Nachdem ich mein Liegerad im Sammelthread gezeigt habe, komme ich hier dem Wunsch nach, etwas auf die Details einzugehen.
Ein guter Freund überraschte mich Anfang der 90er mit seinem langen Eigenbauliegerad. Ich musste natürlich sofort damit fahren und fand es prima. In der Folge baute besagter Freund alles mögliche an Liegeräder wie lange, kurze, mit 2 Rädern, 3 Räder und sogar ein "Familienrad" mit 4 Räder. Hinzu gesellte sich noch ein Kollege, der ebenfalls dem Thema Liegerad zugeneigt war und gerade dabei war, ebenfalls einen Kurzlieger zu bauen. Also ließ ich mich nicht lumpen und kündigte ebenfalls den Bau eines Liegerads an, quasi als selbsterfüllende Prophezeiung
Es gab nicht wenige, die behauptet haben, daß das Ding sowieso irgendwann in der Ecke landen würde...
Im Herbst '96 ging es mit der Planung los. Für mich stand fest, daß es ein vollgefederter Kurzlieger mit Untenlenkung werden soll mit einem Zwischengetriebe und hierzu koaxialer Schwingenlagerung um die Antriebseinflüsse auf die Hinterradfederung zu minimieren. Ausserdem ermöglicht ein Schaltwerk am Zwischengetriebe 3 Gangwechsel. Es wären auch 4 möglich gewesen, habe ich aber nie vermisst. Also ála Ostrad, die ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte.
Bei der Konstruktion galt es ausserdem die eigenen Möglichkeiten zu berücksichtigen. So sollte das Rad aus möglichst wenig Schweissoperationen bestehen.
So wurde daraus ein VA-Rohr 50x1,5 mit geschweisstem Tretlager- und Lenkrohr, der Rest aus Aluminium, wie Heckrahmen und Hinterradschwinge.
Die Schwinge ist genietet und geklebt, die Ausfallenden eingepresst und zusätzlich verschraubt. Das hält bis zum heutigen Tag einwandfrei.
Als Zwischengetriebe und Schwingenlagerung wurde eine Hinterradnabe verwendet aus der ich die Freilaufsperrklinke entfernte.
Es sitzt fornschlüssig im Heckrahmen und ist mit diesem vermietet.
Sitz, Federgabel und Lenker besorgte ich mir bei den noch ganz jungen HP-Velotech, die nicht weit von mir ihr Unternehmen gegründet hatten.
Als Kofferraum wurde der kleine von Novosport geordert. Ich weiss gar nicht mehr, wie ich zu dem Ding gekommen bin, Internet gab's da ja noch nicht so....
Leider setzte ich mit den 440er Räder auf das falsche Pferd, das wurde Jahre später auf 406er geändert.
Ein paar Wochen nach der Fertigstellung ging es auch zur HPV-WM 1997 in Köln.
Das war schon beeindruckend, was es dort neben den sportlichen Leistungen zu sehen gab:
Zox-Fronttriebler, alltagstaugliche Ultratieflieger, tolle, mit einfachsten Mitteln hergestellte Eigenbauten etc.
Hier auch die Urfassung meines Liegerads, aufgenommen in Köln:
Stolz wie Oskar, musste ich dort dennoch Kritik einstecken: Die Wälzlager der Hinterradnabe seien ob der geringen Relativbewegung untauglich als Schwingenlagerung.
Der hohe Kofferraum sei schwerpunktmäßig und aerodynamisch ungünstig, auch optisch fragwürdig...
Naja... Ich fahre immer noch die gleichen Lager im Zwischengetriebe, funktioniert einwandfrei und das mit dem Heck ist Geschmackssache. Aerodynamisch hat er durchaus Vorteile, was ich insbesondere bei Seitenwind positiv zu spüren bekomme, da wird das Rad etwas angeschoben. Den hohen Schwerpunkt merke ich auch mit Gepäck nicht. Vielleicht habe ich mich auch nur daran gewöhnt? Die Optik relativiert sich mit Fahrer, stellt der Kofferaum doch eine einigermassen harmonische Verlängerung meines Oberkörpers dar. Und trotz Untenlenker lässt sich das Rad daran hervorragend schieben, auch um Ecken.
Nahezu unmittelbar nach Köln habe ich die Umlenkrolle durch eine kugelgelagerte Inlinerrolle ersetzt und das Kettenrad mit Bordscheiben versehen.
Hier ein späterer Stand, schon mit 406er Bereifung und besserer Vorderradbremse:
Später wurde die Gabel durch eine bessere mit Stahlfeder und Dämpferkartusche ersetzt, auch Nabendynamo (Son) und LED-Scheinwerfer fanden Einzug.
Das war dann der Zustand, den ich bis zum letzten Herbst fuhr.
Das Fastrax-Federbein war wieder mal fertig, der Heckrahmen als Folge von Umfallern gekrümmt, das machte eine längst überfällige Renovierung erforderlich.
Warum dann nicht auch die seit 20(!!!) Jahren im Keller liegenden und für ein anderes, nie begonnenes Liegeradprojekt angeschaffte Rohloffnabe und Magura HS33-Bremsen applizieren?
Dabei taten sich im wesentlichen folgende Herausforderungen auf:
Drehmomentabstützung für die Rohloffnabe erfinden.
Drehgriffschaltung wegen Untenlenker umbauen.
Anbindung der HS33 an die Hinterradschwinge, denn die Schwinge ist für eine Felgenbremse ála Shimano 105 ausgelegt.
Wie sich herausstellte, ist ein 60er Kettenblatt für die T&A- Kurbelgarnitur nicht mehr erhältlich. Die wollte ich aber wegen der kürzeren Kurbel unbedingt behalten.
Zum Glück bin ich mittlerweile mit Drehbank, 3D-Drucker und CNC-Fräse wesentlich besser ausgestattet, als vor 25 Jahren.
Hier ein paar Details:
Die Seilzüge der Rohloffnabe müssen in meinem Fall im Winkel von 11° abgehen um das Widerlegen zu treffen:
Dazu wurde eine die Drehmomentabstützung neu gemacht (das Ding aus VA):
Der Dregriff wurde mit einem Drehteil aus PA verlängert:
Für das Kettenblatt ein Adapter gefräst:
Und so auch für die Hinterradbremse:
Letztenendes waren Umbau/Renovierung kaum weniger Arbeit als der damaligen Neubau...
Man kann erkennen, daß ich den Heckrahmen und die untere Sitzbefestigung deutlich robuster ausgeführt habe. Das Rad ist deswegen und auch wegen Rohloffnabe, Bremsadapter, Nabendynamo 2kg schwerer geworden als die Urversion. Egal, da ich eh nicht leistungsorientiert sondern eher komfortbewusst unterwegs bin...
Zur Rohloffnabe kann ich noch sagen, dass sie je nach Fahrstufe sehr laut ist. Ich bin auch schon absolut leise Rohloffs in Uprights gefahren. Das mag wohl an meinem flächigen Rahmendesign liegen, das den Schall mehr abstrahlt....
So, das war's erstmal.
Gruss
Jürgen
Ein guter Freund überraschte mich Anfang der 90er mit seinem langen Eigenbauliegerad. Ich musste natürlich sofort damit fahren und fand es prima. In der Folge baute besagter Freund alles mögliche an Liegeräder wie lange, kurze, mit 2 Rädern, 3 Räder und sogar ein "Familienrad" mit 4 Räder. Hinzu gesellte sich noch ein Kollege, der ebenfalls dem Thema Liegerad zugeneigt war und gerade dabei war, ebenfalls einen Kurzlieger zu bauen. Also ließ ich mich nicht lumpen und kündigte ebenfalls den Bau eines Liegerads an, quasi als selbsterfüllende Prophezeiung
Es gab nicht wenige, die behauptet haben, daß das Ding sowieso irgendwann in der Ecke landen würde...
Im Herbst '96 ging es mit der Planung los. Für mich stand fest, daß es ein vollgefederter Kurzlieger mit Untenlenkung werden soll mit einem Zwischengetriebe und hierzu koaxialer Schwingenlagerung um die Antriebseinflüsse auf die Hinterradfederung zu minimieren. Ausserdem ermöglicht ein Schaltwerk am Zwischengetriebe 3 Gangwechsel. Es wären auch 4 möglich gewesen, habe ich aber nie vermisst. Also ála Ostrad, die ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kannte.
Bei der Konstruktion galt es ausserdem die eigenen Möglichkeiten zu berücksichtigen. So sollte das Rad aus möglichst wenig Schweissoperationen bestehen.
So wurde daraus ein VA-Rohr 50x1,5 mit geschweisstem Tretlager- und Lenkrohr, der Rest aus Aluminium, wie Heckrahmen und Hinterradschwinge.
Die Schwinge ist genietet und geklebt, die Ausfallenden eingepresst und zusätzlich verschraubt. Das hält bis zum heutigen Tag einwandfrei.
Als Zwischengetriebe und Schwingenlagerung wurde eine Hinterradnabe verwendet aus der ich die Freilaufsperrklinke entfernte.
Es sitzt fornschlüssig im Heckrahmen und ist mit diesem vermietet.
Sitz, Federgabel und Lenker besorgte ich mir bei den noch ganz jungen HP-Velotech, die nicht weit von mir ihr Unternehmen gegründet hatten.
Als Kofferraum wurde der kleine von Novosport geordert. Ich weiss gar nicht mehr, wie ich zu dem Ding gekommen bin, Internet gab's da ja noch nicht so....
Leider setzte ich mit den 440er Räder auf das falsche Pferd, das wurde Jahre später auf 406er geändert.
Ein paar Wochen nach der Fertigstellung ging es auch zur HPV-WM 1997 in Köln.
Das war schon beeindruckend, was es dort neben den sportlichen Leistungen zu sehen gab:
Zox-Fronttriebler, alltagstaugliche Ultratieflieger, tolle, mit einfachsten Mitteln hergestellte Eigenbauten etc.
Hier auch die Urfassung meines Liegerads, aufgenommen in Köln:
Stolz wie Oskar, musste ich dort dennoch Kritik einstecken: Die Wälzlager der Hinterradnabe seien ob der geringen Relativbewegung untauglich als Schwingenlagerung.
Der hohe Kofferraum sei schwerpunktmäßig und aerodynamisch ungünstig, auch optisch fragwürdig...
Naja... Ich fahre immer noch die gleichen Lager im Zwischengetriebe, funktioniert einwandfrei und das mit dem Heck ist Geschmackssache. Aerodynamisch hat er durchaus Vorteile, was ich insbesondere bei Seitenwind positiv zu spüren bekomme, da wird das Rad etwas angeschoben. Den hohen Schwerpunkt merke ich auch mit Gepäck nicht. Vielleicht habe ich mich auch nur daran gewöhnt? Die Optik relativiert sich mit Fahrer, stellt der Kofferaum doch eine einigermassen harmonische Verlängerung meines Oberkörpers dar. Und trotz Untenlenker lässt sich das Rad daran hervorragend schieben, auch um Ecken.
Nahezu unmittelbar nach Köln habe ich die Umlenkrolle durch eine kugelgelagerte Inlinerrolle ersetzt und das Kettenrad mit Bordscheiben versehen.
Hier ein späterer Stand, schon mit 406er Bereifung und besserer Vorderradbremse:
Später wurde die Gabel durch eine bessere mit Stahlfeder und Dämpferkartusche ersetzt, auch Nabendynamo (Son) und LED-Scheinwerfer fanden Einzug.
Das war dann der Zustand, den ich bis zum letzten Herbst fuhr.
Das Fastrax-Federbein war wieder mal fertig, der Heckrahmen als Folge von Umfallern gekrümmt, das machte eine längst überfällige Renovierung erforderlich.
Warum dann nicht auch die seit 20(!!!) Jahren im Keller liegenden und für ein anderes, nie begonnenes Liegeradprojekt angeschaffte Rohloffnabe und Magura HS33-Bremsen applizieren?
Dabei taten sich im wesentlichen folgende Herausforderungen auf:
Drehmomentabstützung für die Rohloffnabe erfinden.
Drehgriffschaltung wegen Untenlenker umbauen.
Anbindung der HS33 an die Hinterradschwinge, denn die Schwinge ist für eine Felgenbremse ála Shimano 105 ausgelegt.
Wie sich herausstellte, ist ein 60er Kettenblatt für die T&A- Kurbelgarnitur nicht mehr erhältlich. Die wollte ich aber wegen der kürzeren Kurbel unbedingt behalten.
Zum Glück bin ich mittlerweile mit Drehbank, 3D-Drucker und CNC-Fräse wesentlich besser ausgestattet, als vor 25 Jahren.
Hier ein paar Details:
Die Seilzüge der Rohloffnabe müssen in meinem Fall im Winkel von 11° abgehen um das Widerlegen zu treffen:
Dazu wurde eine die Drehmomentabstützung neu gemacht (das Ding aus VA):
Der Dregriff wurde mit einem Drehteil aus PA verlängert:
Für das Kettenblatt ein Adapter gefräst:
Und so auch für die Hinterradbremse:
Letztenendes waren Umbau/Renovierung kaum weniger Arbeit als der damaligen Neubau...
Man kann erkennen, daß ich den Heckrahmen und die untere Sitzbefestigung deutlich robuster ausgeführt habe. Das Rad ist deswegen und auch wegen Rohloffnabe, Bremsadapter, Nabendynamo 2kg schwerer geworden als die Urversion. Egal, da ich eh nicht leistungsorientiert sondern eher komfortbewusst unterwegs bin...
Zur Rohloffnabe kann ich noch sagen, dass sie je nach Fahrstufe sehr laut ist. Ich bin auch schon absolut leise Rohloffs in Uprights gefahren. Das mag wohl an meinem flächigen Rahmendesign liegen, das den Schall mehr abstrahlt....
So, das war's erstmal.
Gruss
Jürgen
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