Frage zum Kreuzen von Speichen

Hansdampf

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Hallo zusammen,

nicht VM, aber trotzdem von Interesse:
Ein Kollege von mir hat ein neues Fahrrad (klapprad, 20") bekommen. Es hat vorne einen Motor und nach den ersten Kilometern war doch schon ein deutlicher Achter zu erkennen. Beim genaueren Betrachten viel mir auf, dass die Speichen des Laufrads beim Kreuzen sich nicht berühren. Ich hätte erwartet, dass die Speichen sich schon berühren müssten, um die Stabilität zu erhöhen. Jetzt wurde es nachzentriert. Hersteller sagt: is ok so. Am Hinterrad berühren sich die Speichen bei den Kreuzungen.

Ich hoffe, ich konnte das einigermaßen erklären. Was ist eure Meinung?

Gruß
Hans
 
Man kann die überkreuzen oder man lässt es, die Spannung ist viel wichtiger.

Wenn man die bei einem neuen Rad nicht überprüft und optimiert muss man sich nicht wundern, gerade mit Motor.
 
Es is ja nicht jeder ein Fachmann... und wenn das erst die ersten paar Kilometer passiert, kann er ja nix für.
 
Das frage ich mich auch. Konkret bei meinen Brommis.
Brompton selbst rät davon ab die Speichen zu verschlingen ( to interlace) um sie nicht über die Gebühr zu belasten.
Die Laufräder (jedenfalls die hinteren, die vorderen sind ja radial eingespeicht), die ich von Brommie+ bezogen habe, sind aber verschlungen/interlaced aufgebaut.
Bei den kleinen 349er Rädern halte ich es für Blingbling, bei größeren Rädern könnte es eventuell schon zu Stützeffekten kommen.

Da bitte ich doch ganz herzlich einen beruflichen Laufradbauer ( beispielweise @Lutz/Co ) ;) um Aufklärung.

Gruß vom spargelix
 
Zuletzt bearbeitet:
Bin zwar auch nicht beruflich damit befasst, aber schaut euch mal die Kreuzungsmuster an. "Unterkreuzt" oder "geflochten" wird die äußerste Kreuzung. Vielleicht liegt die recht dicht am Flansch und würde unterkreuzt einen zu starken Knick geben. Bei 20" und Motor kann ich mir gut 'ne Einfachkreuzung vorstellen, und da dürfte das der Fall sein.
 
Da ich ebenfalls gerade davor stehe, einen Vorderradmotor in mein Flux einzubauen gebe ich mal meine Rechere zum Besten:





Zum Thema: Speichenköpfe....

Bildschirmfoto 2019-11-10 um 21.45.42.png

.....mit Bild aus der EBS -Werkstatt .....

Bildschirmfoto 2019-11-10 um 22.02.22.png


.....weitere Links.....

Bildschirmfoto 2019-11-10 um 22.05.46.png

......sehr nützliches Tool zum Visualisieren des Speichenbildes...!

Bildschirmfoto 2019-11-30 um 17.00.26.pngBildschirmfoto 2019-11-30 um 17.00.png

Ich werde "EinfachKreuzen" und die Speichenköpfe nach dem Vorschlag von EBS "setzten".
 
Zuletzt bearbeitet:
Es kommt sehr auf die Nabengeometrie an. Bei normalen Kassettennaben oder VR-Disc-Naben ist auf der Antriebsseite sowie auf der Disc-Seite im Vorderrad sind diese deutlich stärker vorgespannt. Hier unterkreuze ich. Auf der gegenüber liegenden Seite unterkreuze ich nicht. Warum? Es können hier durch die geringe Speichenspannung (meist Verhältnis 1200N zu 750N) die Speichen sich reiben, was zu unschönen Knarzgeräuschen führt und man sucht sich oft einen Wolf. Im Falle einer VR-Disc-Nabe haben wir eigens eine Spezialnabe entwickelt. Hier wurde der Non-Disc-Flansch weiter in die Mitte gerückt, damit man fast links wie rechts die selbige Speichenspannung hat und diese beidseitig unterkreuzen kann. Gerade im 20"-Beriech ein riesen Thema. Aber unterkreuzen ist kein MUSS.

Bye
 
Durchs Unterkreuzen werden außerdem die Bögen tendenziell eher zu- als aufgebogen (wobei ich noch nie einen Speichenbruch am Bogen hatte ... keine Ahnung, obs das überhaupt gibt). Speziell auf der Scheibenseite ist es auch ein Geometrieding -- die Kopfinnenspeichen werden an der Unterkreuzung weiter nach innen gezogen und man hat ein bisschen mehr Luft beim Bremssattel.
 
Hallo allerseits
Ich gehe davon aus: Erlaubt ist, was funktioniert. Der Nachteil- ob es funktioniert weiß man leider erst Jahre später...Es kommt eben immer noch auf Erfahrung bei Materialauswahl und dazugehöriger Einspeichtechnik an. Auch wir werden immer wieder mit neuen Paarungen von Speichen, Felgen und Naben konfrontiert. Hier gehen wir meist intuitiv vor, dukumentieren aber den Aufbau genau, damit wir später Anhaltspunkte haben. Auch ein stärkerer Knick beim Unterkreuzen muß nicht falsch sein, aber man sollte hier Sorge tragen, dass sich die Speichen gut an bzw. umeinandergelegt haben und dies auch beim Einbau forcieren. Essentiell ist aber eine passende hohe Speichenspannung und ein Einbau, der spätere Setzprozesse , bei denen die Speichenspannung wieder abnimmt, verhindert. Genau diese Setzprozesse, haben wohl Hans Laufrad verbiegen lassen. Ursächlich für solche Durchläufer sind oft schlecht eingesetzte Speichenköpfe und schlecht durchgewalkte Räder .
einspeichende Grüße
Der Lutz
 
Erlaubt ist, was funktioniert.
Ich habe mal recherchiert (Literatur und Hersteller) und kein überzeugendes Argument für oder gegen eine enge seitliche Kopplung von Speichen gefunden. Am besten schneidet noch das enge Anliegen der Kopf-innen Speichen am Nabenflansch (große Nabe, kleines Laufrad, starke Krümmung) ab; soll die Stabilität erhöhen, aber 'ohne' geht auch. Die Stabilität ist eben doch durch die viel stärkere axiale Spannung dominiert.
Im Katastrophenfall "Bruch nach Schwingungs-Resonanzüberhöhung bei Stoßbelastung" gesteht die Theorie lateralen Kräften (durch Änderung der effektiven Resonanzlänge) einen möglichen Beitrag zu. Sagt aber auch nicht zwingend, in welche Richtung es geht.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Jobst Brandt schreibt in "The bicycle wheel", das Hinterkreuzen der Speichen führt zu einer homogeneren Speichenspannung, weil sich die hinterkreuzten Speichen gegenseitig stützen bzw. spannen. Auf der Zahnkranzseite wird dadurch mehr Platz geschaffen, was die Gefahr, dass das Schaltwerk in die Speichen gerät, reduziert. Außerdem schmiegen sich die Speichenbögen besser an den Nabenflansch und die Schwinglänge der Speichen wird verkürzt, wodurch Ermüdungsbrüche in den Speichenbögen unwahrscheinlicher werden.
Wenn ein großes Drehmoment übertragen werden soll, ist die Anzahl der Kreuzungen dergestalt zu wählen, dass die Speichen möglichst tangential vom Nabenflansch weggehen. D. h. die Anzahl der Kreuzungen ist zu maximieren. Dazu teilt man die Zahl der Speichen eines Laufrads durch 9 und nimmt den integer Wert des Ergebnisses als Kreuzungszahl. Soweit der Jobst Brandt.
Gruß, Stephan
 
die Schwinglänge der Speichen wird verkürzt, wodurch Ermüdungsbrüche in den Speichenbögen unwahrscheinlicher werden.
Das wirkt mMn. nur, wenn durch das Verkürzen oder Klemmen die Eigenresonanzen der Speiche stärker vom Anregungsspektrum des vibrierenden und rotierenden Rads entkoppelt werden. Sagt das Fachbuch etwas darüber ?
(Das Buch gibt es anscheinend nicht mehr im regulären Handel).
 
Die Eigenfrequenzen der Speichen liegen im Bereich von ein paar hundert Hz und aufwärts, unabhängig davon ob sie hinterkreuzt sind oder nicht. Ich denke nicht, dass diese Eigenfrequenzen durch von der Fahrbahn eingeleitete Vibrationen angeregt werden bzw. wenn doch dann nur mit minimalen Amplituden. Ich habe Jobst Brandt vielleicht etwas mißverständlich übersetzt, weil es ihm in diesem Zusammenhang umTorsionsbelastungen ging.
Das Buch bekommst du nur noch antiquarisch, z. B. hier.
Gruß, Stephan
 
wenn doch dann nur mit minimalen Amplituden.
Stimmt, da lag ich doch ziemlich daneben. [Bei manchen Forschungsinstrumenten ist die Unterdrückung von großen Schwingungsamplituden durch Einfügen von Schwingungszwangsknoten essentiell. Da geht es aber mehr um das ungewollte Einspeisen von kleinen Signalen als um mechanische Stabilität. Letzteres nur bei Erdbeben].
Beim Fahrrad sind die Schwingungen offenbar irrelevant, selbst wenn sie im Normalbetrieb oder Katastrophenfall angeregt werden sollten (was vermutlich nur sehr schwer zu messen ist?). I.d.R. brechen Speichen nur bei einer vorliegenden 'Materialermüdung' als Folge der vielen quasi-statischen Lastwechsel. So hab' ich es im Brandt -Buch gefunden (pdf). Guter Tipp, danke @Stephan-M!
Als Argument für das -allerdings feste- Verbinden von Speichen bleibt mir nur das Verhindern von unkontrolliertem Wegschnappen bei Bruch oder beim Abzwicken.
Grüße
L
 
Meinst Du damit jetzt noch das Unterkreuzen oder schon Blumendraht und Lot?
Das bloße Aneinanderpressen der Speichen beim Kreuzen kann das (einseitige) Auseinanderfliegen bei Bruch nicht verhindern.
Blumendraht oder Lot oder überhaupt lateral fixieren? ist m.E. jetzt eher nebensächlich. Sehr häufig brechen Speichen dann doch nicht, und zumindest die Hände sind beim Fahren nicht gefährdet.
 
Der Ausgangspunkt des Themas war das bloße Unterkreuzen. Daher wollte nach Deinem Beitrag wissen, um welche Art der allerdings festen Verbindung es Dir im letzten aller Argumente ging.

(Speichen gebunden und gelötet hat man angeblich früher mal. Ich kenns auch nur aus Büchern, würde mich aber bei der Idee, die kaltverfestigten Speichen, die ja angeblich teils bis nah an ihre Streckgrenze gespannt werden/wurden, heiß zu machen, nicht wohlfühlen. Allerdings denke ich bei "Binden und Löten" wahrscheinlich an einen viel zu dicken Brenner.)
 
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