Warum gibt es andauernd neue Velomobile?

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Als Mitleser und noch-Triker bin ich zwar erfreut über die Erfindungsgabe und Innovationsfreude der Velomobil-Szene, aber nach einem Blick auf die Bestellisten und Produktionslisten, die ja teiweise mit herzerweichender Transparenz offengelegt werden, erhaschen mich doch einige Zweifel:

Angesichts der horrenden Kosten so eines Fahrzeugs sollte man doch meinen, daß nach einigen Dutzend gebauten Exemplaren die Selbstoptimierung der Produktionsprozesse greift (Ich kenne das aus dem Industriepumpen-Kleinserien-Bau: Die ersten handgedengelt mit riesen Verlusten, die ersten paar Dutzend unter Semi-Serienbedingungen nach Weissagungen einiger erfahrener Mitarbeiter halbwegs mit schwarzer Null zusammengefrickelt; aber dann, irgendwann, findet der Laminierer ganz von allein 'raus, daß es eine Viertelstunde schneller geht, wenn er dies und das tut... kurz darauf findet der Kommissionierer heraus, daß man eine halbe Stunde spart, wenn man jenes weglässt und durch dieses ersetzt... irgnedwann merkt man, daß man durch Zukauf eines Spezialwerkzeugs nochmal unaufwendig Zeit sparen kann... letztendlich optimiert sich der Prozess, getrieben durch "kreative Faulheit" der Mitarbeiter, ganz von allein. Die dreihundertste Pumpe hat dann nur noch die halbe Arbeitszeit gekostet wie die hundertste, ganz ohne Controller und Fertigungsplaner und Chef-Druck, der dann den Preis senkt, und ruckzuck ist man -ohne es gewollt oder geplant zu haben- bei der 1000sten Pumpe, die dann nur noch ein Drittel kostet).

Bei Euren geilen Velomobilen aber: immer dann, wenn die Fertigungsoptimierung der Stückzahl gemäß nahe liegt, wird das Folgemodell angekündigt, und prompt brechen die Bestellzahlen für das Bestandsmodell von einem Jahr aufs nächste um die Hälfte ein und das neue Modell schießt bestellmäßig hoch, nur um drei Jahre später dem gleichen Schicksal zu erliegen. Kaum gibt es für das letzte Modell die geeigneten Federungs-Elastomere, kaum die ersehnte Armlehne oder die verstärkte Lagerhülse, kommt schon aus dem gleichen Rennstall das nächste Modell.

Sicher kein Problem, sofern man die High-End-Kundschaft (die sowieso alles Neue sofort bestellt) mit den jeweils geilsten Modellen bestücken möchte.

Aber für die (gewünschte?) stärkere Verbreitung der Velomobile ist das doch eher kontraproduktiv, oder nicht? Ist es nicht besser, sechshundert 97%ige Velomobile für 6000€ zu fertigen (von denen man dann auch mal eine Armada von 5 identischen Exemplaren auf Verdacht in einen großen Radladen stellen könnte), als 100 98%ige für 11000€, nur um zwei Jahre später wieder 100 99%ige für 12000€ auf Miniserie zu legen, dazu noch mit einer Apotheke an Individualisierungs-Optionen? Die Performance-Unterschiede, die zu Beginn meines Mitlesens vor 11 Jahren ja noch ziemlich gewaltig waren, schrumpfen doch immer mehr auf marginale Fortschritte zusammen!

Sicher wird jeder der Beteiligten selbst schon 100mal länger darüber nachgedacht haben als ich - in den Firmen sitzen ja sicher auch Kaufleute, und nicht (wie bei Borgward) nur Ingenieure; die ganzen Threads um diese oder jene Verbesserungswürdigkeit habe ich als technik-affiner Physiker ja auch immer mit größter Bewunderung verfolgt. Aber so ganz erschließt sich mir dieses Geschäftsmodell dann eben doch nicht.

Oder hat man sich insgeheim damit abgefunden, daß es - wie bei Hornlautsprechern oder mechanischen Armbanduhren - nur soundsoviel Kunden gibt, und man weitere auch ohne Fertigungsrationalisierung nicht gewinnen würde, oder man sogar die Stammkundschaft duch ein solches Vorgehen verlöre?
 
Das ist was der Kunde mag, jedes Jahr ein neues Handy für 1000€
 
Ist es nicht besser, sechshundert 97%ige Velomobile für 6000€ zu fertigen (von denen man dann auch mal eine Armada von 5 identischen Exemplaren auf Verdacht in einen großen Radladen stellen könnte), als 100 98%ige für 11000€,
Jetzt weißt du warum ich Quest fahre denn es ist in all den Jahren immer weiter entwickelt worden und selbst heutzutage bekommt man noch alle Ersatzteile.
 
Wenn durch das ständige Nachschieben neuer Modelle, die vorherigen Modelle zu etwas geringeren Preisen auf dem Markt verfügbar werden, ist das doch auch gut.

Ich begrüße die Weiterentwicklung sehr. Die Geschwindigkeit ist nicht ja das einzige Optimierungsziel.
 
der Wendekreis vom "warmen" VM (warum?) zum smartphone war hier kleiner als der Wendekreis eines Milan...
Also lenk ich mal zurück und werf in die Runde folgende Meinung: der Kreis der Interessierten ist dermassen klein, dass es ständige Neuauflagen nicht weiter stören... zu größerer Stückzahl und größerer industrieller Produktion werden VMs gelangen, wenn es kaum mehr Autos da draussen geben wird (würde)
 
...und für ganz ganz wenige ist es bis jetzt ein Geschäftsmodell, es wird links und rechts überholt von Lastenrädern, velocar Konstruktionen usw., die dadurch auch mehr Erfolgspotential haben, weil sie auf breitere Zustimmung und Lust in der Bevölkerung stossen.
 
Weil die Entwickler (und Nutzer) Verbesserungspotenzial in den alten / aktuellen VMs sehen.

Natürlich könnte man natürlich auch einfach nur die alten Modelle weiterproduzieren - daraus ergäben sich aber folgende Probleme:

1. Die Nachfrage für neue VMs würde stark sinken - v.a. weil ein Umstieg auf ein besseres (weil überarbeitetes) VM als Neuanschaffungsgrund wegfiele. Und VMs halten (zum Glück) i.d.R. Etliche Jahre…
2. Daraus ergäbe sich, dass der Gebrauchtmarkt schlimmstenfalls komplett zusammenbrechen würde, weil deutlich weniger Gebrauchte auf den Markt kämen (im Verkaufsforum ist Umstieg wohl der häufigste Verkaufsgrund). Zugleich würden die Gebrauchtpreise zumindest kurz-/ mittelfristig steigen - was viele potenziell Interessierte vom Einstieg in die VM-Welt abchrecken dürfte.
3. Es dürften weniger VMs auf den Straßen unterwegs sein - weil zu 1. und 2. auch noch dazu kommt, dass ältere Modelle weniger Konkurrenzfähig mit S-Pedelecs, … und AUTOS (!) sind. Neue Technologien bringen Effektivitätspotenzial mit sich, neues Design kann zeitgemäßen Anforderungen besser entsprechen - Folge: Zusätzlicher Wegfall der Einsteiger mit lockerem Portemonaie, die v.a. von Technologie / Design / angezogen sind und entweder direkt en neues Modell (oder zumindest ein nur ein paar Jahre hinter dem aktuellen Stand der Dinge einzuschätzendes VM) kaufen würden.

Das kann wirklich keiner (!) wollen….

Der Vergleich mit Handys hinkt, weil bei den Smartphones die Anforderungen (an Rechenleistung, Speicherplatz) durch die Produzenten / Konsumenten immer weiter steigen und “alte“ Handys recht schnell nicht mehr voll funktionsfähig sind. Mir wäre neu, wenn irgendein VM-Entwickler / -Produzent es auf eine kurze Lebensdauer seines Produktes abgesehen hätte…. Dürfte sich meiner Meinung nach sehr negativ auf seine berufliche Zukunft auswirken.


Edit: Der Trabant war beispielsweise irgendwann mal zeitgemäße Technik - bis den Ingenieuren die Weiterentwicklung untersagt wurde….
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe in den letzten 5 Jahren keine wirkliche Weiterentwicklung.
Um das beurteilen zu können, fehlt mir Fachwissen und Einblick. Sofern dem so wäre, stellt sich mir die Frage, inwiefern die bestehenden Konzepte noch Spielraum für wirkliche (!) Weiterentwicklung bieten. Zumindest einem Teil der Foristen scheinen die Weiterentwicklungen noch Argument genug für die Anschaffung eines neuen Modells.
Ich persönlich muss als „Alltags-VMler“ (!) sagen, dass ich den Milan GT MK5 bei einer Testfahrt nicht so weit von meiner auf Alltag getrimmten QUest erlebt hätte, dass ich damit meiner Familie gegenüber eine Anschaffung hätte vertreten wollen (die Geschwindigkeitsbereiche, wo diese Unterschiede stechen, erreicht Otto Normalverbraucher halt selten bis nie).
Aber wenn ich einen Wunsch frei hätte, sähe das ganz anders aus - und die Optik ist dabei (zu meiner Schande) nicht ganz unwichtig….
 
Semi-Serienbedingungen nach Weissagungen einiger erfahrener Mitarbeiter halbwegs mit schwarzer Null zusammengefrickelt; aber dann, irgendwann, findet der Laminierer ganz von allein 'raus, daß es eine Viertelstunde schneller geht, wenn er dies und das tut... kurz darauf findet der Kommissionierer heraus, daß man eine halbe Stunde spart, wenn man jenes weglässt und durch dieses ersetzt... irgnedwann merkt man, daß man durch Zukauf eines Spezialwerkzeugs nochmal unaufwendig Zeit sparen kann...
Du überschätzt die Optimierungsmöglichkeiten im Fertigungsprozess deutlich. Das ist weitgehend Handarbeit und auch nicht sinnvoll automatisierbar. Und die Kosten sind im Wesentlichen die Fixkosten für den Bau der Form, plus die laufenden Kosten – letztere kann man durch Effizienzsteigerungen wohl nur um wenige Prozent senken, und das wird dann von den üblichen Kostensteigerungen aufgefressen. (Preiserhöhungen sind ja sehr selten; VMs werden oft viele Jahre für den selben Preis angeboten, obwohl die Preise der Rohmaterialien und die Gehälter steigen.)
 
warm sind Velomobile schon, können auch kalt sein.
Ich finde es gut das neue Modelle auf den Markt kommen, siehe Snoek für kleine Leute und Alpha9 für sehr große Leute, das gab es ausser das Quest xs noch nicht, und beim Alpha 9 sind viele Punkte verbessert so das auch ein Velomobil mit geschlossene Radkasten die Vorteile eine mit offene hat (schneller Radwechsel oder besser zur Bremse kommen)
Das mit den Preis, ist ja auch den Einkauf und Entwicklung dieser Komponente Mitschuld. Teilweise sind Teile gar nicht zu bekommen oder erst in langer Zeit wieder lieferbar, dann muss man weiter entwickeln.
 
Das ist allgemein das Problem der Fahrradindustrie. Jedes Jahr bringen sie ihre neuen Modelle heraus und die alten Fahrräder sind plötzlich nicht mehr der Stand der aktuellen Technik. Was natürlich Blödsinn ist, in so vieler Hinsicht. Wirklich große "Verbesserungen" finden dabei selten statt. Nur ziemlich kleine, wenn man kritisch hinschaut. Doch werden gerade diese natürlich als der große Wurf beworben. Also muss das Alte weg und dem Kunden durch geschicktes Marketing impliziert, dass er nur gut Fahrrad fahren kann, wenn er sich jetzt sofort Fahrrad xy oder Teil z kauft.
Auch ist auf diese Weise eine Ersatzteilversorgung über Jahre hinweg kaum möglich, weil sich kein Hersteller die jedes Jahr geänderten Komponenten in ausreichender Kapazität auf Lager legen kann. Was ich leider in schöner Regelmäßigkeit meinen Kunden beibringen muss.
Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Hersteller ihre Modelle pflegen und weiterentwickeln. Bitteschön, immer weiter damit. Das erachte ich viel besser, als in kurzen Abständen neue auf den Markt zu werfen. Auf solch eine Weise, kann nicht nur wirtschaftlicher produziert, sondern die Technik wirklich weiterentwickelt werden, was schlussendlich dem Kunden zu Gute kommt. Aber, das wird in dieser Branche nicht passieren! Auch kleine Hersteller unterwerfen sich diesem Dogma, wozu natürlich auch die VMler gehören. Nach vielen Gesprächen, über Jahre hinweg, wo ich auf dieses Vorgehen aufmerksam machte, glaube ich nicht mehr, dass sich daran noch etwas ändern wird.
 
Wie oft kommt denn schon ein wirklich neues Modell auf den Markt? Quest und Alleweder gibt es seit Jahrzehnten und werden nur iterativ verbessert, der Milan nicht so lange, aber gleiches Vorgehen. (Hier wurden sogar die Optionen Panzerlenkung und hinten ungefedert gestrichen, um die Produktion zu vereinfachen.) Der Daniel Fenn schmeißt zwar mit Modellen um sich, Alpha 7, After 7, Alpha 9, aber ddie Bauen ja auch aufeinander auf und verarbeiten gelerntes und streben unterschiedliche Stärken an. Ansonsten haben wirbdas Quattrovelo: Das hat nun wirklich ein sehr starkes Alleinstellungsmerkmal und ist eine wertvolle Erweiterung der Produktpalette. Das Snoek? Sollte eigentlich gar kein Serienmodell werden, aber "wir" wollten es unbedingt haben, weil es das einzige für kleine Menschen ist. Ich sehe also nicht wirklich ein Modell, was nicht irgendwo seine eigene Ecke des Marktes bedient oder wenigstens in dieser Ecke eine zweite Option bietet.
Ansonsten sind Velomobile in großem Maße von Enthusiasten für Enthusiasten und die Einen wollen ihre Schätzchen ständig verbessern, die anderen wollen ständig das neueste, beste. Ich selber habe ja auch das Geld für ein Alpha 7 ausgegeben, obwohl ein DF sicher auch funktioniert hätte. :censored: - Und wie gesagt wird das DF ja weiter produziert.
Und irgendwo muss es auch Innovation geben. Gäbe es weiterhin nur die Klasse der Alleweders, aber günstiger, hätte ich den Umstieg gar nicht (dauerhaft) gemacht, weil der Preis für mich nicht sooo Ausschlag gebend ist. Dass der Markt an abgelegten Spitzenmodellen und nach unten durchsickernd dann auch gebrauchten älteren Normalmodellen die Zugänglichkeit verbessert, ist wohl auch gegeben. Das günstige alte Quest für jemanden, der sich auch ein Quest nicht neu leisten kann, wurde nur frei, weil sich jemand einen alten Milan gekauft hat, der nur frei wurde, weil sich jemand einen neuen Milan gekauft hat.

Naja und es kam ja auch schon die Einschätzung, dass sich da nicht soooo viel optimieren lässt, gerade etwas, was sich nicht auf neue (aber oft ähnliche) Modelle auch übertragen lässt.
 
Citius, altius, fortius

Immer diese Warm-Frage. Warm, warm, warm haben schon die alten Philosophen in der Raum gestellt.
Eines Thema für den Sonntag.
Aber im Ernst, diese Frage kommt hier immer wieder hoch.
Vielleicht einerseits ein Luxusproblem, kann ich nicht noch ein paar Gramm einsparen (müsste es Grad heißen der Fragestellung entsprechend?) und einen steiferen Antrieb haben, um schneller fahren zu können oder mehr oder weniger Platz usw. Wartungsfreundlichere Zugänge, bessere Sitzaufhängungen, schönere Aussenspiegel. Ja warm muss ich das alles haben?
Manche sagen nein und fahren ihr Leben lang ein Quest oder A2, andere sagen ja und kaufen jedes Jahr ein neues VM und verscherbeln ihr altes.
Weil sie es können, weil sie es wollen, weil sie es brauchen. So ist unsere Welt lieber @dudeldi. Warm entwickeln Physiker auch immer weitere Theorien und Modelle der Welt? Unsere Probleme und Freuden bleiben doch trotzdem die gleichen - Beziehung, Streit, Anerkennung.

Der zweite Platz ist der erste Verlierer.
Ich lerne aus meinen Fehlern, deswegen mache ich immer wieder neue.
Uns halten nur die Grenzen, die wir uns selbst setzen.
 
z.B. Strada und Mango sind schon lange auf dem Markt, aber (noch) weit entfernt davon, nur noch 1/3 zu kosten wie deine 1000ste Pumpe. Der Käufer eines 'neusten Modells' muss gar nicht sehr viel mehr hinblättern, und, vielleicht: Weil sowieso alle VMe aus derselben Produktion kommen, kommen effinzientere Produktionsabläufe allen gleichermassen zugut. Man scheint sich z.B. auf die DF Schwinge als Standard zu konzentrieren.
 
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