AW: Alles Rund ums Velomobil Velayo
ca. 1200 km mit dem Velayo, Teil 2:
Der Arbeitsweg führt mich in den Berliner Wedding, dort ist eigentlich keine Straße aufgrund des Verhaltens der Autofahrer VM-tauglich, wenn man nicht dauerhaft 60 bis 70 km/h fahren kann. Die Radwege sind leider rar und meistens unbrauchbar (Scherben, Wurzelaufbrüche, zugeparkt etc…). Schade, denn der erste Teil des Arbeitswegs ist wunderschön mit für den Autoverkehr abgesperrter Straße mit gutem Belag. Also Versuch mit einer mobilen Garage: Ich habe mir einen Deckelanhänger gekauft, der in der Nähe einer S-Bahnstation stehen sollte. Damit könnte man das VM auch in den Urlaub mitnehmen. Das Velayo passt da genau rein, der Hänger ist abschliessbar (aktuell steht er im Winterquartier in der Tiefgarage). Das hat eigentlich ganz gut funktioniert, aber leider muss man sich in Berlin um Vandalismus und Diebstahl Sorgen machen, und ich hatte auch nicht immer Lust, den Anhänger alle 2 Wochen umzuparken (was vorgeschrieben ist, wenn er auf einer öffentlichen Straße abgestellt wird). Aber für alle, die eigentlich einen für das VM zu langen Arbeitsweg haben und evtl. das VM mit in den Urlaub nehmen wollen, wäre das vielleicht eine Alternative, bevor das VM ganz aufgegeben wird….
Da die direkte Strecke auch durch den Grunewald führt und zu später Stunde auch Wildschweinrotten gerne mal den Weg kreuzen können, habe ich auch eine alternative Strecke durch Wohnstraßen getestet, die mich in die Nähe einer U-Bahnstation führt. Ich habe mir dort einen Tiefgaragenplatz von privat gemietet. Ca. 15 km fahre ich VM, dann U-Bahn bis in den Wedding. Damit geht es ganz gut. Davor hatte ich noch bei einer Parkhauskette angefragt, ob man das VM in der Tiefgarage parken dürfte, wenn man Dauerparker ist. Das wurde nicht gestattet, da – so die Begründung - für das VM keine KfZ-Haftpflichtversicherung besteht.
Ich fahre in der kalten Jahreszeit mit dem Regenkragen, so dass nur der Kopf rausschaut. Das Versatile-Dach habe ich nicht geordert und vermisse es bisher auch nicht. Ein Multifunktionstuch hält die Ohren warm, als Helm habe ich folgenden entdeckt:
Der Sitz ist ziemlich flach eingestellt und der Kopf deshalb nahe am Nachlaufkörper, da hat mich ein hinten spitzer Rennradhelm gestört. Bei Nieselregen oder Regen muss ich die Scheibe am Velayo wegnehmen, sonst sehe ich nichts. Bewährt hat sich eine Weste mit vielen Taschen vorne für den Kleinkram (Schlüssel, Mobiltel, Geldbörse, BVG-Karte). In der U-Bahn ziehe ich dann noch eine Regenjacke über, damit man nicht so sieht, wie verschwitzt ich bin.
Sehr zufrieden bin ich mit den Scheibenbremsen. Auch bei Regen hervorragende Bremswirkung, aber bei Regenwetter sind die Slicks bei Vollbremsungen überfordert, wie sie immer wieder bei Rechts-vor-links-Kreuzungen notwendig werden. Ich habe dann für die kalte Jahreszeit auf Marathon Racer EVO HD gewechselt und bin damit sehr zufrieden. Die Michelin-Slicks hatten einige tiefe Schnitte, und ich hatte großes Glück, dass ich bisher keinen Platten hatte.
Während der Schlauchwechsel bei den frei zugänglichen Vorderrädern unkritisch ist, müssen bei der Hinterradlenkung das Kugelgelenk der Panzerlenkung (ist nur ein Sicherungssplint) und die Hinterradaufnahme an einer Seite (zwei Inbusschrauben) gelöst werden. Deshalb habe ich mir ein paar GAADI-Schläuche zugelegt (offener Schlauch mit zwei Enden, gibt’s auch in 26´´), damit ich bei einem Platten nicht groß rumschrauben muss und bei eingebautem Rad den Schlauch wechseln könnte. Den kaputten Schlauch würde ich im Falle einer Panne zerschneiden.
Als ich bei Marcus war, durfte ich sein Pinion-Velayo-Prototypen probefahren. Es regnete stark, Marcus hatte Slicks drauf, also ideale Bedingungen zum Testen der oft bemängelten Traktion des Velayo. Die Traktion des Pinion-Velayo (Antrieb auf beide Vorderräder) war bei Nässe schon beeindruckend, die Schaltung ist super und man kann auch im Stand schalten. Die Übersetzungsstufen sind schön gleichmäßig und sequentiell geordnet und nicht durcheinander wie bei der Kettenschaltung. Es macht ein wenig Krach beim Treten (so ein mahlendes Geräusch), aber ich fand das – im Gegensatz zu Marcus – nicht störend. Marcus hat die Entwicklung wegen der Kosten (+ mind. 1500 Euro), des Gewichts (+ 2 kg) und wohl auch wegen der Geräuschentwicklung gestoppt. Wenn es angeboten worden wäre, hätte ich es wahrscheinlich bestellt.
Bei dem ersten Velayo habe ich Drehgriffe, bei denen ich im Sommer oft Probleme mit Schweißhänden und rutschigen Griffen hatte; am roten Velayo habe ich Lenkerendschalthebel, die wesentlich besser sind. Irgendwann werde ich auch das erste Velayo auf Lenkerschalthebel umrüsten…
Ich suche gezielt nach Nebenstraßen ohne Radweg, sehr gut finde ich die Radstreifen im Südwesten von Berlin. Ich fahre deutlich schneller als mit dem Faltrad, es gibt nur wenige Rennradler, die auf freier Strecke mit dem Velayo mithalten können, obwohl ich nur mäßig trainiert bin. Hier wird das Velayo ziemlich unterschätzt. Allerdings benötigt das Drumherum (Vorbereitung bis man losfahren kann, abstellen in der Tiefgarage, Umstieg in U- oder S-Bahn, Umwege für VM-taugliche Streckenführung) auch Zeit, so dass ich in der Summe auf dem Arbeitsweg kaum schneller bin als zuvor mit dem Faltrad. Aber es macht viel mehr Spaß! Und ich fahre auch bei Regen und bis vor kurzem auch in der kalten Jahreszeit. Das VM lasse ich aber stehen, wenn ich dafür nicht genug Zeit habe, bei Schnee / Eis und wenn – wie leider aktuell - die Dusche am Arbeitsplatz kaputt ist.
Das Gepäckfach ist relativ groß, aber man muss kleine Päckchen packen, die zwischen den Gitterstreben durchpassen. Der Sitz muss dazu nach vorne geklappt werden. Die Sitzarretierung finde ich etwas unpraktisch und benötigt zum sicheren Einrasten eigentlich eine gute Sicht auf die Nut, in die die Bolzen an den Schienen eingehängt werden (schwierig bei Dunkelheit).
Die Reaktion von Autofahrern ist ganz überwiegend freundlich, bisher wurde ich nicht geschnitten oder gefährlich überholt, ich werde auch oft von Passanten angesprochen, und die Resonanz ist durchweg positiv. Von der Polizei wurde ich noch nicht angehalten, obwohl ich schon sehr oft einer Polizeistreife begegnet bin.
Mit dem Auto verfahre ich rund 120 Euro an Sprit im Monat für den Arbeitsweg, fürs VM zahle ich knapp über 60 Euro Miete für die Garage. Dauerkarte für öff. Verkehrsmittel habe ich sowieso. Pro Tag verliere ich etwa 1 bis 1,5 Stunden auf dem Weg zur / von der Arbeit mit der Kombination VM / U-Bahn gegenüber der Autofahrt, wenn kein Stau ist. Dafür haben sich ein paar auffällige Blutwerte normalisiert, über das Gewicht führe ich nicht Buch, aber ich habe bestimmt schon das eine oder andere Kilo verloren. Inzwischen komme ich mir etwas bescheuert vor, wenn ich für < 80 kg (ich und Klamotten), die bewegt werden müssen, über 2,6 to (VW-Bus T5) bewege. Leider muss ich derzeit pausieren, da ich es mir auf der Arbeit nicht erlauben kann, verschwitzt zu sein (Dusche kaputt).
Mein subjektives Fazit zum Velayo:
Pluspunkte:
- 1. Aufgrund der Größe wurde ich bisher nicht übersehen, was m. E. bei unerwartet niedrigen Fahrzeugen wie den schnellen VM durch die selektive Aufmerksamkeit von Autofahrern eher möglich ist. Autofahrer halten respektvoll Abstand. Sitzposition so hoch wie in einem typischen PKW.
- 2. Bodenfreiheit.
- 3. hohe Fertigungsqualität und excellente Unterstützung durch MvdW.
- 4. Design (polarisiert, deshalb auch als Minuspunkt aufgeführt).
- 5. Sehr gute (Scheiben-)Bremsen!
- 6. sehr leise aufgund der kurzen Antriebskette, komplett vor der Witterung geschützter Antrieb.
- 7. viel Platz für Gepäck.
- 8. Alu-Space-Frame: Anbauten von Navi / Handy etc sind einfach zu lösen.
- 9. Sinnvolles Zubehör (Regenkragen, Stoffgarage, Blinker, Beleuchtung, Werkzeug- und Trinkflachenhalter am Rahmen, am Rahmen befestigte kleine Seitentaschen für Akkus).
Minuspunkte:
- 1. Sitzarretierung fummelig.
- 2. Design (polarisiert, s.o.).
- 3. Schlauchwechsel bei Panne am Hinterrad relativ aufwendig (aber Lösung: GAADI).
- 4. Schaltung schlecht zugänglich bei erforderlicher Nachjustierung (eine Wartungsklappe wäre schön).
- 5. Groß (Mitnahme in der Bahn / S-Bahn nicht möglich, passt nicht in jedes Auto, auch ein T5 mit kurzem Radstand ist zu klein, Lösung: Anhänger).
- 6. Für moderne VM relativ schwer (ca. 32-33 kg mit Licht- / Blinkerpaket).
- 7. Traktion bei einseitigem Vorderradantrieb bei Nässe, in Linkskurven und beim Anfahren eingeschränkt. Im Alltagsbetrieb aber – wenn es mal rollt – kein Problem. Problematisch finde ich das Fahrwerkskonzept bei glatter Fahrbahn, da das einzige lenkende Hinterrad ausbrechen kann und diese Situation von ungeübten Fahrern kaum zu kontrollieren ist.
- 8. Wendekreis relativ groß.
- 9. Für manche (nicht benutzungspflichtige) Radwege zu breit.
Allen eine gute Fahrt,
Eckart