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Nachdem meine Bank und ich den Zuschlag bekommen haben, uns das weiße Quest, das bei ligfiets.net ausgeschrieben war zuzulegen, überlegte ich, wie ich es am besten abhole. Ich hätte mir ja in den Hintern gebissen, wenn ich bei dem wunderbaren angesagten Wetter mit dem Quest auf dem Autodach irgendwo im Stau gestanden wäre. Also hab ich mir eine Woche Urlaub genommen, bin mit dem Zug nach Antwerpen gefahren und mit dem Quest wieder runter.
Das Rad ist wirklich in erstklassigem Zustand. Kein Wunder bei 846km auf dem Buckel. Es hat Blinker, eine ordentlich laute Hupe und Doppel-Halogenlichter. Es ist noch mit Werbung beklebt, die ich in nächster Zeit dann Buchstaben für Buchstaben abfisseln darf. Wir haben das Rad soweit als möglich auf mich eingestellt, optimal war es aber noch nicht, da die Kette sonst zu lang gewesen wäre und wir sie nicht kürzen konnten. Das ist mir bei nem Rad auch noch nie passiert, dass ich zu kurzen Beine hatte... Aber Harry ist ja auch über 2m groß.
Harry war sehr freundlich und hilfsbereit, ich konnte bei ihm übernachten und am Montag morgen ist er mir mit dem Auto vorausgefahren und hat mir den Weg zum Albert-Kanal gewiesen, der nach Osten aus der Stadt herausführt. Am Kanal entlang läuft ein etwa 2m breiter Radweg mit größtenteils sehr guter Oberfläche, so dass man unbehelligt vom Verkehr in schöner Umgebung fahren konnte. Der Ostwind blies ziemlich heftig, so mit 20km/h, Böen sicherlich auch über 30km/h. Mit nem Upright wär der Tag ziemlich grauslig geworden, mit dem Quest konnte ich immer noch etwa 30km/h fahren. Nur musste ich beim Ein- und Aussteigen aufpassen, dass mir der Schaumdeckel nicht davonfliegt. Wär doof, wenn der plötzlich im Kanal gelegen wäre. Dem Kanal folgte ich für etwa 90km, vorbei an Herrentals bis nach Beringen. Danach ging’s über Landstraßen unterschiedlicher Qualität immer weiter Richtung Osten, um die Berge im Süden zu umfahren: Helchteren, Meeuwen, Maaseik, Susteren, Geilenkirchen, Jülich, Merzenich, Lommersum, Swisttal nach Bonn, gesamt 255km. Eine geniale Strecke war auf der B56 nach Geilenkirchen. Neue glatte Fahrbahndecke, eine richtig breite "Standspur", die nicht nur von mir benutzt wurde, sondern auch von Traktoren und anderen langsamen Fahrzeugen. Bis Bonn war es recht flach, lediglich die letzten Kilometer vor der Jugendherberge wurd’s plötzlich so steil, dass ich sogar aussteigen und schieben musste. Aber da war ich auch schon ziemlich platt. Das war das erste Mal, dass ich über 200km am Tag gefahren bin, das auch gleich auf nem neuen Rad, das noch nicht optimal auf mich eingestellt ist. Das gibt doch Anlass zur Hoffnung…
Am Dienstag bin ich in Bonn erstmal zu nem Radhändler gefahren, der ganz große Augen machte, als ich mit meinem Gefährt aufkreuzte. Ich hab Sitzposition und Pedale ordentlich eingestellt und wir haben die Kette entsprechend gekürzt. Dann ging’s los, der Plan war, den Radweg direkt am Rhein entlang hinunterzurauschen. Auf die Strecke hatte ich mich sehr gefreut, hatte ich doch gedacht, ich könnte in der Ebene langcruisen und dabei die Landschaft an mir vorbeifliegen lassen. Stattdessen: Nerviger schmaler Radweg, ständig unterbrochen, Fußgänger und 5km/h-Radler vor einem, dann wieder schlecht gepflastert, mal nur 80cm breit, oder auch als Dreckspfad angelegt. Also ausweichen auf die B9. Heftiger Verkehr, schmale Straße, schlechter Belag und nach ein paar Kilometern ein „Radfahrer verboten“-Schild. Ne andere Möglichkeit gibt es im Tal nicht, also zurück auf den Radweg. Das ganze Spiel dreimal hin und her und ich hatte nach vier Stunden Fahrt gerade mal 60km geschafft und war komplett genervt. Ob es auf der anderen Flussseite eine ordentliche Möglichkeit gibt, den Rhein entlangzufahren? Keine Ahnung… Schließlich Koblenz. Ich fühlte mich in die DDR zurückversetzt. Solch miese Straßen hätte ich im heutigen Deutschland nicht mehr anzutreffen gedacht. Ständig tat es wieder Höllenschläge, wenn ich wieder in ein Schlagloch gerauscht bin. Den Kopf bequem an der Kopfstütze abzulegen, daran war nicht zu denken, ihn immer hochzuhalten ist auf Dauer ziemlich anstrengend. So war ich froh, endlich aus Koblenz rauszukommen. Jetzt wurde die Straße auch wesentlich besser und ich konnte es ordentlich laufen lassen. Wäre da nur nicht wieder der Wind gewesen, der durch das Rheintal umgelenkt wurde und von Süden mit gleicher Heftigkeit wie gestern entgegenblies. Aber dann: Der Rhein macht eine Kehre, ich fahre für ein paar Kilometer genau nach Westen und werde immer schneller, bis ca. 50km/h. Dabei habe ich deutlich weniger Wind im Gesicht als vorher noch. Die Straße scheint abwärts geneigt zu sein, komisch nur, dass links von mir der Rhein nicht nach „unten“ schwappt. Aber dann, die nächste Kehre, es geht wieder gegen den Wind, von den 50km/h bin ich wieder weit entfernt. Aber jedenfalls kann man hier gut fahren. In Bingen fuhr ich von der Bundesstraße ab und über Ingelheim nach Mainz. Plötzlich wurde aus der Landstraße ein zweispuriger Zubringer zur Autobahn, über den man mit 70km/h Richtung Mainz brettern konnte. Fast hätte ich die richtige Abfahrt verpasst und wäre auf der Autobahn gelandet. In Mainz bin ich dann nach 181km wieder in der Jugenhergberge untergekommen. Mit dem Velomobil sind sie einfach ne super Wahl, sie haben immer einen großzügigen Fahrradschuppen, der allerdings im Sommer öfters mal auch voll sein mag.
Mittwoch. Ich will weiter nach Sinsheim. Eine Freundin hat den Nachmittag frei und wir wollen zusammen was unternehmen. Also morgends früh los und ab auf die B9 und wieder den Rhein hinuntergeschossen. Zum Teil war die Fahrbahn erstklassig ausgebaut, zum Teil auch eher mäßig. Über Oppenheim und Guntersblum ging es nach Worms, wo ich mich durch ein „Radfahrer verboten“-Schild dummerweise wieder dazu verleiten ließ, die richtige Straße zu verlassen und stattdessen eine freiwillige Stadtrundfahrt begann, an deren Ende ich wieder im ersten Gang durch Baustellendreck zurück auf die Bundesstraße kroch. Ich hätte mir ja hier schon sagen können, dass ich diese Schilder in Zukunft einfach ignoriere, dann hätte ich mir in Lampertheim den Umweg erspart, an dessen Ende mich der Radweg durch eine Unterführung leiten wollte, in der man absteigen und sein Rad durch einen schmalen Durchschlupf in der Barriere schieben musste. No way. Also wieder umgedreht und wieder ein Gesetz gebrochen. Hat man sich erst mal an seinen Verbrecherstatus gewöhnt, hat man plötzlich gar keine Skrupel mehr… ;-) Danach ging’s über Viernheim, Hirschberg, Schriesheim, Handschuhheim, Ziegelhausen, Neckargemünd und Meckesheim nach Sinsheim. Der Wind war heute nicht mehr so stark, die Sonne knallte aber immer noch genauso vom blauen Himmel und ich hatte schon ordentlich Farbe bekommen. Nach 123km war ich am frühen Nachmittag in Sinsheim angekommen und sorgte mit meinem Gefährt für erhöhte Aufmerksamkeit unter den Nachbarn meiner Freundin. Das ließen wir in der Tiefgarage verschwinden und machten uns einen schönen Nachmittag mit einem dicken Eisbecher im besten Eiscafé der Stadt machten.
Teil 2 folgt gleich...
Martin
Das Rad ist wirklich in erstklassigem Zustand. Kein Wunder bei 846km auf dem Buckel. Es hat Blinker, eine ordentlich laute Hupe und Doppel-Halogenlichter. Es ist noch mit Werbung beklebt, die ich in nächster Zeit dann Buchstaben für Buchstaben abfisseln darf. Wir haben das Rad soweit als möglich auf mich eingestellt, optimal war es aber noch nicht, da die Kette sonst zu lang gewesen wäre und wir sie nicht kürzen konnten. Das ist mir bei nem Rad auch noch nie passiert, dass ich zu kurzen Beine hatte... Aber Harry ist ja auch über 2m groß.
Harry war sehr freundlich und hilfsbereit, ich konnte bei ihm übernachten und am Montag morgen ist er mir mit dem Auto vorausgefahren und hat mir den Weg zum Albert-Kanal gewiesen, der nach Osten aus der Stadt herausführt. Am Kanal entlang läuft ein etwa 2m breiter Radweg mit größtenteils sehr guter Oberfläche, so dass man unbehelligt vom Verkehr in schöner Umgebung fahren konnte. Der Ostwind blies ziemlich heftig, so mit 20km/h, Böen sicherlich auch über 30km/h. Mit nem Upright wär der Tag ziemlich grauslig geworden, mit dem Quest konnte ich immer noch etwa 30km/h fahren. Nur musste ich beim Ein- und Aussteigen aufpassen, dass mir der Schaumdeckel nicht davonfliegt. Wär doof, wenn der plötzlich im Kanal gelegen wäre. Dem Kanal folgte ich für etwa 90km, vorbei an Herrentals bis nach Beringen. Danach ging’s über Landstraßen unterschiedlicher Qualität immer weiter Richtung Osten, um die Berge im Süden zu umfahren: Helchteren, Meeuwen, Maaseik, Susteren, Geilenkirchen, Jülich, Merzenich, Lommersum, Swisttal nach Bonn, gesamt 255km. Eine geniale Strecke war auf der B56 nach Geilenkirchen. Neue glatte Fahrbahndecke, eine richtig breite "Standspur", die nicht nur von mir benutzt wurde, sondern auch von Traktoren und anderen langsamen Fahrzeugen. Bis Bonn war es recht flach, lediglich die letzten Kilometer vor der Jugendherberge wurd’s plötzlich so steil, dass ich sogar aussteigen und schieben musste. Aber da war ich auch schon ziemlich platt. Das war das erste Mal, dass ich über 200km am Tag gefahren bin, das auch gleich auf nem neuen Rad, das noch nicht optimal auf mich eingestellt ist. Das gibt doch Anlass zur Hoffnung…
Am Dienstag bin ich in Bonn erstmal zu nem Radhändler gefahren, der ganz große Augen machte, als ich mit meinem Gefährt aufkreuzte. Ich hab Sitzposition und Pedale ordentlich eingestellt und wir haben die Kette entsprechend gekürzt. Dann ging’s los, der Plan war, den Radweg direkt am Rhein entlang hinunterzurauschen. Auf die Strecke hatte ich mich sehr gefreut, hatte ich doch gedacht, ich könnte in der Ebene langcruisen und dabei die Landschaft an mir vorbeifliegen lassen. Stattdessen: Nerviger schmaler Radweg, ständig unterbrochen, Fußgänger und 5km/h-Radler vor einem, dann wieder schlecht gepflastert, mal nur 80cm breit, oder auch als Dreckspfad angelegt. Also ausweichen auf die B9. Heftiger Verkehr, schmale Straße, schlechter Belag und nach ein paar Kilometern ein „Radfahrer verboten“-Schild. Ne andere Möglichkeit gibt es im Tal nicht, also zurück auf den Radweg. Das ganze Spiel dreimal hin und her und ich hatte nach vier Stunden Fahrt gerade mal 60km geschafft und war komplett genervt. Ob es auf der anderen Flussseite eine ordentliche Möglichkeit gibt, den Rhein entlangzufahren? Keine Ahnung… Schließlich Koblenz. Ich fühlte mich in die DDR zurückversetzt. Solch miese Straßen hätte ich im heutigen Deutschland nicht mehr anzutreffen gedacht. Ständig tat es wieder Höllenschläge, wenn ich wieder in ein Schlagloch gerauscht bin. Den Kopf bequem an der Kopfstütze abzulegen, daran war nicht zu denken, ihn immer hochzuhalten ist auf Dauer ziemlich anstrengend. So war ich froh, endlich aus Koblenz rauszukommen. Jetzt wurde die Straße auch wesentlich besser und ich konnte es ordentlich laufen lassen. Wäre da nur nicht wieder der Wind gewesen, der durch das Rheintal umgelenkt wurde und von Süden mit gleicher Heftigkeit wie gestern entgegenblies. Aber dann: Der Rhein macht eine Kehre, ich fahre für ein paar Kilometer genau nach Westen und werde immer schneller, bis ca. 50km/h. Dabei habe ich deutlich weniger Wind im Gesicht als vorher noch. Die Straße scheint abwärts geneigt zu sein, komisch nur, dass links von mir der Rhein nicht nach „unten“ schwappt. Aber dann, die nächste Kehre, es geht wieder gegen den Wind, von den 50km/h bin ich wieder weit entfernt. Aber jedenfalls kann man hier gut fahren. In Bingen fuhr ich von der Bundesstraße ab und über Ingelheim nach Mainz. Plötzlich wurde aus der Landstraße ein zweispuriger Zubringer zur Autobahn, über den man mit 70km/h Richtung Mainz brettern konnte. Fast hätte ich die richtige Abfahrt verpasst und wäre auf der Autobahn gelandet. In Mainz bin ich dann nach 181km wieder in der Jugenhergberge untergekommen. Mit dem Velomobil sind sie einfach ne super Wahl, sie haben immer einen großzügigen Fahrradschuppen, der allerdings im Sommer öfters mal auch voll sein mag.
Mittwoch. Ich will weiter nach Sinsheim. Eine Freundin hat den Nachmittag frei und wir wollen zusammen was unternehmen. Also morgends früh los und ab auf die B9 und wieder den Rhein hinuntergeschossen. Zum Teil war die Fahrbahn erstklassig ausgebaut, zum Teil auch eher mäßig. Über Oppenheim und Guntersblum ging es nach Worms, wo ich mich durch ein „Radfahrer verboten“-Schild dummerweise wieder dazu verleiten ließ, die richtige Straße zu verlassen und stattdessen eine freiwillige Stadtrundfahrt begann, an deren Ende ich wieder im ersten Gang durch Baustellendreck zurück auf die Bundesstraße kroch. Ich hätte mir ja hier schon sagen können, dass ich diese Schilder in Zukunft einfach ignoriere, dann hätte ich mir in Lampertheim den Umweg erspart, an dessen Ende mich der Radweg durch eine Unterführung leiten wollte, in der man absteigen und sein Rad durch einen schmalen Durchschlupf in der Barriere schieben musste. No way. Also wieder umgedreht und wieder ein Gesetz gebrochen. Hat man sich erst mal an seinen Verbrecherstatus gewöhnt, hat man plötzlich gar keine Skrupel mehr… ;-) Danach ging’s über Viernheim, Hirschberg, Schriesheim, Handschuhheim, Ziegelhausen, Neckargemünd und Meckesheim nach Sinsheim. Der Wind war heute nicht mehr so stark, die Sonne knallte aber immer noch genauso vom blauen Himmel und ich hatte schon ordentlich Farbe bekommen. Nach 123km war ich am frühen Nachmittag in Sinsheim angekommen und sorgte mit meinem Gefährt für erhöhte Aufmerksamkeit unter den Nachbarn meiner Freundin. Das ließen wir in der Tiefgarage verschwinden und machten uns einen schönen Nachmittag mit einem dicken Eisbecher im besten Eiscafé der Stadt machten.
Teil 2 folgt gleich...
Martin