Das Motto des 200er - Brevets war dieses Jahr, individuelle Höchstfahrleitungen in die Höhe zu schrauben. Ich hatte noch nie mehr als 112km mit dem Ruderrad (beim Rennen in Zloten, allerdings noch mit Stahlboot), Peter noch nie mehr als ca. 180km und Hanns noch nie mehr als 270km auf dem Fixie zurückgelegt. Zusätzlich fühlte ich mich durch eine völlig bewegungslose Fortbildungswoche in Bayern bestens vorbereitet.
Als zusätzlichen Mitstreiter hatte Hans noch seinen Kollegen Thomas gekobert. Da ein echter Randonneur auf eigener Achse an- und abreist,lag das Tagesziel bei ca. 315km. Also entspannt um 5 in der Früh aus dem Bett gehüpft und sich auf den Weg nach Twisteden gemacht, um dort zur Wiedergutmachung ein großes Blech des hervorragenden Butterkuchens zu inhalieren und mit dem ein oder anderen Liter Kaffee hinterherzuspülen.
Beim Aufgalopp zur Fahrerinstruktion ist für mich dann noch eine mögliche Teilnahme an der Rahmenveranstaltung zum Tour-Auftakt in Düsseldorf abgefallen, wir haben dann die ganzen nervösen Hufescharrer vorgelassen und sind entspannt am Ende der letzten Startgruppe losgegondelt, kalkuliert war eine Reisegeschwindigkeit von ca. 25km/h. Nach 100 Gesamtkilometern und dem ein oder anderen Entwässern der Sextaner-Altherrenblasen haben wir in Dorsten die erste Pause gemacht, in einer Spelunke im Gewerbegebiet, die geradezu museal anmutete: Zahnsteingelbe Wände und fröhlich vor sich hin rauchende (!) Besucher, die gegen zwölf Uhr schon engagiert ihr Pils nuckelten. Die Hütte machte den Eindruck einer Einkehrstätte für Schlacke-04-Ultras, die gemessen an der Höhe der Urinale auf dem Klo eher kurzbeinig zu sein schienen, dafür aber die Pipi-Becken mit emaillierten Vereinswappen von Dortmund und Bayern an den Stellen verziert hatten, wo man den Strahl gewohnheitsmässig hinlenkt.
Wir sind dann in unserem Rhythmus weiter dem Kanal gefolgt und erlitten kurz vor dem Wendepunkt noch eine kurzweilige Reifenpanne, die wir an einer anscheinend Top-kameraüberwachten Tankstelle mit Dödel-Alarm verbrachten, denn kaum hatte sich Hanns in ein unwirtliches Eckchen verzogen, um auf eine brachliegende Wiese zu pullern, erschien die Bedienung in der Tür, um lauthals mitzuteilen, dass man sich auch einen Toilettenschlüssel besorgen könnte. Auf die Entwässerung wurde spontan verzichtet, kurz darauf erreichten wir die Kontrollstelle und stellten zu unserer Verwunderung fest, dass wir lediglich schlanke 48 Minuten vor Kontrollschluß eingetroffen waren. Das Schiffshebewerk wollte aber unbedingt beäugt werden, außerdem meldete sich bei gewissen Beteiligten ein Hungergefühl, so dass wir ein paar Kilometer nach dem Hebewerk erst einmal einen Imbiß in einer netten Grillbude eingenommen haben. Da es langsam wieder kühler wurde habe ich meine Kalkstelzen wieder bekleidet, bevor wir uns wieder aufmachten.Kurz vor Einbruch der Dunkelheit wurde das Geplärre nach Kaffee immer lauter, und so kehrten wir in einer Tankstelle ein, wo wir auch einen Mitstreiter trafen, der bei unserem Eintreffen weiter seines Weges zog. Die Dunkelheit drückte danach auf den unbeleuchteten Wegen ein wenig aufs Tempo, andererseits ergab sich die letzten Kilometer vor Wesel ein harmonischer Rhythmus, und wir peilten unsere Ankunft in Twisteden für 21.30h an. Als wir auf die Zielgerade am Lippeschlösschen vorbei Richtung Brücke zusteuerten, begann es zu tröpfeln und der Wind frischte stark auf. An einem Hinweisschild "Bahnhof 0,8km" konnte ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, man könne eigentlich auch abbiegen. 500m weiter brach dann mit Erreichen der Brücke die Apokalypse über uns aus. Es fing dermaßen an zu strähnen und zu stürmen, dass wir schon halbnass waren, bevor wir uns in die Regenklamotten gepellt hatten. Wir entschlossen uns, uns als Geisterradler bis zur nur wenige Meter entfernten Unterführung durchzuschlagen und dort das Regenradar in Augenschein zu nehmen, auf dem Weg dahin kam uns leider ein LKW entgegen, der in vollendetem Sadismus einen Spritzwassertsunami über uns hinwegjagte, der uns in Nanosekunden durchnässte. Wahrscheinlich lacht sich der Fahrer jetzt noch kaputt, vier auf einen Streich bekommt man auch nicht ohne weiteres hin
. Das Wetterradar kündete von Regen bis mindesten 23.30h, und so traten wir den geordneten Rückzug an, da die Vision, klatschnaß und halberfroren noch mindestens 30km zurücklegen zu müssen und dann nach der Suppe noch die Heimfahrt antreten zu müssen, keinen von uns wirklich entzückte.
Die mittlerweile 1,3km zum Bahnhof haben uns dann den endgültigen Rest gegeben. Trotz üblichen Bahnhofskolorits (krakeelende Alder-wass-is-los- Jugendliche, Fast-food-Gemüffel aus dem McWürg) fühlten wir uns aber wohl, denn es war warm. Nach diversen Beschwörungen des Ticketautomaten enterten wir den RE, um nach Duisburg zu reisen. Dort liessen sich Thomas und Peter von Familienangehörigen einsammeln, Hanns und ich schlotterten noch ein paar Minuten in dem zugigen scheißkalten Bahnhof vor uns hin, bis der Anschluß kam. Die letzten 800m vom Haltepunkt nach Hause haben wir dann in stoischer Würde hinter uns gebracht.
Ich fand das alles sehr unterhaltsam, konnte unterwegs das ein oder andere Schwätzchen mit mir bisher unbekannten Randonneuren und -neusen halten, mir PBP schmackhaft machen lassen und mal wieder den Vorteil liegender Fortbewegung geniessen. Letztendlich haben wir alles richtig gemacht, denn wären wir eine halbe Stunde schneller gewesen, hätte uns das Ungemach irgendwo im Nichts zwischen Rheindeich und Twisteden überfallen, und die Rettung wäre deutlich schwieriger ausgefallen.
Zurückgeblieben ist allerdings ein mehr oder weniger ausgeprägter Bauchmuskelkater, aber nach 238km muss man sich nicht dafür schämen.
Beste Grüße
Frank