Aerodynamik bei Seitenwind für Vortrieb

Doch nochmal der Vergleich mit einem Tragflügelprofil.

Das Profil NACA 0024 kommt der Draufsicht unserer VM schon recht nahe:


Dessen Cd=Cw-Wert bei Anströmung von vorn beträgt ideal 0,01:
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Mit die besten VM dürften einen CwA-Wert von 0,04 bei einer Stirnfläche von 0,4qm haben - also einen Cw-Wert von ca. 0,1.
Das ist um den Faktor 10 schlechter. Anströmwinkel von mehr als 20° werden im obigen Diagramm nicht mehr dargestellt, da es hierbei bereits zu einem Strömungsabriss und damit extrem höherem Cw-Wert kommt. Da ein VM wesentlich schlechter ist, kann man vermutlich nur bei einer Anströmung bis 15° auf einen guten Cw-Wert hoffen. Das wäre mit 40km/h lediglich bis zu einem Wind direkt von der Seite von ca. 10km/h :eek:

Steckt ein Fehler in meiner Überlegung?

Der Fehler steckt vor allem darin dass das Profil NACA 0024 (entspricht übrigens exakt dem Milan SL) ein Tragflügelprofil ist , d.h. die Fläche bezieht sich nicht auf die Stirnfläche sondern auf eine Flugzeugtragfläche - also gilt: Cw (Velomobil) = 0,01 (Cd) x 100 % / 24 % = 0,0417.

Im Übrigen stimme ich @Sutrai in #74 voll zu:
Dummerweise sind unsere VM in der Höhe nicht unendlich ausgedehnte Körper, die so ideal umströmt werden könnten. Es gibt Kanten, Hauben, Spiegel, sich bewegende Räder, Interaktion von Luft, Fahrzeug und Boden und den ganzen anderen Schmarrn, den die real existierende Aerodynamik so bereit hält.

Glücklicherweise hat dieser mit der VM-Höhe endlich ausgedehnte Körper überdies die Eigenschaft dass die Daten der Polare nicht vollständig 1 : 1 übernommen werden dürfen: ein massiver Strömungsabriss (Stall) bei 15° - 20° gibt es nicht, vielmehr umströmt die Luft das VM auch oberhalb; sogar bei 90° ist mit Hilfe der Stormstrips die Ablösegefahr halbwegs gebannt (verhält sich etwa wie ein belüfteter Querzylinder in den Ausmaßen 4 : 1).

Gruß, Lars
 
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Ich war beim Segeleffekt skeptisch, weil ich den nie bewusst wahrgenommen hatte – bis kürzlich, als ich im Sturmtief Friederike unterwegs war:
  • Der Wind war stark, aber nicht böig. Hier im Süden eine Seltenheit.
  • Ich war südwärts in der Schotterebene unterwegs, d.h. der Wind kam ca. 90° von rechts, das Land ist absolut flach, und es gab keine Büsche/Häuser etc. am Straßenrand.
  • Ich bin mit leichtem Treten gut 40 km/h gefahren, wobei es auch leicht bergauf geht; normalerweise fahre ich nicht viel schneller.
  • => ca. 1/4 bis 1/3 der Antriebsleistung kam aus dem Wind
  • Ich saß möglichst weit auf der Luvseite, und trotzdem hat mich der Wind einmal ins Kippen gebracht. Das war kein Lenkfehler/Elchtest, sondern auf gerader Strecke hätte er mich fast umgeblasen.
Das bedeutet für mich:
  • Segeleffekt existiert, auch beim Ks
  • Aber erst bei Windstärken, die wenige Male im Jahr für höchstens wenige Stunden auftreten, und wo man im richtigen Gelände in der richtigen Richtung unterwegs sein muss.
  • Ich war trotzdem langsamer als ohne Wind, weil ich knapp an der Kippgrenze gefahren bin.
  • => stabiles Fahrverhalten ist viel wichtiger als Vortrieb
Die Seitenwindempfindlichkeit lässt sich durch kurze, tiefe Nasen und lange Schwänze positiv beeinflussen (wie Daniel auch schon beim Alpha7 festgestellt hat).
Bin bei 3w4f einem R bei eigentlich moderatem Seitenwind hinterhergefahren. Das war beängstigend.
Bei der Entwicklung des Birk Butterfly war ein Ziel, Seitenwinde nutzbar zu machen. Die tiefe Nase und das hohe Heck sollten den Druckausgleich von Links nach Rechts bei schräger Anströmung erschweren, so dass der profilförmige Grundriss eine resultierende Kraft schräg nach vorne zur Fahrtrichtung erzeugt.
der Milan ist offenbarwirklich besonders windfest
In erster Näherung ist ein segelndes Velomobil ein Flügel oder Segel; der Anstellwinkel ist vorgegeben durch die Straße, aber offenbar segelt es umso besser, je mehr es umströmt statt überströmt wird. Jedenfalls lesen sich obige Zitate so, als würden hohe Velomobile, d.h. mit hohen, kantigen Heckflossen (Evo, Evo-R, Birk Butterfly) recht gut segeln, während flachere, abgerundetere Velomobile (Milan) davon wenig mitbekommen. (Und mein Ks ist irgendwo in der Mitte.) Ein großer Radstand dürfte die Stabilität auch erhöhen.

Eine hohe Heckflosse bedeutet natürlich, dass der Lateraldruckpunkt weit hinten ist. Wie @Joerg046 beschrieben hat, kann man durch die Lenkgeometrie dafür sorgen, dass der Wind wenig Lenkeinfluss hat; was man damit allerdings nicht beeinflussen kann, ist die Kippneigung. Da ist ein hohes, schmales VM einfach grundsätzlich schlecht.
 
@Christoph Moder - wie ich schon öfter mal geschrieben hatte - die Fahrstabilität ist deutlich wichtiger, als der Segeleffekt. In der Zeit, in der man hier liest und diskutiert über "ob überhaupt" und "wann" und "wie" ist man schon 100 km weiter gefahren. :whistle:
Ich konnte auf den letzten 15.000 km nur beobachten, dass ich gerne mehr Unempfindlichkeit hätte und das erreichte ich mit den Stripes u.ä.

VG, Roland
 
Ich war südwärts in der Schotterebene unterwegs, d.h. der Wind kam ca. 90° von rechts, das Land ist absolut flach, und es gab keine Büsche/Häuser etc. am Straßenrand.
Kannst du bitte den Streckenabschnitt genauer angeben, damit ich mir das anschaue, falls ich mal bei etwas Wind in der Gegend bin.

Gestern gab es hier ausnahmsweise auch mal wieder Windstärke 4. Ich habe mir einen Verklicker gebastelt, um immer zu sehen woher der Wind weht ;) - der scheinbare. Da jedoch der Fahrtwind i.d.R. größer als der wahre Wind ist, zeigt der Verklicker fast immer weitgehend nach hinten. Lediglich einmal stand er total quer auf 90° aber da war ich so langsam weil es bergauf ging und damit hatte ich ebenso keine Aussage über die Vortriebskraft.
In erster Näherung ist ein segelndes Velomobil ein Flügel oder Segel; der Anstellwinkel ist vorgegeben durch die Straße, aber offenbar segelt es umso besser, je mehr es umströmt statt überströmt wird. Jedenfalls lesen sich obige Zitate so, als würden hohe Velomobile, d.h. mit hohen, kantigen Heckflossen (Evo, Evo-R, Birk Butterfly) recht gut segeln, während flachere, abgerundetere Velomobile (Milan) davon wenig mitbekommen.
Der Milan scheint aber durchaus nennenswerten Vortrieb zu entwickeln, wie @Sturmvogel hier in #25 und Kelin beschrieb:
Ich fuhr gestern an der B 2 entlang. Die verläuft ziemlich genau von Süd nach Nord oder umgekehrt. Bis zum letzten Gebäude fuhr ich mit meiner Kraft etwa 32 km/h. Ab dann konnte ich aufhören zu treten und habe vorsichtshalber bei 45 immer wieder abgebremst, weil der Milan immer wieder durch Böen massiv versetzte.
Auf dem Rückweg musste ich an der gleichen Strecke etwas mittreten, flog aber auch so dahin.
Im Gegensatz dazu erinnere ich mich beim wohl immer noch häufigsten VM Quest an keinen solchen Bericht, sondern immer nur an Stormstrips, damit sich weniger Wirbel ablösen.
Eine hohe Heckflosse bedeutet natürlich, dass der Lateraldruckpunkt weit hinten ist.
Ist ein Lateraldruckpunkt beim VM überhaupt gegeben, denn auf Grund der Haftreibung der Räder gibt es doch keine Drehung und es wäre dann eher eine Laterallinie.[/QUOTE]
 
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- wie ich schon öfter mal geschrieben hatte - die Fahrstabilität ist deutlich wichtiger, als der Segeleffekt. In der Zeit, in der man hier liest und diskutiert über "ob überhaupt" und "wann" und "wie" ist man schon 100 km weiter gefahren. :whistle:
Du musst hier auch nicht mitlesen! Mich interessiert es. Und Aerodynamik ist komplex und widerspricht der normalen menschlichen Erfahrung so häufig, dass es sich durchaus lohnen kann, die Effekte genau zu verstehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ausgeprägte Segeleffekte führen nach meiner bisherigen Erfahrung zu größerer Störanfälligkeit, denn hier sind ja deutlich ausgeprägte Unter- und Überdruckzonen gefragt - wie anders sollte Segeln funktionieren. Mit starken Druckverhältnissen wird es aber eben störanfällig.
MICH würde v.a. interessieren, wie ich mein VM weniger störanfällig bekomme und damit gleichzeitig schneller wird, aber das ist ja nicht das Thema, auch wenn der Ansatz eher dem tatsächlichen Einsatzzweck eines VM nahe kommt.

VG, Roland
 
Kannst du bitte den Streckenabschnitt genauer angeben, damit ich mir das anschaue, falls ich mal bei etwas Wind in der Gegend bin.
Hier, zwei Abschnitte: südlich von Grub bis Parsdorf, und vor allem von Parsdorf bis Hergolding. Die Strecke steigt südwärts leicht an, so dass vor Hergolding der Wind am stärksten war und mich dort fast umgeworfen hat.
Ist ein Lateraldruckpunkt beim VM überhaupt gegeben, denn auf Grund der Haftreibung der Räder gibt es doch keine Drehung und es wäre dann eher eine Laterallinie.
Richtig; ich meinte den gedachten Punkt, an dem der seitliche Strömungswiderstand am Rumpf ansetzt, was der Lateraldruckpunkt wäre – aber hier ist Rumpf gleich Segelfläche, d.h. eigentlich meinte ich den Segeldruckpunkt.
die Fahrstabilität ist deutlich wichtiger, als der Segeleffekt
Da sind wir uns wohl alle einig. Zumindest die, die in einer Gegend mit vorwiegend böigem Wind leben.
Ausgeprägte Segeleffekte führen nach meiner bisherigen Erfahrung zu größerer Störanfälligkeit, denn hier sind ja deutlich ausgeprägte Unter- und Überdruckzonen gefragt - wie anders sollte Segeln funktionieren. Mit starken Druckverhältnissen wird es aber eben störanfällig.
Da muss man vielleicht differenzieren, wo die Kraft angreift:
  • Mit Segeldruckpunkt in der Mitte (und natürlich entsprechender Lenkgeometrie) könnte man wohl den Lenkeinfluss weitgehend eliminieren. Entweder, indem man das VM in der Mitte besonders hoch macht – ob so ein VM noch schnell oder praktisch ist, ist die Frage. Oder, indem man es hinten entsprechend niedrig macht.
  • Wenn man dagegen ein windempfindliches VM hat, also Segeldruckpunkt weit hinten, dann greifen auch aerodynamische Störungen weit hinten an – das ist wohl das, was du meinst. Und da kann man wohl nichts anderes machen, als mit Stormstrips die unerwünschten Segeleigenschaften zu verringern.
  • In dem erwähnten Fall war der Wind wunderbar gleichmäßig, d.h. da hätte man auch ein windempfindliches VM auch noch gut kontrollieren können, aber solche Bedingungen sind natürlich die absolute Ausnahme.
  • Die Kippneigung ist bei starkem Wind immer ein Problem; man müsste das VM reffen können ... aber auch das ist höchst selten ein Problem.
 
Ich kenn halt nur den SL beim Segeln. Es drückt schon erheblich von der Seite. Man muss mit der Lenkung etwas dagegen halten. Also nach LUV gegendrücken damit man die Spur hält. Häuserschluchten fühlen sich komisch an, sind aber leicht beherrschbar. Ab einer gewissen Windstärke hebt der Sog Haube und Deckel an. Also festhalten oder die Gummistrapse benutzen. Aufgestellt hat es mich noch nie. Der SL hat halt auch den tiefsten Schwerpunkt von allen. Und die Doppelbeule macht bestimmt nicht so viel Auftrieb wie ein Quest. Vortrieb ist übrigens deutlich spürbar. Ich war auch schon mit 80 am Bremsen wo ich es sonst nur auf 70 schaffe wenn ich trete wie ein Ochs. Das ist ja auch unheimlich. Böen machen so einen spannenden Gasgeb-Effekt.
 
Danke dir!
vor allem von Parsdorf bis Hergolding. Die Strecke steigt südwärts leicht an
Das sieht traumhaft aus: ich ermittle 6 Höhenmeter auf 1300m , also ein Gefälle von knapp einem halben Prozent. Da dürfte ein guter Reifen gerade noch so von selber rollen.
dann greifen auch aerodynamische Störungen weit hinten an – das ist wohl das, was du meinst. Und da kann man wohl nichts anderes machen, als mit Stormstrips die unerwünschten Segeleigenschaften zu verringern.
Kommt mir unlogisch vor - dann müsste man ja die Stormstrips hinten und nicht vorn anbringen.

Wenn ich von einer Seitenfläche von maximal 2qm ausgehe und gerade noch Windstärke 4, knapp 30km/h dann steckt im Wind eine Kraft von maximal 2*1,2/2*(30/3,6)^2 = 83 Newton ohne den Betzschen Faktor von 16/27 zu berücksichtigen; der Wind wird ja hinter dem VM auch noch eine Energie enthalten und nicht null km/h haben. Ca. 8 Kilo sollten doch beherrschbar sein.
 
Im Gegensatz dazu erinnere ich mich beim wohl immer noch häufigsten VM Quest an keinen solchen Bericht, sondern immer nur an Stormstrips, damit sich weniger Wirbel ablösen.
Doch, von mir gibt es solch einen Bericht, ist aber schon ein paar Jahre her. Ich bin einmal gesegelt, zwischen Augsburg und Donauwörth. Die Situation war genau so wie von @Christoph Moder beschrieben. Ich hatte ständig Bedenken, dass ich einfach umgeblasen würde. Tempo etwa 40km/h ohne Treten. Wind geschätzt 50km/h stetig ohne große Böen direkt von der Seite. Segeln braucht kein Mensch (an Land).
 
Das wäre ja auch bereits Windstärke 7.
Und wenn es auf Grund von Optimierungen bereits bei meiner oben genannten Windstärke 4 ("mäßige Briese") funktionieren würde?
Macht es doch sicher. Aber sowohl die Wirkung als auch die Nebenwirkungen sind dabei so klein, dass sie nicht weiter ins Gewicht fallen.
 
Hier ist noch eine Untersuchung des Milans GT im großen VW-Windkanal anno 2011:

- Dabei ist Beta der wahre Windwinkel in ° (gemessen auf der Drehscheibe im Windkanal),
- Cx =Cw (auf die Stirnfläche bezogen, A = 0,462 m²),
- Cy = Querkraft-Beiwert 90 ° zur Längsachse .

Bis 21° wurde mit einer Geschwindigkeit von 60 Km/h operiert, anschließend 40 Km/h.
Achtung: der rote Knick bei 21 ° ist kein wirklicher Knick, denn die Abszisse ist ab 21 ° und nochmal ab 45 ° gestaucht! Also bis 45 ° fast eine Lineare ...
... d.h. bis 45 ° ist die Seitenkraft proportional der Wind-Winkel!

Die größte Seitenkraft ist bei 60 °.
Cw wird negativ ab 18 °, hat sein Minimum bei 75 °.

Nun viel Spaß beim Rechnen ... ;)
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Lars


P.S.: vielleicht sollte dann ein Fahne mit an Bord sein ...
 
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Die größte Seitenkraft ist bei 60 °.
Cw wird negativ ab 18 °, hat sein Minimum bei 75 °.

Nun viel Spaß beim Rechnen ... ;)
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Das heißt doch, dass nennenswerter Vortrieb bei Windwinkeln von 21° bis 150° - bei 40km/h also gerade noch Windstärke 5 existiert.
Und dabei ist der Milan als relativ gutmütig bei Starkwind bekannt.
Müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn man nicht beides, sowohl Vortrieb als auch Wirbelablösung bei Starkwind optimieren könnte.
 
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