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Hallo Zusammen,
nachdem ich hier seit langem mitgelesen habe möchte ich mich nun mit einem Erfahrungsbericht zu meinem Toxy ZR zu Wort melden. Wird wohl ein etwas längerer Beitrag…
Zu mir selbst: ich bin 38 Jahre alt, 175cm (Innenbeinlänge 83cm), 62 kg und einigermaßen sportlich (neben dem Radsport noch Laufen, Klettern und etwas Kraftsport). Mit meiner VO2max von 54 bin ich sicherlich kein Leistungssportler aber doch halbwegs im Training.
Auf dem Fahrrad gilt meine Leidenschaft den längeren Distanzen. 300 – 500km Non-Stopp sind meine Lieblingsdistanzen, es waren aber auch schon über 700km am Stück. Diese Touren bin ich alle mit meinem Up, einem Stevens Strada 900 gefahren, einem recht sportlichen Fitness-Bike, welches ich mit Gepäckträger und Dynamo-Lichtanlage etwas tourentauglicher gemacht habe.
Der Grund, warum ich auf ein Liegerad umgestiegen bin war, dass ich bei den langen Strecken auf dem Up immer wieder Probleme mit wundgescheuertem Hintern (trotz qualitativ hochwertigem und optimal eingestelltem Sattel), tauben Fingern und Nackenschmerzen hatte. Ich wollte mit dem Liegerad primär ohne diese Beschwerden und natürlich möglichst nicht langsamer als mit dem Up Langstreckentouren fahren. Auch die Aussicht etwas effizienter unterwegs zu sein (also mich bei ähnlicher Durchschnittsgeschwindigkeit weniger auspowern zu müssen) erschien mir verführerisch. Rekordverdächtige Spitzengeschwindigkeiten standen für mich nicht im Fokus.
Die Auswahl in Frage kommender Modelle wurde dadurch eingeschränkt, dass ich darauf angewiesen bin, die Liege in der Bahn oder dem Fernbus transportieren zu können. Ich habe nämlich keinen Führerschein und möchte bei der Tourenauswahl nicht auf die Umgebung meiner Heimat in der brandenburgischen Prärie beschränkt bleiben. Ein Velomobil schied damit von vorneherein aus, auch wenn meine übrigen Anforderungen sonst von einem Velomobil am besten abgedeckt würden.
Ich fahre bevorzugt auf Asphalt (Straße/Radweg) und mein Fokus liegt weniger im Hochgebirge als auf der Ebene. Kurze Kopfsteinpflaster-Abschnitte und einige Anstiege lassen sich natürlich nie ganz vermeiden.
Nach einigen Probefahrten mit unterschiedlichen Modellen verschiedener Hersteller fiel meine Wahl schließlich auf das ZR von Toxy. Kaufentscheidend waren unter anderem die angegebenen Leistungsdaten (erzielbare km/h pro Watt), das sichere Handling bei der Probefahrt (besonders im Vergleich zu Modellen mit Unterlenker) und auch die Möglichkeit einer Faltoption, was den Transport in Bus und Bahn noch unkomplizierter machen sollte.
Ich wollte mit meinem ersten Liegerad möglichst wenig Kompromisse eingehen, weshalb ich in den sauren (Preis)-Apfel biss und mir das ZR nach meinen Vorstellungen gebaut neu kaufte, anstatt es erst mal mit einem preiswerteren Gebrauchtrad zu versuchen. Ich entschied mich für die Faltrad-Option, Rahmen in Sonderfarbe lackiert, Rohloff-Schaltung, 70er Zahnkranz, SON-Nabendynamo, Lichtanlage, Durano-Reifen, Schutzbleche, Luftfederung uvm.
Bisher bin ich erst etwas über 1000km gefahren (arbeite im Gesundheitswesen, dank der Pandemie hatte ich dieses Jahr überschaubar wenig Freizeit…), trotzdem möchte ich ein erstes Fazit ziehen.
Vorweg muss ich noch sagen, dass das ZR mein erstes Liegerad ist und ein Teil meiner Erfahrungen daher nicht spezifisch für das Toxy sind, sondern wahrscheinlich für alle Liegeräder oder zumindest Tieflieger gelten. Die erfahrenen Liegeradler hier im Forum mögen mit einem wohlwollenden Lächeln darüber hinwegsehen
Meine Erfahrungen nach 1000km sind ziemlich gemischt:
Positiv:
Das Design ist sehr ansprechend. Das Toxy ZR ist einfach ein traumhaft schönes, elegantes Rad.
Das Handling mit dem Aero-Lenker ist auf gutem Untergrund und in normaler Reisegeschwindigkeit intuitiv und sicher. Die Umgewöhnungszeit vom Up war dementsprechend kurz.
Das Fahrgefühl, wenige Zentimeter über dem Asphalt ist einfach genial.
Der Sitz ist sehr bequem. Bisher hatte ich keinerlei Probleme mit wundgeriebenen Stellen. Auch die Taubheit in den Fingern gehört jetzt der Vergangenheit an. Nackenverspannung tritt noch vereinzelt auf, aber im Vergleich zum Up nur noch minimal.
Die Kurvenlage ist richtig „satt“. Es macht riesig Spaß, sich mit dem Körper soweit in die Kurve zu legen, dass der Ellenbogen fast den Boden berührt.
Der Wendekreis ist natürlich nicht mit einem Up zu vergleichen, aber im Alltag absolut in Ordnung.
Die Beschleunigung beim Antritt hat mich positiv überrascht. Trotz des höheren Gewichts startet das ZR flott los. Wenn man den Rücken in die Liege presst bekommt man ordentlich Kraft auf die Pedale. Die Kraftübertragung fühlt sich sehr direkt an. Das ist wohl der Vorteil des Vorderradantriebs.
Das Fahren fühlt sich sehr sicher an. Durch die tiefe Sitzposition kann ich, wenn ich beim Bremsen mal nicht rechtzeitig aus den Klickpedalen komme einfach die Hand auf den Boden aufsetzen und so ein Umkippen verhindern. Wobei ein Kippen bei der niedrigen Sitzhöhe eher ein Problem für den Lack wäre, kaum für den Fahrer. Die hydraulischen Scheibenbremsen beißen richtig gut. Bei Gefahrenbremsung verhindern die Sitzposition, dass ich aus dem Sitz nach vorne fliege. Die Füße auf den Pedalen bremsen den mittels Fliehkraft weiter vorwärtsstrebenden Körper zuverlässig ab.
Der Schulterblick ist angesichts der niedrigen Sitzposition erstaunlich problemlos. Vorm Abbiegen richte ich mich etwas auf und kann dann gut über die Schulter schauen.
Neutral:
Der Blick nach vorne ist nicht ganz so Panoramahaft wie bei höheren Rädern mit Unter-Lenker, da der Aero-Lenker in etwa auf Kinn-Höhe steht. Andererseits habe ich dadurch das Navi beim Blick nach vorne immer voll im Blickfeld ohne den Kopf wenden zu müssen.
Das Steigungen nicht die Paradedisziplin eines Liegerads sind war mir von Anfang an klar. Dafür schlägt sich das Toxy am Berg aber ganz anständig. Man kann zwar nicht wie beim Up in den Wiegetritt gehen, dafür bringt man ordentlich Kraft auf die Pedale, wenn man den Rücken in die Liege presst. Natürlich bin ich am Berg deutlich langsamer als mit dem Up und lange, steile Anstiege machen auch wirklich keinen Spaß. Aber wenn ich rechtzeitig runter schalte sind moderate Steigungen gut zu bewältigen. Da spielt sicherlich auch eine Rolle, dass sich das Toxy durch den niedrigen Schwerpunkt auch bei langsamer Fahrt besser beherrschen lässt als die meisten Hochlieger.
Negativ:
Der Vorderradantrieb macht zwar beim Beschleunigen Spaß, dafür dreht das Rad sehr schnell durch. Bei nasser Straße, Laub oder verschmutzter Fahrbahn verliert das Rad sofort die Traktion. Selbst in der Ebene kann schon ein wenig Sand oder Erde auf dem Asphalt (z.B. Ausfahrt eines Forstwegs auf die Straße) zum Durchdrehen und in Kombination mit den 20“-Rädern dann auch zum Sturz führen. Bei Anstiegen ist dieser Effekt noch Mal potenziert. Hier reicht schon etwas Nässe oder Kopfsteinpflaster und das Rad dreht durch.
Der Gepäcktransport ist alles andere als optimal. Auf den Koffer habe ich verzichtet, da das den Transport des ZR in Bus oder Bahn nicht unbedingt erleichtern würde. Ich fahre nicht mit viel Gepäck, da ich ohne Übernachtungen durchfahre. Aber Getränke und Energieriegel für teilweise 40+ Stunden müssen irgendwo untergebracht werden, ebenso ein wenig Werkzeug und vielleicht auch ein trockenes T-Shirt für die Heimfahrt im Zug. Ich habe von Radical zwei Seitentaschen und ein Topcase. Die passen in der Theorie super. In der Praxis schleifen die Seitentaschen am Boden, wenn ich mich in die Kurve lege. Das Topcase wird, wenn es beladen ist zum Problem, wenn ich den Rücken in die Liege drücke. Dank des Federelements biegt sich der Sitz dann soweit zurück, dass der Boden des Topcase auf dem Hinterrad schleift, was weder für die Tasche noch den Mantel schön ist.
Der verbaute Fahrradständer dreht, trotz maximal festgezogener Schraube am Befestigungspunkt durch (zumindest, wenn die linke Seitentasche beladen ist) und das Rad fällt um.
Die Faltoption ist ein schlechter Scherz! Es ist keine Faltoption, wie man sie von anderen Toxy´s, vielen Liegen aus dem Hause HP oder dem Azub Origami kennt. Stattdessen ist es nur eine „vereinfachte Zerlegeoption“. Das Packmaß zerlegt ist wirklich schön kompakt. Dafür werden aber verschiedene Werkzeuge benötigt und es muss sogar das Hinterrad ausgebaut werden. Um das ZR in einen längeren Urlaub mitzunehmen ist das sicher keine schlechte Lösung. Aber auf einem belebten Bahnsteig, nachdem man Zwei Tage und eine Nacht unterwegs war ist das einfach völlig unpraktikabel.
Bereits auf einer der ersten Touren ist die Metallstrebe, mit der das Schutzblech und das Rücklicht an der Hinterradschwinge befestigt waren auf einem kurzen Kopfsteinpflasterabschnitt gebrochen. In der Folge schleifte das Schutzblech dann auf dem Hinterrad. An ein Weiterfahren war so nicht zu denken. Ich musste das Schutzblech demontieren und mangels Platz in den Taschen noch vor Ort entsorgen. Wenigstens konnte ich das Rücklicht mit einem Kabelbinder an der Schwinge befestigen, das ganze ereignete sich nämlich im Dunkeln auf einer Landstraße wo ein Weiterfahren ohne Licht ziemlich gefährlich gewesen wäre.
Dann ist da das Problem mit der Körpergröße. Mit meinen 175cm sollte ich laut Toxy wunderbar auf das ZR passen (ab 170cm). Mit maximal eingeschobenem Tretlagerauszugsrohr und ganz nach vorne geschobenem Sitz fing ich an zu fahren. Nach den ersten kürzeren Ausfahrten hatte ich heftige Schmerzen der Achillessehnen auf beiden Seiten. Kein Wunder, schließlich musste das vordere Bein immer in Spitzfußstellung gehen, da das Tretlager für mich zu weit vorne war. Das Auszugsrohr war maximal eingeschoben, stand aber trotzdem noch mehrere Zentimeter aus dem Rahmenrohr heraus. Also zog ich das Rohr aus dem Rahmen und kürzte es mit der Flex soweit ein, dass es sich ganz im Rahmen versenken lies. Anschließend musste ich noch die Kette einkürzen. Danach waren die Achillessehnenschmerzen verschwunden. Leider war durch das näher herangerückte Tretlager der Fuß so dicht am Lenker, dass ich auf der nächsten Tour in einer Kurve mit der Schuhspitze an dem Brems- und Schaltzug hängen blieb und dadurch stürzte. Mit zusätzlichen Kabelbinder fixierte ich die Züge danach noch enger am Lenker, seitdem ist das Problem nicht mehr aufgetreten. Bei einer Körpergröße, die 5cm über der angegebenen Mindestgröße für dieses Modell liegt hätte all das aber nicht notwendig sein sollen.
Ein weiterer Nachteil ist die schlechte Beherrschbarkeit des ZR bei hohen Geschwindigkeiten. Oberhalb von 45 km/h reagiert es zunehmend nervös, auch bei gutem Untergrund. Mehr als 55 (bergab) habe ich mich bisher nicht getraut zu fahren, denn bei den kleinsten Unebenheiten fängt es an böse zu schlackern. Ich habe schon Videos gesehen, wie ZRs mit über 70 km/h gefahren werden, ich kann mir das bei meinem aber beim besten Willen nicht vorstellen. Mit dem Up lag mein persönlicher Rekord bei 68 km/h und es ließ sich auch dabei noch halbwegs sicher handhaben. Die Höchstgeschwindigkeit ist allerdings auch nicht mein Hauptinteresse.
Seit der ersten Fahrt habe ich auf dem Toxy Probleme mit tauben Zehen. Anders als die tauben Finger, die sich auf dem UP meist nach 300-400km bemerkbar machten wird der 1. und 2. Zeh beidseits auf dem Toxy bereits nach etwa 45 Minuten taub, bei Kälte sogar etwas früher. Ich habe mich durch die zahlreichen Beiträge zu diesem Thema im Forum durchgearbeitet und versucht, alle möglichen Ursachen zu beheben. Ich trage eher große Schuhe, mit steifer Sohle, die auch nicht zu fest geschnürt sind. Auch die Position der Cleats habe ich in alle Richtungen versetzt. All das hatte aber keinen Effekt. Ich vermute daher am ehesten, dass die Taubheit mit der, beim Toxy ZR doch schon extremen Tretlagerüberhöhung zusammenhängt.
Jetzt aber mein Hauptkritikpunkt, welcher mich auch überlegen lässt, das ZR wieder zu verkaufen. Ich habe nämlich das Gefühl, dass das Fahren auf dem ZR extrem unökonomisch ist. Ich habe zwar kein Powermeter installiert, aber ich bin im Vergleich zum Strada bei gleichem Kraftaufwand mit dem ZR durchschnittlich 3-4 km/h langsamer. Anfangs dachte ich noch, dass das durch die Beanspruchung anderer Muskelgruppen beim Toxy kommt. Aber auch nach über 1000km hat sich daran nichts geändert. Nach einer 250km-Tour auf dem Toxy bin ich erschöpfter als nach 700km auf dem Up. Also das genaue Gegenteil von dem, wofür ich mir ein Liegerad zugelegt habe. Ich frage mich, wo zum Teufel die ganze Kraft hingeht! Was ich am meisten vermisse, ist das sanfte dahingleiten bei gemütlichem Mittreten. Wenn ich auch nur ein paar Umdrehungen beim Treten aussetze bleibt das Toxy quasi unmittelbar stehen. Es fühlt sich an, als würde ich permanent durch Kaugummi fahren oder mit angezogener Bremse. Ich habe diverse Variablen kontrolliert. Die Reifen sind knüppel-hart, die Bremsen schleifen nicht und auch die Rohloff ist nach 1000km eingefahren. Meine Vermutung ist, dass dieser Effekt mit dem unterschiedlichen Rollverhalten der 20“-Räder im Vergleich zu den 28ern am Up zusammenhängt. Das würde zumindest erklären, dass es beim ZR deutlich kräftezehrender ist, die einmal aufgenommene Geschwindigkeit zu halten.
Dieser letzte Punkt ist eigentlich ein K.O.-Kriterium für mich. Ich überlege aktuell, ob ich auf mein Up zurück wechseln soll. Das wäre eigentlich schade, denn der Komfort und die theoretischen Vorteile der Liegeräder haben es mir doch angetan. Ich denke, dass das ZR einfach nicht das richtige Rad für meine Bedürfnisse war. Daher überlege ich, es statt mit dem Up doch noch Mal mit einem anderen Liegerad zu versuchen. Anforderungen wären dann 28“-Räder und eine nicht ganz so extreme Tretlagerüberhöhung. Eine erste Marktsondierung hat den M5 CHR (bin ich aber wahrscheinlich zu klein für), das Bacchetta A70 (Tretlagerüberhöhung sieht allerdings ziemlich hoch aus) und das Cruzbike S40 (weiß nicht, ob ich mit der speziellen Lenkung klarkomme, außerdem wahrscheinlich schwierig zu bekommen, bei Direktimport teuer wegen Zoll usw.) in den Fokus gerückt.
Was ist eure Einschätzung? Gibt es etwas, dass ich beim ZR grundlegend anders gestalten könnte um die negativen Punkte (insbesondere der subjektiv schlechte Wirkungsgrad) effektiv zu kompensieren? Was haltet ihr von den potentiellen Alternativen? Hab ich noch gute alternative Liegeräder übersehen?
nachdem ich hier seit langem mitgelesen habe möchte ich mich nun mit einem Erfahrungsbericht zu meinem Toxy ZR zu Wort melden. Wird wohl ein etwas längerer Beitrag…
Zu mir selbst: ich bin 38 Jahre alt, 175cm (Innenbeinlänge 83cm), 62 kg und einigermaßen sportlich (neben dem Radsport noch Laufen, Klettern und etwas Kraftsport). Mit meiner VO2max von 54 bin ich sicherlich kein Leistungssportler aber doch halbwegs im Training.
Auf dem Fahrrad gilt meine Leidenschaft den längeren Distanzen. 300 – 500km Non-Stopp sind meine Lieblingsdistanzen, es waren aber auch schon über 700km am Stück. Diese Touren bin ich alle mit meinem Up, einem Stevens Strada 900 gefahren, einem recht sportlichen Fitness-Bike, welches ich mit Gepäckträger und Dynamo-Lichtanlage etwas tourentauglicher gemacht habe.
Der Grund, warum ich auf ein Liegerad umgestiegen bin war, dass ich bei den langen Strecken auf dem Up immer wieder Probleme mit wundgescheuertem Hintern (trotz qualitativ hochwertigem und optimal eingestelltem Sattel), tauben Fingern und Nackenschmerzen hatte. Ich wollte mit dem Liegerad primär ohne diese Beschwerden und natürlich möglichst nicht langsamer als mit dem Up Langstreckentouren fahren. Auch die Aussicht etwas effizienter unterwegs zu sein (also mich bei ähnlicher Durchschnittsgeschwindigkeit weniger auspowern zu müssen) erschien mir verführerisch. Rekordverdächtige Spitzengeschwindigkeiten standen für mich nicht im Fokus.
Die Auswahl in Frage kommender Modelle wurde dadurch eingeschränkt, dass ich darauf angewiesen bin, die Liege in der Bahn oder dem Fernbus transportieren zu können. Ich habe nämlich keinen Führerschein und möchte bei der Tourenauswahl nicht auf die Umgebung meiner Heimat in der brandenburgischen Prärie beschränkt bleiben. Ein Velomobil schied damit von vorneherein aus, auch wenn meine übrigen Anforderungen sonst von einem Velomobil am besten abgedeckt würden.
Ich fahre bevorzugt auf Asphalt (Straße/Radweg) und mein Fokus liegt weniger im Hochgebirge als auf der Ebene. Kurze Kopfsteinpflaster-Abschnitte und einige Anstiege lassen sich natürlich nie ganz vermeiden.
Nach einigen Probefahrten mit unterschiedlichen Modellen verschiedener Hersteller fiel meine Wahl schließlich auf das ZR von Toxy. Kaufentscheidend waren unter anderem die angegebenen Leistungsdaten (erzielbare km/h pro Watt), das sichere Handling bei der Probefahrt (besonders im Vergleich zu Modellen mit Unterlenker) und auch die Möglichkeit einer Faltoption, was den Transport in Bus und Bahn noch unkomplizierter machen sollte.
Ich wollte mit meinem ersten Liegerad möglichst wenig Kompromisse eingehen, weshalb ich in den sauren (Preis)-Apfel biss und mir das ZR nach meinen Vorstellungen gebaut neu kaufte, anstatt es erst mal mit einem preiswerteren Gebrauchtrad zu versuchen. Ich entschied mich für die Faltrad-Option, Rahmen in Sonderfarbe lackiert, Rohloff-Schaltung, 70er Zahnkranz, SON-Nabendynamo, Lichtanlage, Durano-Reifen, Schutzbleche, Luftfederung uvm.
Bisher bin ich erst etwas über 1000km gefahren (arbeite im Gesundheitswesen, dank der Pandemie hatte ich dieses Jahr überschaubar wenig Freizeit…), trotzdem möchte ich ein erstes Fazit ziehen.
Vorweg muss ich noch sagen, dass das ZR mein erstes Liegerad ist und ein Teil meiner Erfahrungen daher nicht spezifisch für das Toxy sind, sondern wahrscheinlich für alle Liegeräder oder zumindest Tieflieger gelten. Die erfahrenen Liegeradler hier im Forum mögen mit einem wohlwollenden Lächeln darüber hinwegsehen
Meine Erfahrungen nach 1000km sind ziemlich gemischt:
Positiv:
Das Design ist sehr ansprechend. Das Toxy ZR ist einfach ein traumhaft schönes, elegantes Rad.
Das Handling mit dem Aero-Lenker ist auf gutem Untergrund und in normaler Reisegeschwindigkeit intuitiv und sicher. Die Umgewöhnungszeit vom Up war dementsprechend kurz.
Das Fahrgefühl, wenige Zentimeter über dem Asphalt ist einfach genial.
Der Sitz ist sehr bequem. Bisher hatte ich keinerlei Probleme mit wundgeriebenen Stellen. Auch die Taubheit in den Fingern gehört jetzt der Vergangenheit an. Nackenverspannung tritt noch vereinzelt auf, aber im Vergleich zum Up nur noch minimal.
Die Kurvenlage ist richtig „satt“. Es macht riesig Spaß, sich mit dem Körper soweit in die Kurve zu legen, dass der Ellenbogen fast den Boden berührt.
Der Wendekreis ist natürlich nicht mit einem Up zu vergleichen, aber im Alltag absolut in Ordnung.
Die Beschleunigung beim Antritt hat mich positiv überrascht. Trotz des höheren Gewichts startet das ZR flott los. Wenn man den Rücken in die Liege presst bekommt man ordentlich Kraft auf die Pedale. Die Kraftübertragung fühlt sich sehr direkt an. Das ist wohl der Vorteil des Vorderradantriebs.
Das Fahren fühlt sich sehr sicher an. Durch die tiefe Sitzposition kann ich, wenn ich beim Bremsen mal nicht rechtzeitig aus den Klickpedalen komme einfach die Hand auf den Boden aufsetzen und so ein Umkippen verhindern. Wobei ein Kippen bei der niedrigen Sitzhöhe eher ein Problem für den Lack wäre, kaum für den Fahrer. Die hydraulischen Scheibenbremsen beißen richtig gut. Bei Gefahrenbremsung verhindern die Sitzposition, dass ich aus dem Sitz nach vorne fliege. Die Füße auf den Pedalen bremsen den mittels Fliehkraft weiter vorwärtsstrebenden Körper zuverlässig ab.
Der Schulterblick ist angesichts der niedrigen Sitzposition erstaunlich problemlos. Vorm Abbiegen richte ich mich etwas auf und kann dann gut über die Schulter schauen.
Neutral:
Der Blick nach vorne ist nicht ganz so Panoramahaft wie bei höheren Rädern mit Unter-Lenker, da der Aero-Lenker in etwa auf Kinn-Höhe steht. Andererseits habe ich dadurch das Navi beim Blick nach vorne immer voll im Blickfeld ohne den Kopf wenden zu müssen.
Das Steigungen nicht die Paradedisziplin eines Liegerads sind war mir von Anfang an klar. Dafür schlägt sich das Toxy am Berg aber ganz anständig. Man kann zwar nicht wie beim Up in den Wiegetritt gehen, dafür bringt man ordentlich Kraft auf die Pedale, wenn man den Rücken in die Liege presst. Natürlich bin ich am Berg deutlich langsamer als mit dem Up und lange, steile Anstiege machen auch wirklich keinen Spaß. Aber wenn ich rechtzeitig runter schalte sind moderate Steigungen gut zu bewältigen. Da spielt sicherlich auch eine Rolle, dass sich das Toxy durch den niedrigen Schwerpunkt auch bei langsamer Fahrt besser beherrschen lässt als die meisten Hochlieger.
Negativ:
Der Vorderradantrieb macht zwar beim Beschleunigen Spaß, dafür dreht das Rad sehr schnell durch. Bei nasser Straße, Laub oder verschmutzter Fahrbahn verliert das Rad sofort die Traktion. Selbst in der Ebene kann schon ein wenig Sand oder Erde auf dem Asphalt (z.B. Ausfahrt eines Forstwegs auf die Straße) zum Durchdrehen und in Kombination mit den 20“-Rädern dann auch zum Sturz führen. Bei Anstiegen ist dieser Effekt noch Mal potenziert. Hier reicht schon etwas Nässe oder Kopfsteinpflaster und das Rad dreht durch.
Der Gepäcktransport ist alles andere als optimal. Auf den Koffer habe ich verzichtet, da das den Transport des ZR in Bus oder Bahn nicht unbedingt erleichtern würde. Ich fahre nicht mit viel Gepäck, da ich ohne Übernachtungen durchfahre. Aber Getränke und Energieriegel für teilweise 40+ Stunden müssen irgendwo untergebracht werden, ebenso ein wenig Werkzeug und vielleicht auch ein trockenes T-Shirt für die Heimfahrt im Zug. Ich habe von Radical zwei Seitentaschen und ein Topcase. Die passen in der Theorie super. In der Praxis schleifen die Seitentaschen am Boden, wenn ich mich in die Kurve lege. Das Topcase wird, wenn es beladen ist zum Problem, wenn ich den Rücken in die Liege drücke. Dank des Federelements biegt sich der Sitz dann soweit zurück, dass der Boden des Topcase auf dem Hinterrad schleift, was weder für die Tasche noch den Mantel schön ist.
Der verbaute Fahrradständer dreht, trotz maximal festgezogener Schraube am Befestigungspunkt durch (zumindest, wenn die linke Seitentasche beladen ist) und das Rad fällt um.
Die Faltoption ist ein schlechter Scherz! Es ist keine Faltoption, wie man sie von anderen Toxy´s, vielen Liegen aus dem Hause HP oder dem Azub Origami kennt. Stattdessen ist es nur eine „vereinfachte Zerlegeoption“. Das Packmaß zerlegt ist wirklich schön kompakt. Dafür werden aber verschiedene Werkzeuge benötigt und es muss sogar das Hinterrad ausgebaut werden. Um das ZR in einen längeren Urlaub mitzunehmen ist das sicher keine schlechte Lösung. Aber auf einem belebten Bahnsteig, nachdem man Zwei Tage und eine Nacht unterwegs war ist das einfach völlig unpraktikabel.
Bereits auf einer der ersten Touren ist die Metallstrebe, mit der das Schutzblech und das Rücklicht an der Hinterradschwinge befestigt waren auf einem kurzen Kopfsteinpflasterabschnitt gebrochen. In der Folge schleifte das Schutzblech dann auf dem Hinterrad. An ein Weiterfahren war so nicht zu denken. Ich musste das Schutzblech demontieren und mangels Platz in den Taschen noch vor Ort entsorgen. Wenigstens konnte ich das Rücklicht mit einem Kabelbinder an der Schwinge befestigen, das ganze ereignete sich nämlich im Dunkeln auf einer Landstraße wo ein Weiterfahren ohne Licht ziemlich gefährlich gewesen wäre.
Dann ist da das Problem mit der Körpergröße. Mit meinen 175cm sollte ich laut Toxy wunderbar auf das ZR passen (ab 170cm). Mit maximal eingeschobenem Tretlagerauszugsrohr und ganz nach vorne geschobenem Sitz fing ich an zu fahren. Nach den ersten kürzeren Ausfahrten hatte ich heftige Schmerzen der Achillessehnen auf beiden Seiten. Kein Wunder, schließlich musste das vordere Bein immer in Spitzfußstellung gehen, da das Tretlager für mich zu weit vorne war. Das Auszugsrohr war maximal eingeschoben, stand aber trotzdem noch mehrere Zentimeter aus dem Rahmenrohr heraus. Also zog ich das Rohr aus dem Rahmen und kürzte es mit der Flex soweit ein, dass es sich ganz im Rahmen versenken lies. Anschließend musste ich noch die Kette einkürzen. Danach waren die Achillessehnenschmerzen verschwunden. Leider war durch das näher herangerückte Tretlager der Fuß so dicht am Lenker, dass ich auf der nächsten Tour in einer Kurve mit der Schuhspitze an dem Brems- und Schaltzug hängen blieb und dadurch stürzte. Mit zusätzlichen Kabelbinder fixierte ich die Züge danach noch enger am Lenker, seitdem ist das Problem nicht mehr aufgetreten. Bei einer Körpergröße, die 5cm über der angegebenen Mindestgröße für dieses Modell liegt hätte all das aber nicht notwendig sein sollen.
Ein weiterer Nachteil ist die schlechte Beherrschbarkeit des ZR bei hohen Geschwindigkeiten. Oberhalb von 45 km/h reagiert es zunehmend nervös, auch bei gutem Untergrund. Mehr als 55 (bergab) habe ich mich bisher nicht getraut zu fahren, denn bei den kleinsten Unebenheiten fängt es an böse zu schlackern. Ich habe schon Videos gesehen, wie ZRs mit über 70 km/h gefahren werden, ich kann mir das bei meinem aber beim besten Willen nicht vorstellen. Mit dem Up lag mein persönlicher Rekord bei 68 km/h und es ließ sich auch dabei noch halbwegs sicher handhaben. Die Höchstgeschwindigkeit ist allerdings auch nicht mein Hauptinteresse.
Seit der ersten Fahrt habe ich auf dem Toxy Probleme mit tauben Zehen. Anders als die tauben Finger, die sich auf dem UP meist nach 300-400km bemerkbar machten wird der 1. und 2. Zeh beidseits auf dem Toxy bereits nach etwa 45 Minuten taub, bei Kälte sogar etwas früher. Ich habe mich durch die zahlreichen Beiträge zu diesem Thema im Forum durchgearbeitet und versucht, alle möglichen Ursachen zu beheben. Ich trage eher große Schuhe, mit steifer Sohle, die auch nicht zu fest geschnürt sind. Auch die Position der Cleats habe ich in alle Richtungen versetzt. All das hatte aber keinen Effekt. Ich vermute daher am ehesten, dass die Taubheit mit der, beim Toxy ZR doch schon extremen Tretlagerüberhöhung zusammenhängt.
Jetzt aber mein Hauptkritikpunkt, welcher mich auch überlegen lässt, das ZR wieder zu verkaufen. Ich habe nämlich das Gefühl, dass das Fahren auf dem ZR extrem unökonomisch ist. Ich habe zwar kein Powermeter installiert, aber ich bin im Vergleich zum Strada bei gleichem Kraftaufwand mit dem ZR durchschnittlich 3-4 km/h langsamer. Anfangs dachte ich noch, dass das durch die Beanspruchung anderer Muskelgruppen beim Toxy kommt. Aber auch nach über 1000km hat sich daran nichts geändert. Nach einer 250km-Tour auf dem Toxy bin ich erschöpfter als nach 700km auf dem Up. Also das genaue Gegenteil von dem, wofür ich mir ein Liegerad zugelegt habe. Ich frage mich, wo zum Teufel die ganze Kraft hingeht! Was ich am meisten vermisse, ist das sanfte dahingleiten bei gemütlichem Mittreten. Wenn ich auch nur ein paar Umdrehungen beim Treten aussetze bleibt das Toxy quasi unmittelbar stehen. Es fühlt sich an, als würde ich permanent durch Kaugummi fahren oder mit angezogener Bremse. Ich habe diverse Variablen kontrolliert. Die Reifen sind knüppel-hart, die Bremsen schleifen nicht und auch die Rohloff ist nach 1000km eingefahren. Meine Vermutung ist, dass dieser Effekt mit dem unterschiedlichen Rollverhalten der 20“-Räder im Vergleich zu den 28ern am Up zusammenhängt. Das würde zumindest erklären, dass es beim ZR deutlich kräftezehrender ist, die einmal aufgenommene Geschwindigkeit zu halten.
Dieser letzte Punkt ist eigentlich ein K.O.-Kriterium für mich. Ich überlege aktuell, ob ich auf mein Up zurück wechseln soll. Das wäre eigentlich schade, denn der Komfort und die theoretischen Vorteile der Liegeräder haben es mir doch angetan. Ich denke, dass das ZR einfach nicht das richtige Rad für meine Bedürfnisse war. Daher überlege ich, es statt mit dem Up doch noch Mal mit einem anderen Liegerad zu versuchen. Anforderungen wären dann 28“-Räder und eine nicht ganz so extreme Tretlagerüberhöhung. Eine erste Marktsondierung hat den M5 CHR (bin ich aber wahrscheinlich zu klein für), das Bacchetta A70 (Tretlagerüberhöhung sieht allerdings ziemlich hoch aus) und das Cruzbike S40 (weiß nicht, ob ich mit der speziellen Lenkung klarkomme, außerdem wahrscheinlich schwierig zu bekommen, bei Direktimport teuer wegen Zoll usw.) in den Fokus gerückt.
Was ist eure Einschätzung? Gibt es etwas, dass ich beim ZR grundlegend anders gestalten könnte um die negativen Punkte (insbesondere der subjektiv schlechte Wirkungsgrad) effektiv zu kompensieren? Was haltet ihr von den potentiellen Alternativen? Hab ich noch gute alternative Liegeräder übersehen?