Drei Westfalen beim Ostfalen Brevet 600
Es fällt mir schwer die Bilder, die immer noch durch meinen Kopf schwirren in Worte zu fassen. Einerseits ist mein Kopf leer, andererseits aber auch voller Eindrücke.
Mario hat schon vieles gesagt.
Das Brevet wird intern bei mir unter dem Titel: "Als wir 'Zum harter Törn' aufgebrochen sind" abgelegt werden. Für den Namen muss die Fischkneipe herhalten, weil er passt wunderbar. Es war ein schöner Törn und hart wars (für mich) auch.
Für mich gliedert sich die Fahrt in drei Teile.
Teil 1: Zur Ostsee
Der Wind schiebt, alle sind getrieben von dem nicht wirklich ausgesprochenen Wunsch, den Sonnenuntergang in Kühlungsborn zu sehen.
Erste Kontrolle: Neue Randonneursverpflegung testen, Bockwurst. Schmeckt für eine Tankstellenwurst super und funktioniert. Normalerweise esse ich sowas nicht, aber im Brevetmodus gelten andere Regeln
Hier sehen wir Teile vom Rest der ganzen Bande zum vorest letzten Mal, irgendwie sind uns alle davongefahren und wollen zum Sonnenuntergang.
An der Elbfähre ein einzelner Mitstreiter, die Fährfahrt ist mir viel zu kurz, irgendwie sind die Flüsse am Niederrhein und in Holland breiter
Kontrolle 2, nächste Bockwurst, die gegen die erste etwas abfällt, aber immer noch lecker. In Mecklenburg wird es hügeliger, spätestens ab Schweriner See fahren wir wie im Rausch (der Sonnenuntergang wartet nicht), es läuft richtig gut. Die Steigungen sind kurz genug um sie mit Schwung wegzudrücken.
Es kommt wie es kommen muss, auf der B105 klopft jemand ans Fenster. Ja richtig, ein Mann mit so nem Hammer. Ich schicke ihn mit einem Schokoriegel und einem Nussriegel weg.
Aber wenn der Herr einmal vor der Tür stand, gibt der nicht so schnell Ruhe. Meinem Magen gefällt das auch nicht wirklich.
Nach vielen vielen kleinen Dörfern öffnet sich in einem Waldstück die Landschaft und da liegt sie, die Ostsee mit Kühlungsborn und der Wald gehört dann wohl zu Kühlung.
Es ist 21 Uhr und der Sonnenuntergang somit noch ca. 45min entfernt. Geschafft.
Wir beschliessen erstmal zum Strand zu fahren und was zu essen, danach erst zur Kontrolle. Gut dass die Fischbude (schliesst um 22:00 Uhr) keine Lust mehr hat, uns mit warmer Kost zu versorgen. So werden wir 'Zum harten Törn' geschickt. Eine gute Wahl. Der Hammermann wird mit Dorsch und Pommes bestochen und mit 0,5 Weizen alkfrei und 0,4 Cola ertränkt.
Das lebende Inventar an der Theke hält mich für Jan Ullrich, der Wirt meint Jan wäre dicker
Manchmal mag ich meine Schlagfertigkeitsdefizite nicht
Teil 2: Die Nacht
Kontrolle 3, Nachtschalter. Zwei Kerle beim Wodka-Kauf beäugen uns genauso komisch wie wir sie.
Wir müssen die Kühlung hoch, der Dorsch schwimmt zufrieden in Weizen&Cola. Der komische Mann ist weg, hat aber eine gewisse Kraftlosigkeit hinterlassen.
Der Magen will unter der momentanen Belastung nicht wirklich schnell für Kaloriennachschub sorgen.
Wir kurbeln stumpf durch die Nacht, Seb verabschiedet sich, irgendwann können wir nicht mehr, ich erspähe einen Schatten im Schatten im Abzweig zu einem Dörfchen: Ein Wartehäuschen voller Spinnweben.
Mario und Norbert wollen da trotzdem auf der Bank schlafen, ich lege mich auf den Boden davor. Wofür hat man seine Liegematte immer dabei
Die Frösche quaken ein unglaubliches Konzert, ich döse vor mich hin.
Im Morgengrauen gehts weiter, kalt kalt direkt eine Abfahrt runter.
Der weitere Verlauf bis Kilometerstand 470 ist nicht schön. Treten, treten, treten, es kommt kein Flow auf, es läuft nicht, die mecklenburgischen Hügelwellen nerven.
Kontrolle 4, hier treffen wir wieder Mitstreiter und eine Mitstreiterin. Vonni sieht genau so aus wie ich mich fühle: Genervt&fertig.
Der Mann am Nachtschalter weiss auch nicht was das alles soll. Aber einen Kaffee rückt er raus.
Bad Wilsnack durchforsten wir nach einer Bäckerei. Alle Bürgersteige hochgeklappt. Achtung Kalauer: Ich will nen Snack! Schwirrt mir seitdem im Kopf rum.
Wir geben auf, am Ortsausgang eine Tankstelle, menschliche Wesen verlassen den Verkaufsraum mit Brötchentüten in der Hand!
Ich kann nichts essen, mein Magen hat noch genug zu tun die Begegnung mit dem Hammermann zu verarbeiten. Vor der Tanke versucht uns ein Mann zu überreden, die legendären Thermalbäder von Bad Wilsnack zu besuchen. Wir müssen ablehnen
Dann quetscht er uns über die Liegeräder aus. Als ich auf meinen Frontantrieb am ZOX hinweise, sagt er nichts mehr, man kann sehen wie es in ihm arbeitet wie das denn wohl funktionieren kann
Teil 3: Ab Kilometerstein 470
Kurz nach Bad Wilsnack geht es mir auf einmal wieder viel besser. Der Magen signalisiert: Bereit für neue Nahrung. Etwas Sodbrennen bleibt mir bis zum Schluss.
Dafür gibts dann an Kontrolle 5 die nächste Bockwurst. Die anderen beiden waren besser. Havelberg sieht nett aus, aber wir preschen durch, wir sind jetzt auf Ankommen programmiert, es läuft auch bei Mario wieder besser. Von Norberts Zuständen habe ich irgendwie nix mitbekommen...
Jetzt kommt das elendige Stück B107. Wir probieren den Radweg. Toll. Mehr sage ich nicht dazu. Wir wurden am Start gewarnt.
Zur Elbquerung biegen wir gen Westen ab. Gegenwind. Auch toll. aber wir sind nun geduldig und wollen das Ding zu Ende bringen. Tangermünde durchquert sich einfach. Kaum Ampeln, keine Blauschilder, geduldige Autofahrer.
Zäh ziehen sich die Kilometer, wenigstens liegen die Hügel schon länger hinter uns.
Kontrolle 6 Wolmirstedt, es gibt keine Bockwurst
. Die Frikadelle als Alternative setzt den negativen Trend der Tankstellenverpflegung fort.
Voll positiver Hoffnungen gehen wir den letzten Abschnitt an. Aber es läuft wieder zäher. Gegenwind, abgefräster Bundesstrassenbelag (B1) machen das Rollen schwer.
Etwas 20km vor dem Ziel sehen wir den Schornstein vom Kraftwerk Buschhaus, da müssen wir hin, ist nicht mehr weit.
Leider gehts dafür aber erstmal wieder bergab um dann wieder ordentlich aufwärts.
Mir gehts wieder ganz gut, ich bin als erster oben und warte auf die beiden. In Wolsdorf drücken wir die letzte Rampe hoch und dann ist es geschafft, es ist kurz vor 19:00 Uhr.
Glückwunsch an Mario zur ersten Serie. Hartmut, Morten und Co (ich habe mir ausser Hartmut keine mir bis dahin unbekannte Name-Gesicht-Zuordnung merken können
) sitzen am Esstisch, essen und quatschen. Ich kann nix essen, mein Magen hat die Faxen dicke, nach einem Glas Milch gehts aber wieder.
Vielen Dank an alle Beteiligten für alles, insbesondere an Norbert für die Super-Sache mit dem Wohnmobil, fürs Fahren und nicht zuletzt für deine Ruhe und Geduld.
Danke auch an Hartmut und Familie sowie an alle Mitorganisatoren, mir hat es sehr gefallen.
Statistik:
Gesamtzeit: 34:30h - 2min
Fahrtzeit lt. Tacho: 26:37h
Distanz lt. Tacho: 636km, Schnitt ~23,9km/h
Strava:
Link inside
So, nach so viel langweiligem Text kommen jetzt natürlich noch die Fotos.
PS:
@norfiets @Mario
Hat euch auch der Eichen-Prozessionsspinner erwischt? Meine Arme, Kniekehlen, Hals und Nacken sehen aus, als wäre ein Mückengeschwader darüber hergefallen
Juckt auch genauso.
Bilder:
Bilder Teil2 gibts auch noch
Thomas