AW: wer fährt Lastendreirad
Hallo,
Habe einiges an Erfahrung mit diversen 3-Rädern (Christiania, Nihola, Sorte Jernhest), die ich in Kopenhagen zur Brompton-Auslieferung und zu anderen Gelegenheiten ausgeliehen hatte.
Darüberhinaus besitze und benutze ich seit 4 Jahren ein CargobikeL (
www.bakfiets.nl) für Kindertransport, Einkauf, Lastentransport etc.
Hier zunächst meine Bewertung von Lasten3Rädern:
Minuspunkte:
- Kurvenverhalten
Im Gegensatz zu (Liegerad-) Trikes ist es bei Lastendreirädern nicht sonderlich unterhaltsam, wenn die Fuhre in der Kurve (oder noch viel schlimmer: bei einem eventuellen Notausweichmanöver) ein Bein hebt. Einzig wirksames Gegenmittel ist es, vor JEDER schärferen Kurve auf 5 km/h abzubremsen...
- Dimensionen:
Insbesondere das Christiania heisst in Kopenhagen auch "Hippy Hummer". Niemand kommt auf dem Radweg an dem Ding vorbei, besonders lästig angesichts einer konzeptbedingten Vmax von ca. 20 km/h, die die meisten FahrerINNEN aber mangels Kraft eh nie erreichen. Auch ist das Fahren auf dem Radweg sehr anstrengend, da man immer ein Auge auf das rechte Vorderrad haben muss, weil dies bei dem kleinsten Kontakt mit der Bordsteinkante für ordentlich Stimmung sorgt. Ein ca. einen halben Meter vom Bordstein stehendes Auto wird übrigens angesichts einer Spurbreite von rund 80-90 cm zum unüberwindlichen Hindernis.
- Gewicht:
3 Räder wiegen mehr als zwei. "Ab 40 kg Leergewicht" sprechen hier eine deutliche Sprache.
- Rollwiderstand:
Da die Reifen in aller Regel pannensicher, robust und langlebig sein sollen, reicht eigentlich der Rollwiderstand von 2 Rädern (typisch: 47er SchwaMa+), zumal Höchstluftdrücke meist unzweckmässig sind.
- Sperrige Lasten:
Während man auf einem Lastenzweirad eigentlich fast alles transportieren kann (z.B. auch 4 m lange Balken oder 'ne 6"x4" MDF-Platte), ist bei Lastendreirädern mit Drehschemellenkung alles, was grösser ist als ein durchschnittlicher Kühlschrank weitestgehend untransportierbar. Nicht unbedingt Alltagskost, aber grossen Lasten kommen vor (IKEA, Bauhaus, Gartenarbeit etc.)
Pluspunkte:
- Schieben:
Lastendreiräder sind im beladenen Zustand leichter zu schieben bzw. zu rangieren, weil da dann das Balancieren wegfällt. Aber halt nur bis ca. Schrittgeschwindigkeit.
Weitere Pluspunkte konnte ich leider nicht entdecken. Abgesehen von einem "gefühlten" Mehr an Kippsicherheit oder bei geschlossener Schneedecke, dass sich spätestens in der ersten etwas schnell gefahrenen Kurve in Wohlgefallen auflöst.
Zum Punkt "Sicherer zu Beladen" kann ich nur anmerken, dass der Ständer des Cargobikes es quasi unmöglich macht, das Rad beim Raufklettern (der Kinder) oder Beladen umzuwerfen. Auch hier gilt: Lediglich das Rangieren, Schieben und Anfahren erfordert etwas mehr Sorgfalt (abhängig vom Gewicht und Schwerpunkt der Ladung). Ein bisschen Albatros eben.
Auf den Ständer ziehen bzw. vom Ständer schubsen erfordert keinen sonderlichen Kraftaufwand und ist unproblematisch.
Was das Langstreckenpotential angeht:
Bin mit meinem Cargobike gezwungenermassen diesen Sommer von Ystad nach Malmö geradelt. Mit dem kompletten Gepäck von 3 Erwachsenen und 2 Kindern für eine Woche Bornholm, weil der Zug gestrichen war und der Ersatz-Bus-Fahrer zwar meine mitreisende Familie (samt Schwiegermutter), nicht aber mein Cargobike mitnehmen wollte. Runde 60 km in leicht hügeligem Gelände in (reine Fahrzeit) 2 1/2 Stunden bei ca. 60 kg Gepäck fand ich mehr als akzeptabel. Hätte ich mit 'nem 3-Rad nichtmal erwogen.
Stadtverkehr:
Das Cargobike ist zwar sehr lang, aber nur 62 cm breit. Ansonsten ist es durch die allermeisten Engpässe genauso leicht zu manövrieren, wie ein herrkömmliches Zweirad. Das Gewicht liegt bei ca. 32 kg (lange Version) und Beschleunigen geht daher auch verhältnismässig flott. Ich bin mit dem Cargobike in der Stadt beinahe genauso schnell wie mit 'nem Normalrad.
Übrigens passt mein Cargobike problemlos in die S-Bahn, kann auf Rolltreppen mitfahren und war auch schonmal im Intercity.
Mein Fazit:
Lastendreiräder sind super Schubkarren.
Ich poste nachher mal ein paar aussagekräftige Fotos.
Viele Grüsse
Thorsten
p.s.: Ja richtig, ich verkaufe die Dinger. Und zwar weil ich sie für eine geniale Alternative halte. Nicht umgekehrt!