich also auch geändert :)
Nun war es nicht mehr weit, der erwachende Tag tilgte meine Müdigkeit, einmal noch "Mahlsand" bei Vechta, dann Neuenkirchen, Bieste, Rieste, Bramsche, zu Hause.

My Love laid waiting silently for me, und dann steht sie vor mir, endlich.

Bliebe am Schluss noch zu erzählen, dass ich mich schon nach wenigen Stunden Schlaf voll erholt ins Familienleben stürzen konnte, Wäsche waschen, aufräumen, Fahrrad reparieren, Essen kochen, Freunde besuchen, zum Stammtisch nach Münster fahren und
eine Radtour mit Claudia machen, erst nach Münster, zelten, dann zu ihren Eltern, wieder zelten und zurück. Radfahren zu zweit ist sooo viel schöner, danke, mein Engel!
Jetzt brauchen wir also ein Tandem, damit wir gemeinsam stark sind, auf Dauer ist Scorpion schieben echt anstrengend ;)

Einiges fehlt im Fazit, die Liste der Leute, denen ich begegnet bin, die seltsamen Begegnungen, eine Aufstellung der Kilometerleistungen, die Tracks, die Tiere, die Bilder aus meinem Kopf :p, wenn Ihr Fragen habt, biddeschöin :)
Was nicht fehlt ist ein fettes

Danke

für Eure vielen Likes und Eure unterstützenden Worte. Das waren mir viele leckere Bonbons auf meinem Weg in den Norden, sie haben mich bestärkt und mir den Weg versüßt und mich auch angespornt!

Viele herzliche Grüße, Krischan
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

ich finde es schade, das wegen eines Defektes deine Tour nicht so Funktioniet hat, aber gut, das du das beste draus gemacht hast. Das kann dir dann keiner mehr nehmen.
 
Hatte ich seinerzeit mit großem Interesse gelesen (y)(und mit dem festen Vorsatz mich nicht von Knicklenkern anfixen zu lassen;))

Gruß
Christoph
 
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