AW: Überlegungen zur Zeitmessung bei Veranstaltungen
Hallo zusammen,
zu dem Thema kann ich, glaube ich, etwas beitragen. Ich helfe seit Jahren ehrenamtlich in unserem Rad- und Motorsportverein. Der Motorsportteil des Vereins ist im wesentlichen eine Kartbahn, auf der wir rund vier (nationale und internationale) Kartrennen im Jahr veranstalten mit jeweils 50..180 Teilnehmern. Bei Rennkartanlässen beauftragen wir immer professionelle Zeitnehmer. Die Zeitnahme für den Leihkartbetrieb machen wir selber.
Professionelle Zeitnehmer im Kartsport (z.B.
www.camp-company.de - die Jungs sind wirklich gut!) nutzen nach meiner Erfahrung ausschließlich kommerzielle, proprietäre Software wie zum Beispiel "Orbits 4" der Firma MyLaps (ehemals AMB), die bezahlt werden muss, was je nach "business case" teuer werden kann. Wenn ich richtig beobachtet habe verwendet Gerard Ahrens (hoffentlich hab' ich den Namen richtig geschrieben) das Programm RentiX ebenfalls von AMB. Dieses Programm nutzen wir (in einer älteren Version) für den Leihkartbetrieb auch. Es wird kostenlos verteilt, ist proprietär, ohne weitere Dokumentation und man bekommt keinen Support. Der Funktionsumfang ist eingeschränkt und deckt nur den einfachsten Standardfall ab (eine Klasse pro "Heat" usw...). Als wir einmal eine spezielle Wertung für ein Leihkartrennen brauchten, die unsere Version von RentiX nicht bietet, habe ich mir die Sache mal genau angeschaut, weil für uns der Kauf eines leistungsfähigeren Programms wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
Die Zeitnahmeanlage der Firma MyLaps besteht aus drei Kernkomponenten. Es sind dies die Kontaktschleife, die bei unserer Kartbahn unterirdisch und fest verlegt ist und bei Radrennen gerne auf den Asphalt gelegt und mit Klebeband gesichert wird. Daran angeschlossen ist der sogenannte "Encoder", das wichtigste Teil überhaupt, und natürlich haben wir noch pro Fahrzeug einen Transponder. Am Encoder hängt normalerweise irgend ein PC, auf dem das Zeitnahmeprogramm läuft. Optional kann man an den PC noch eine Anzeigetafel anschließen, die vom Zeitnahmeprogramm gefüttert wird.
Die technische Brisanz der Anlage liegt im Encoder. Hier wird detektiert, ob und wann ein Transponder die Kontaktschleife zum Schwingen bringt und es wird Phasenlage und Kennung des Transponders erfasst. Das ganze ist technisch so anspruchsvoll, dass ich mir nicht zutrauen würde, so etwas zu entwickeln. Der Encoder bestimmt auch die Zuverlässigkeit der ganzen Anlage, denn jede Durchfahrt wird gespeichert und kann auch noch nachträglich vom PC aus ausgelesen werden. Die Schnittstelle zwischen Encoder und PC ist RS232 oder Ethernet und das Protokoll kann relativ leicht durch "reverse engineering" entschlüsselt werden. Im Netz gibt es entsprechende Angaben. Für die Schnittstelle zur Anzeigetafel haben sich in den letzten Jahren im Motorsport ebenfalls gewisse Standards etabliert. Auch diese Protokolle können, soweit mir bekannt, relativ einfach entschlüsselt werden.
Ich selber habe ein Zeitnahmeprogramm geschrieben, das die Datenpakete vom Encoder entgegennimmt, den Stand des Rennens/Zeittrainings am Bildschirm darstellt und auch eine Anzeigetafel ansteuert. Dieses Programm kann ich gerne mitsamt Quellcode zur Verfügung stellen.
Im Kartsport geht der Trend dahin, dass jeder Fahrer seinen eigenen Transponder kauft oder mietet und ganzjährig am Fahrzeug lässt. Auf vielen Kartbahnen sind Kontaktschleifen und Encoder installiert und ständig online, so dass jede Durchfahrt irgend eines Transponders an einen zentralen Webserver geschickt wird (wozu eine geringe Bandbreite ausreicht). Fahrer können dann jederzeit alle Rundenzeiten einsehen und haben automatisch immer eine sehr professionelle Zeitnahme außerhalb von offiziellen Anlässen.
Anzeigetafeln werden in verschiedenen Größen und Ausführungen kommerziell angeboten, sind aber meines Wissens recht teuer im Vergleich zum Rest der Anlage. Auch sind Auf- und Abbau bzw. Instandhaltung recht aufwändig. Mein Eindruck ist, dass zumindest im Kartsport mehr auf die webbasierte Ergebnisverteilung gesetzt wird (geht per Smartphone ja auch recht elegant), evtl. ergänzt um einen "Zeitnahmemonitor" und Anzeigetafeln eher rückläufig sind.
etfl