Was konkret und praktisch hat sich denn jetzt in Berlin verbessert?
Dort wird aktuell an "protected bike lanes" gebastelt, und in den letzten Jahren sind einige Radwege entschildert worden. Was noch?
Die Frage war aber nicht, ob irgendwas gemacht wird, was Du als radfahrerfreundlich einstufst, sondern ob da das passiert, was ein Bürgermeister (bzw. hier ein Senat) für nötig hält, oder etwas, was den geltenden Normen entspricht.
Zunächst mal: Ich renne nicht mit dem Zollstock durch Berlin und prüfe, ob da irgendwas normgerecht ist oder nicht. Was ich feststellen kann ist, ob sich für mich subjektiv was verbessert hat in meiner Wahrnehmung und ob sich objektiv was geändert hat - beides ist der Fall. Allerdings vielleicht nicht so, wie ihr Euch das wünschtet, denkt oder auch nur akzeptieren würdet. Was sich geändert hat: Das Thema "Fahrrad" ist seit dem Volksentscheid Fahrrad dauerhaft sehr präsent auf der öffentlichen Agenda in Berlin und es ist positiv besetzt. In der Politik, in den Medien, in der Bevölkerung. Das Verhalten zahlreicher (aber bei weitem nicht aller) Autofahrer verändert sich langsam aber stetig zum Positiveren. Gleichzeitig findet in den Foren des Tagesspiegel ein regelmässiges erbittertes Gemetzel zwischen moderaten Fahrradfreunden und radikalen Automobilisten statt. Festgefahrene Lagerbildung, die nichts Gutes erahnen lässt für eine flächendeckende Verkehrswende. Das
Mobilitätsgesetz wurde vor knapp einem Jahr schliesslich veröffentlicht und in Kraft getreten. Seitdem wurden beim Senat und in den Bezirken versucht die neuen Stellen für die Radverkehrsplanungen zu besetzen - mit durchwachsenem Erfolg. Die ersten Leuchtturmprojekte sind fertig: Jeweils ein paar kurze Abschnitte "protected bike Lane" an der Hasenheide in Kreuzberg, an der Holzmarkstrasse in Mitte und - völlig absurd - am Dahlemer Weg in Zehlendorf. Vieles ist im Vorlauf, weniges geliefert. Ein Stück weit ist das Verständlich nach nur einem Jahr Mobilitätsgesetz, dennoch fühlt es sich nicht nur für mich entsetzlich langsam an.
Weil es Euch ja um die Vorschriften geht: Laut
den Seiten des Senats sieht es so aus:
Ein Leitbild des Mobilitätsgesetzes ist die "Vision Zero". Das bedeutet, dass die Zahl der schwerverletzten und getöteten Unfallopfer langfristig auf ein Minimum reduziert werden soll. "Vision Zero" ist die Leitlinie für alle Planungen und Maßnahmen. Konkret: In den nächsten drei Jahren bauen wir 60 unfallträchtige Kreuzungen um und machen sie sicherer. Auch für FahrradfahrerInnen wird vieles besser: An den Hauptstraßen entsteht ein dichtes Radwegenetz. Dort, wo genug Platz ist, werden Radstreifen mit Pollern vom Autoverkehr getrennt. Wer heute wegen der holprigen Wege oder schmalen Radwege noch ein mulmiges Gefühl hat, soll sich bald sicherer fühlen und gern aufs Fahrrad umsteigen.
Das Mobilitätsgesetz legt zudem das Fundament für einen klimafreundlichen und sauberen Verkehr in Berlin. Dazu gehört zum Beispiel, dass bis 2030 die BVG-Busse statt mit Diesel mit Strom aus Wind und Sonne fahren sollen. (...)
Alle Planungen, die neu begonnen werden und die zukünftige Mobilität Berlins betreffen, basieren bereits auf den Leitlinien des Mobilitätsgesetzes. Eine zentrale Leistung des Mobilitätsgesetzes ist die Verbindlichkeit für kommende Planwerke, in denen Aspekte wie Vorrangnetze für den Radverkehr und den ÖPNV festgeschrieben werden.
Infrastrukturprojekte haben in der Regel einen langen Vorlauf. Viele Projekte, die heute von den Bezirken umgesetzt werden, wurden bereits vor Jahren geplant. Zentrale Vorhaben werden aber von der Senatsverwaltung überprüft und angepasst, wie z. B. die Umgestaltung der Karl-Marx-Allee.
Das Mobilitätsgesetz wird um einen eigenständigen Baustein zum Fußverkehr ergänzt. Im März 2018 begann gemeinsam mit der Stadtgesellschaft, d.h. betroffene und fachkundige Verbände und Institutionen, der Dialog Fußverkehr. Die Ausarbeitung erfolgt im Laufe des Jahres und wird voraussichtlich 2019 ins Gesetz eingebracht.
Berlin geht neue Wege im Fußverkehr
Für den Radverkehr sind zentrale Vorhaben unter anderem die Entwicklung von Radschnellwegen, ein Ausbau der Möglichkeiten Fahrräder sicher abzustellen und die Umsetzung von geschützten Radstreifen.
Radschnellverbindungen
Fahrradstellplätze in Bezirken
Inwieweit das im Detail stimmt kann ich nicht beurteilen. Erste Verbesserungen sind wie gesagt spürbar, ich nehme an und hoffe, dass sich die Geschwindigkeit nach dem bisherigen Vorlauf in näherer Zukunft deutlich beschleunigt. Im Moment passieren immer noch mindestens wöchentlich schwere und schwerste Unfälle, oft mit abbiegenden LKW. Heute erst wieder mit einem LKW,
der mangels Seitenabstand einen Radfahrer seitlich gerammt und dann überfahren hat. Auf einem Radstreifen.
Der neugebaute, grosszügige Radstreifen auf der Karl-Marx-Strasse, für den und den deutlichen Zwischenraum zum KFZ-Verkehr einer von bislang zwei Fahrstreifen geopfert wurde ist per blauem Lolli verpflichtend - und war so lange flächendeckent lückenlos zugeparkt bis er vor einigen Wochen verpollert wurde. Es ist also nicht gut, aber es wird besser.
Es ist doch so dass zu jeder Regel auch eine Durchsetzung gehört.
Meine Rede - für viele Dinge bräuchten wir erstmal keine neuen Reglungen - es würde die Situation schon drastisch verbessern, wenn die bestehenden durchgesetzt würden. Innerstädtisch insbesondere beim Thema Parken. Neue Regeln, die dann auch nicht durchgesetzt werden, bringen nichts. Da sind aber die Kommunen in der Pflicht und nicht der Bundesverkehrsminister.
Vergangene Woche war in Berlin eine stadtweite "Schwerpunktwoche" gegen Falschparker auf Busspuren, Radstreifen und Radwegen. Beteiligt waren alle Ordnungsämter, alle Polizeiabschnitte und die BVG. Das kam dabei raus:
Es seien gut 1 100 Gespräche geführt worden, um die Autofahrer für die aus ihrem Verhalten resultierenden Folgen für Andere zu sensibilisieren und ihnen die Rechtslage aufzuzeigen. Von unmittelbar spürbaren Konsequenzen ist hingegen nur in einem vergleichsweise geringen Teil der Fälle die Rede. 1009 Falschparker auf Radfahrer-Schutzstreifen wurden festgestellt – 27 Autos wurden abgeschleppt. 258 Falschparker auf Radwegen wurden festgestellt – und davon 24 abgeschleppt. Bei den Falschparkern auf Busspuren wurden von 926 Wagen 118 abgeschleppt. Ganze 6 der 1046 Falschparker in zweiter Reihe wurden abgeschleppt. Und bei sonstigen Verstößen gab es 113 abgeschleppte Wagen bei einer Gesamtzahl von 3245 Fällen. Macht in der Summe: 6484 Halt- und Parkverstöße, 288 abgeschleppte Wagen.
Quelle:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/...-kaum-falschparker-abgeschleppt/24446108.html
Man braucht sich nicht einbilden, dass diese Schwerpunktwochen wirklich flächendeckend wären. Typischerweise beschränken die sich auf einige (aber nicht mal näherungsweise alle) besonders schlimm betroffene Strassen, die an ebenfalls typischerweise, an einem, zwei oder drei Tagen in der Woche mal temporär ein paar Stunden kontrolliert werden. Das sind Promille des Berliner Strassenlandes. Das verschafft vielleicht eine Vorstellung vom Ausmass des Problems. Ausserhalb der Schwerpunktwochen passiert noch weniger .- man ist geneigt zu sagen "nichts". Es ist ein Armutszeugnis.
Ja, direkte Demokratie bringt Vorteile mit sich. Wäre die bessere Lösung.
Die zarte Morgenröte derselben bzw. deren Androhung hat in Berlin zum Mobilitätsgesetz geführt. Also stimme ich Dir da zu. Der Brexit beweist allerdings, dass das manchmal auch ausgesprochen fatal enden kann.
Nicht zu Ende gelesen? Die Sache mit Olympia und staatlichem Radwegebau?
Na ja: Spreehertie schrieb:
Radwege habe genau eine Funktion: Freie Fahrt für freie Kraftfahrer in Ihren Fahrzeugen*). Das stimmte offensichtlich schon bei den ersten Radwegen nicht. Zur Olympiade 1938 war das dann die gewünschte (und von Dir und Spreehertie als ausschliesslich bezeichnete) Funktion. Bloss ist das jetzt 80 Jahre her und überraschenderweise ist die Geschichte nicht stehen geblieben. Na klar haben vielerorts Radwege heute noch diese Funktion (das sind dann typischerweise die miserablen) - es gibt aber reichlich andere: Touristische Radwege, wo weit und breit keine Strasse ist, aber der Tourismus gefördert wird zum Pläsier der Radfahrenden und zum Segen der örtlichen Wirtschaft zum Beispiel. Und zunehmend auch "Freie Fahrt für freie Radfahrer" - das ist z.B. die Intention hinter den Radschnellwegen. Dass dabei auch die Autofahrer weniger Fahrräder auf der Strasse haben ist wegen mir ein Kolateralschaden, aber wohl kaum die Absicht. Auch gibt es genügend Radwege, die kürzere Streckenführung haben als die Alternative auf der Strasse. Auch bei Fahrradstrassen und gegenläufig für Fahrräder freigegebenen Einbahnstrassen kann ich jetzt nicht direkt die Intention erkennen, die Strassen für Autofahrer von Rädern freizuräumen.