Wozu überhaupt Velocars?

BuS velomo

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Da wir bei all diesen Start-Ups immer wieder von Neuem parallel die generellen Sinnfragen stellen, wer wie wo warum überhaupt als Nutzer dieser Podbike-BioHybrid-Quadvelo-ELF-CityQ-Pedilio-Konstrukte in Frage kommt, will ich hier mal den Vorschlag machen, diese allgemeinen Fragen und Erzählungen von KFZ-Verzichts-Träumen zu bündeln.

In den Threads selbst erscheint das immer als singuläre Erzählung, wonach eine kuriose Erfindung grad die Welt revolutionieren will. Der reale Kontext ist aber eine Vielzahl von verschiedenen, ähnlichen VC-Ansätzen, die alle vor den selben Herausforderungen stehen. Zu aller erst, wen sie überhaupt ansprechen wollen, und was sie dafür für Probleme lösen müssen:

Gemutmaßte Nutzerprofile:
  • Stadt, Vorstadt oder Landbevölkerung?
  • Fahrrad, ÖPNV- oder Auto-Ersatz?
  • Pendler, Sportler, Tourer, Gewerbe?
  • Muttis, Ökos, Rentner, Jugendliche?
  • KFZ unerwünscht oder unmöglich?
  • Platz/Sicherheit zum Fahren und Abstellen?
  • ... Kampf mit Gewicht, Radwegen und Gesetzeslage.
  • Aktivtreter oder Pseudopedalierer?
Erst dann folgen ggfs. systematische Überlegungen zum Vergleich der Ansätze untereinander (und mit anderen Radkonzepten von Velomobil bis Cargobike). D.h. ob nun eher ein BioHybrid oder ein Podbike die sich eröffnenden Nutzerprofile besser abgreifen könne (wie Oma zur Grabpflege kommt)... oder es doch eher wieder nen günstiges Mochet bräuchte, um die hypothetische Auto-Ersatz-Funktion zum halben Preis und Gewicht zu erfüllen.

Zur Einordnung noch das Definitionsangebot, wie man VELO-CAR überhaupt begrifflich fassen soll und von den Velomobilen unterscheidet. Für mich sind es die 5 hier näher erläuterten Positiv-Versprechen, die ursächlich für die vom heutigen Sportvelomobil abweichenden Designs der aktuellen Startups sind:
  1. Fahrrad-Basis (kein primäres KFZ, radweg-legal usw.)
  2. Wetterschutz (Dach, teils Aero)
  3. Sitz-Höhe und Einstiegs-Ergonomie
  4. Nutzlast-Option (statt reines "Rennrad")
  5. Motorisierung (statt reine HPV-Lehre)
Die müssen nicht alle gültig sein, aber überwiegend... weshalb die meisten dieser aktuellen Goldgräber-Ansätze eben keine 25kg asphalthohen Aerocarbonsardinenbüchsen sind, sondern eher >80kg motorisierte MuFu-Kabinen-Quads. Tja, doch nun die Generalfrage: wer lässt sich denn durch sowas von anderen Mobilitätshilfen (insb. KFZ) abwerben?

VG Steffen
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich werfe mal noch eine andere ganz grundlegende Frage ein: Geht es wirklich darum, einen Ersatz (für Auto, Fahrrad, VM, ÖPNV) zu finden, oder sollte man nicht gerade bei solch allgemeinen Überlegungen auch bedenken, wie Mobilität an sich gut gestaltet werden kann, also nicht umgestaltet. Wer heute ein Laptop oder Tablet kauft, sucht vermutlich keinen Schreibmaschinen-Ersatz! Die heutige Generation junger Leute wächst warhscheinlich schon nicht mehr mit dem Ideal des Autos (oder zwei) in der Garage auf, wir sind post-peak-car. Daher: wie sieht moderne Mobilität aus?
Aber den Faden finde ich super!
 
Was mich an den Berichten und Erzählungen immer wundert, ist der Aspekt, daß diese Fahrzeuge unbedingt auf Fahrrad-Infrastruktur fahren sollen und somit "am Stau vorbei" fahren. Ist das überhaupt realistisch oder reines Marketing? Ich kann mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, daß man mit Fahrzeugen dieser Größe die bereits vorhandene innerstädtische Radverkehrsinfrastruktur sinnvoll nutzen kann; das liegt aber natürlich auch daran, daß diese meist unzulässig schmal ist. Wie sind die Erfahrungen damit bisher?
 
Gemutmaßte Nutzerprofile

Die Geschichte der Verkehrsmittel ist lang. Wahrscheinlich hat sich schon in der Steinzeit ein Mensch auf irgend einen Tierrücken gesetzt.

Seitdem haben sich in allen bedeutenden Kulturen die Verkehrsmittel ausdifferenziert. Neu-Erfindungen haben sich, wenn damit ein Problem gelöst werden konnte, ratzfatz ohne jedes Marketing verbreitet. Das hat beim Handkarren trotz disjunkter Kulturräume nur wenige Jahrhunderte gedauert und beim Fahrrad nur noch wenige Jahrzehnte. Klappkisten (um jetzt mal vom Transport wegzukommen) gab es 1988 noch nicht, aber schon 1992 standen in jeder Waschküche der Welt drei oder vier davon `rum, in jedem Kofferraum lag eine, ganze Studentenbuden wurden damit komplett eingerichtet.

Deshalb sollten alle Alarmglocken schrillen, wenn einer meint, er hätte in Zeiten des Internet eine genau passende (Mobilitäts)-Erfindung für irgend einen erdachten Einsatzfall, nur seien halt die Leute zu doof, den Nutzen der Erfindung zu erkennen, oder böse Mächte würden sich der Verbeitung in den Weg stellen.

Ich führe ja auch seit 12 Jahren täglich Dutzenden Zufallspassanten vor Augen, wie praktisch und bequem man mit dem Trike zur Arbeit fahren kann. Dennoch fährt jetzt immer noch nicht halb Münster mit dem Trike. Warum? Die haben gar kein zu lösendes Problem! Es gibt keinen Innovationsdruck, da die meisten Menschen auch ohne Trike zufrieden sind.

Beim E-Roller ist es andersrum. Kein Erfinder von Rang hätte sich erblödet, nach dem nicht-Erfolg von Segway und Erwachsenentretroller einen "Messehallen-Roller" zu elektrifizieren und damit Hinz und Kunz über kopfsteingepflasterte Marktplätze fahren zu lassen. Irgendwer hat´s trotzdem getan, und schwupps, wurden alle Städte zugeschissen mit den Dingern. Die wurden zum Erfolg, weil ein Bedarf da war - leider.

Marktanalysen, Trendfinding, Marketing - alles quatsch. Wenn ein Produkt den Nerv der Zeit trifft, setzt es sich von alleine durch, wenn nicht, dann wird es ein Rohrkrepierer. So wie bisher alle Velocars - leider.

Wenn man einer Erfindung, die kein Problem löst, zum Durchbruch verhelfen will, muß man das Problem künstlich erzeugen, z.B. durch das Verbot oder die Verteuerung der bisher genutzten Problemlösung oder durch ein neues Gesetz. Ansonsten ist die Erfindung etwas für Manufakturen, die den Nischenmarkt bespielen.
 
For me to be a hybrid then two forms of energy are required. The discussion point is which is the primary source of energy? And many of the prototypes we have seen so far the answer is categorically electricity is the primary energy.

So are these still bicycles? My pedelec trike is definitely a bicycle, my Agilo will be a bicycle, the other part of the hybrid equation, the electric motor, is only there for assistance.

So a velocar needs to be first and foremost a bicycle and be able to move by human power alone. Otherwise it is just another form of electric car... The vehicles that @BuS velomo has built are definitely velocars.
 
Ein Punkt wäre noch das Teilen (Sharing) bzw. Besitzen.

Wenn ich ein Fahrzeug besitze, muss ich mich drum kümmern. Während das Teilen von Fahrzeugen ist für die Nutzerschaft ohne das darum kümmern. Die zahlen ihren Beitrag und bekommen immer ein fahrbereites Fahrzeug, um das sich dann andere kümmern.

Das scheint in Kaiserslautern mit den Fahrrädern und E-Rollern gut zu funktionieren, da dort einige Leute damit unterwegs sind.

Vielleicht bringt so ein Teilen die Fahrzeuge näher in die Breite Masse. :unsure:
 
Ich fürchte eher dünn , da (noch) nicht viele davon herumfahren.
Naja, es fahren hier einige mit Trike und Velomobil durch die Stadt. Das grundsätzliche Problem mit der Raumbedarf ist da nicht viel anders.
Ich kann sagen, mit einem Velomobil sind in Bremen viele Radwege unangenehm. Zu schmal, Kurvenradien zu eng (insbesondere bei Ampeln), etc.
 
Was persönliches dazu:
Meine Frau und ich (Zweipersonenhaushalt, Mietshaus, Berliner Randbezirk mit viel Grün und Blau) haben seit etwa einem Jahr den running gag "Jetzt ein Velocar!" laufen. Wobei wir darunter ein klassisches Mochet/Plycar-Kai in alltagstauglichen Dimensionen, mit Zuladung und als 25er verstehen. Verkürzung von Wartezeiten und so. ;)

Etwa 3x pro Woche, aktuell eher seltener als vorher, kommt der Spruch. Das ist ca. 2-3x so häufig wie die Nutzungshäufigkeit unseres vor Jahren verschrotteten Kombis. Eine E-Rikscha, die wir mal ca. 2 Jahre hatten, wurde ähnlich selten wie der Kombi genutzt.

Die Gelegenheiten sind recht divers, aber es lassen sich drei Kategorien identifizieren:
- Lastentransport, evtl. in Kombination mit Personentransport (zB Frau in Kostüm und Konzertequipment)
- reiner Personentransport (zB Hol/Bringedienste, gerade bei Dunkelheit/Schlechtwetter/gesundheitlichen Beschwerden)
- Freizeitfahrten bei suboptimalen Bedingungen (zB unschönen Streckenabschnitten im Mischverkehr, Mistwetter)

VC wäre bei unserem Mobilitätsmuster Ersatz für a) Lastenrad/Gespann (mit der Ausnahme eines Hängers für Konzertequipment/Sperrgut) b) Drittfahrräder c) teilweise ÖPNV d) evtl. Autonutzung (wobei wir allenfalls ca. 1x pro Jahr nen KFZ benutzen). VM, AlltagsUp, Klappis und offene Freizeitliegen kann das VC dagegen u.E. kaum ersetzen.

Alles eher im Rahmen von 30 km einfache Strecke, wir sind aber auch absolute Kurzstreckenfahrer. ymmv. Interessant wäre irgendwann mal zu sehen, ob ein VC im Haushalt das Mobilitätsverhalten real nachhaltig verändert (zB längere Strecken, Mehrtagestouren o.Ä.).
 
Rad überdachen oder den Radweg. Letzteres wär mal was wirklich Neues und würde ottonormal Radler ein Gefühl von Luxus bescheren...
 
.....von 30 km einfache Strecke, wir sind aber auch absolute Kurzstreckenfahrer.....

:oops: 30 km einfache Strecke würde ich mit einem Velocar außerhalb von reinen Freizeitfahrten schon fast als Langstrecke,
aber mindestens als "Mittelstrecke" bezeichnen.

Wenn wir einem annehmbaren Bruchteil der Menschen für die übliche Kurzstrecke von 0-10 km in ein wettergeschütztes, praktisches
Velocar bekommen, ist schon sehr viel erreicht. Bedenke: Die meisten nehmen (außer im Stadtzentrum) schon für 1-2 km das Auto.

Mit einem 25er Velocar sitzt man bei 30 km Strecke in der Stadt mindestens 1,5 Stunden (Brutto Schnitt 20 km/h) in der Rappelkiste.
Und das hin und zurück, das werden die wenigsten mitmachen.
 
Ich denke die Meisten der VC-Interressenten möchten ein LeichtKFZ. Auf den HampelStrampelAntrieb können die verzichten.
Es darf halt nur nicht nach AOK-Chopper aussehen und sollte schon 50km/h fahren.

In meinen Augen erfüllt der Twizzy das am besten.
 
@seemann11 Das war als Maximalangabe ("im Rahmen von") gemeint, die Regel sind auch bei uns 0-10 km.

Aber gerade am Stadtrand hast du ebend auch mal 25+ km einfache Strecken - da ist außerorts (!) aber auch mitm Pedelec ein echter 25er Schnitt möglich (fast keine Ampeln und am Stau, wenn überhaupt, vorbei) - v.a., wenn man die Wahl zwischen Straße und Waldwegen etc. hat und auch mal an der 30 kratzen kann. Und meine Referenzstrecke (25 km zu Schwiegervatern, 50% Straße, teils bis 60 km/h, inkl. ordentlicher Steigung) fährt meine Frau nur in Ausnahmefällen mitm Rad (egal welchem) und schon gar nicht im Dunkeln. Mitm VC, eher als Beifahrerin, sähe die Sache vermutlich anders aus.

Das interessanteste am VC finde ich persönlich, ähnlich wie beim VM oder Radfahren generell, die Möglichkeit, Freizeit/Fitness/Reproduktionshandeln und Alltagsmobilität zu einem gewissen Grade in Übereinstimmung zu bringen. Je besser Infrastruktur bzw. nutzbare Grünwegverbindungen, desto höher die Übereinstimmung - weswegen die Radnetzplanung (durchgehende Verbindungen) i.Ü. auch so entscheidend ist.

Und aus der Erfahrung mit AW/Anthra heraus möchte ich vermuten, dass eine E-Fully-Quad-VC-Plattform (durchaus in Richtung des EC-Quads, aber auch schmale klassischer VCs) gute Voraussetzungen hat, sowohl auf der Straße (respektiert werden im Mischverkehr bis 50km/h) wie auch auf 80% der Radinfrastruktur und vielen Wald/Feldwegen eine mittelprächtige, aber fahrbare Figur zu machen.

Und das subjektiv deutlich sicherer (und damit entspannter) als mitm Einspurer - zumindest geht mir das mit Anthra/AW genau so. Ich wäre früher nie auf die Idee gekommen, mitm UP (oder PKW, ähnlich scheisse, nur anders) durch die ganze Stadt zu fahren - mitm AW (vorher Anthra) macht das sogar (in gewissem Maße) Spaß, selbst zu Stoßzeiten. Man könnte sogar sagen, dass VCs/VMs die Unzulänglichkeiten der aktuellen Verkehrsinfrastruktur (fehlende durchgehende gute Radverbindungen) relativ gut nutzen können, da sie sowohl im Mischverkehr wie auf weiten Teilen der Radinfrastruktur fahrbar sind.

Wobei die 30-35 Reisegeschwindigkeit mitm AW durchaus zur gefühlten Sicherheit beitragen, andererseits die Möglichkeit, Grünverbindungen zu nutzen (bzw. räumliche Trennung vom KFZ-Verkehr), für die Erholungswirkung (Stressreduktion, Abgase usw.) essentiell ist (gibt auch Studien dazu). Und das wird ein Punkt sein, der 45er ähnlich dem Twizzy weiterhin unattraktiv machen wird. Mal von der krassen Subventionierung herkömmlicher PKW abgesehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
...Neu-Erfindungen haben sich, wenn damit ein Problem gelöst werden konnte, ratzfatz ohne jedes Marketing verbreitet. ...
Ein Problem das Velocars lösen könnten, wäre der Verkehrsinfarkt. Damit das aber funktioniert ist müssten alle mitmachen. Ein Velocar kann m.E. nicht auf der aktuellen Radinfrarstruktur fahren (zumindest nicht in meiner Stadt) und auf der Strasse stünde es wie jeder andere im Stau. Das sind keine bösen Mächte das ist eher ein Henne-Ei-Problem.

Wenn man dieses Henne-Ei-Problem geknackt hätte könnten viele Mobilitätsformen ausser Autos verwendet werden. Aufgrund der Nutzwertansprüche der meisten potenziellen Nutzer (Wetterschutz, Minimalkofferraum, Überlandfähigkeit) denke ich nicht das ein Velocar optimal ist.

Wenn das Henne-Ei-Problem gelöst ist, dann liegen meine Wetteinsätze auf Kleinfahrzeugen zum Beispiel einem wasserdichten 100 km/h Twizzy.
 
Even 80 km/h would be fine and they make one but it has an airbag, ABS and about 200 kg of junk that make it too heavy and kill the potential longer range...
 
komisch, dass noch kein getunter Twizzy mit 200 auf der Autobahn von der Polizei rausgewunken wurde...
 
Nee bitte genau so nicht, erstmal Infrastruktur planen dann Fahrzeuge dafür zulassen.
Das erachte ich als Hauptproblem. In D zumindest ist es wegen den sehr unbedachten ( von denken ) ein so Krüppelvehigel nicht passend für die Gesellschaft.
Diese Art von Fahrzeug kann nur da gut funktionieren wo es eben fahren kann.
In Holland dagegen dort sieht es mit so einer Gattung durchaus gut aus.
Man darf oder kann hier schon erkennen das eben 25kmh bei fahrten über 3km einfach nicht gewünscht und das richtige ist.
Im Einzelfall ist es durchaus zu gebrauchen.
Für uns hier einfach undenkbar wo wir wohnen.
Ich finde die Infrastruktur unfassbar dämlich, oder nicht dämlich und genau so gewollt,
Radfahren sowie gehen von A nach B geht eigentlich gar nicht. Hier finde ich macht die Verkehrspolizei nicht ihre Aufgabe. Diese sind unmittelbar an dem Problem. Juckt dir aber nicht, diese setzten lieber die Ziele des Staates und der Lobbyisten um. Man bräuchte Staatsdiener die für das Volk also ihrem eigentlichen Auftraggeber da sind
 
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