ThyK - Entstehungsgeschichte eines Velomobils

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Prolog
Im folgenden möchte ich mein Velomobil-Projekt vorstellen.
Anders als bei anderen Projekten hier im Forum schreibe ich die Sachen erst im Nachhinein auf. Insofern muss mich auch keiner mehr davor warnen, wieviel Arbeit die Entwicklung und der Bau eines Velomobils mit sich bringen. Der größte Teil dieser Arbeit liegt bereits hinter mir.
Das Projekt begann 2011. In dieser Zeit hat Daniel das Evo-K entwickelt, dessen Baubilder mich begeistert, motiviert und stark inspiriert haben. Neben anderen Velomobilen ist mein Velomobil haupsächlich vom Evo-K inspiriert.
Dennoch ist es trotz einiger optischen Ähnlichkeiten keine Kopie.
Als sich die Möglichkeit ergab mal ein wenig am K zu messen, war mein Urmodell einerseits schon im Feinschliffstadium und es zeigten sich auch klar die Unterschiede: Es ist hinten höher, innen breiter und etwas kürzer.
Wie gesagt, es ist etwas eigenes. Es ist ein ThyK.-Allerdings trägt es das "K" im Namen als Homage an das Evo-K, dem es viel verdankt.


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Vorgeschichte
Ersten Kontakt mit Liegerädern hatte ich in den 90er Jahren. Sehr beeindruckt war ich von dem Buch "Fahrrad total" von R.Ballentines/Grant. Gerade die Seiten mit der Wincheetah und der vollverkleideten Rennversion übten eine besondere Faszination aus. So waren die ersten drei Liegeräder auch Dreiräder. Das erste komplett aus Schrott gebaut, das zweite aus einem alten Alu-Jollenmast und Glasfaser. Das dritte war dann schon ganz aus Carbon. Nach 2Jahren war ich es leid das große und unhandliche Rad in den Keller zu busieren und verlegte mich ein paar Jahre auf Einspurer, baute erst einen Semitieflieger und über die Jahre mehrere Tieflieger mit Heckverkleidungen.
Im Jahr 2000 ergab sich die Möglichkeit sich am Wiederaufbau eines Vectors zu beteiligen. Ein erster Schritt in Richtung Vollverkleidung/Velomobil. Nach ein paar Basteltagen stellten wir dann ernüchternd fest, dasss wir beide nicht in das Fahrzeug passen würden. So wurde das Projekt wieder beiseite gelegt.
Hin und wieder entstanden auch Versuche von Vollverkleidungen am Computer, doch diese Versuche waren eher halbherzig. Etwas weiter in Sachen VM ging es, als das 3D Modell eines Quests im Netz auftauchte.
Nach dem Bau einer Heckverkleidung für meinen Tieflieger hatte ich jedoch gehörigen Respekt vor so einer großen Oberfläche und keinerlei Lust auf so viel Schleiferei. Ein VM hat etwa 3x so viel Fläche wie eine Heckhutze. Immer wieder wurde am Computer etwas in 3D virtuell gebastelt und immer wieder fiel die Entscheidung ganz bewußt gegen so ein Projekt. Zu groß, zu viel Arbeit, nicht genug Platz im Keller, Kellergänge zu eng.
Mitte 2011, als Daniel das Evo-K baute, wurde der Wunsch nach einem eigenen VM dann stärker.
Während immer mehr Bilder vom Bau des Evo-K´s im Netz auftauchten, nahm mein eigenes Projekt weiter Formen an, zumindest virtuell. Daniels Konzept mit den offenen Radkästen gefiel mir sehr gut. Damit konnte das VM deutlich schmaler und vor allem auch kürzer werden, was vor allem den Weg zum Keller möglich machen würde.
Dabei verwandelte sich die Formgebung, ausgehend von dem Quest erst in einen Multiknickspanter, ähnlich dem Holz-Quest von Friend Woods. Die Karosse wurde erst schmaler und dann wuchsen ihr Fussbeulen. Meine Multiknickspantversion gefiel mir vor allem im oberen Bereich nicht so gut und so fielen immer mehr Knicke dem eigenen Anspruch an Ästetik zum Opfer und wurden rund.-Schleifarbeit hin oder her.
 
Die Entscheidung
Ende 2011 ergab sich dann die Gelegenheit die -wie es ein Forumsmitglied mal ausdrückte- "heiligen Hallen von Beyss" zu betreten, Daniel kennenzulernen und bei der Arbeit zu sehen.
Daniel fand die Idee von Anfang an ziemlich verrückt ein VM von Grund selber zu bauen und das auch noch alleine. Seine Prognose war, dass er 2VMs entwickeln und bauen würde, bevor ich fertig würde.-Zumindest das hat er schon längst geschafft.
Der Wunsch nach einem eigenen VM war lange da, doch es fehlte noch die Entscheidung das Projekt auch anzugehen. Diese Entscheidung fiel, als Daniel sein Evo-K mit einer Hand hochnahm und an die Wand stellte, um mir die Form besser zeigen zu können.
Da war sie nun, die Entscheidung für das Projekt. Dem Besuch bei Beyss folgte eine Zeit mit intensiver Zeichenarbeit. Im Rechner näherte sich die Form dann eher dem Evo-K an. Das Projekt war von Anfang an auf mehrere Jahre ausgelegt. Aus unterschiedlichen Gründen kann ich in guten Wochen 5h die Woche bauen, manchmal sind es auch weniger.
 
Die Sitzkiste
Der erste reale Schritt (Ende Jan 2012) war eine teilweise CNC-gefräste Sitzkiste, mit der ich mich einige Monate beschäftigte. Die zahlreichen Messungen hatten dann wieder Einfluss auf die Gestaltung der Hülle im Rechner.
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Das Urmodell
Ende Mai 2012 war es dann endlich soweit: Die Spanten für die Bauhelling wurden CNC gefräst und in den nächsten Wochen mit Holzleisten beplankt. Das war wohl die Phase mit den größten sichtbaren Fortschritten beim Bau. Die Leisten wurden erst noch ein wenig gehobelt und danach folgten Monate des Spachtelns und Schleifens.
Ein Jahr und etliche Meter Schleifpapier später konnte sich das Urmodell dann sehen lassen.
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Aber immerhin baust Du und kündigst nicht nur an, was hier im Forum nicht selten ist. Deine Vorgehensweise und was Du in den Bildern zeigst, gefällt mir sehr gut. Mit den Gedanken zum Bau eines eigenen VM spiele ich auch schon länger und kritzele in freien Momenten vor mich hin, aber wie Du sinngemäß schreibst: Lieber später, aber durchdacht bauen und sich viel Frust sparen. Allein die Sitzkiste bzw. der Ergonomieprüfstand spricht von sehr sauberer gedanklicher Vorarbeit.
Welche Software hast Du für das 3D-Modell verwendet?

Gruß, Martin
 
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Baubeginn Prototyp
Im Sommer 2013 war das Urmodell fertig geschliffen und gewachst, um den Prototypen direkt auf das Urmodell zu bauen.
Da Unterteil ist in linke und rechte Seite geteilt, das Oberteil ist aus einem Stück.
In den folgenden Monaten wurden die Radkästen in den Prototypen eingepasst. Die Radkästen wurden bewusst nicht schon ins Urmodell eingebaut, um gegebenenfalls Möglichkeit für Änderungen zu haben, was sich beim verkleben der Teile etwas rächte und die Ausrichtung der doch recht wabbeligen unteren Teile unnötig erschwerte. Hinterher ist man immer schlauer.
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Anfang 2014 waren die Radkästen dann endgültig drin und es folgte sozusagen Sitzkiste 2.0. Das Urmodell hat einen teilweise ebenen Boden mit einem festen Lochraster. So konnten Schablonen zum Messen leichter angebracht und ausgerichtet werden. Die Reste der ersten Sitzkiste wurden nun auf eine neue gelochte Bodenplatte geschraubt und in das ThyK gestellt, um dort die Sitzposition zu überprüfen und die Kettenlinie zu finden.
Zwischen die Radkästen sollten eigentlich 2 Trapezprofile, weil mir die offene Anordnung der Spurstangen besser gefiel als sie in einem Quertunnel zu verstecken. Die Schaumprofile waren bereits geschnitten und eingepasst, als ein letzter Sitztest diese Lösung dann doch noch verhinderte. So kam doch ein geschlossener Quertunnel zwischen die Radkästen.
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Schwinge
Für die Schwinge vom Hinterrad gab es viele Ideen, die alle ihre Vor- und Nachteile hatten. Letztendlich ist es eine recht aufwändige, komplett asymmetische Lösung geworden. Die Kette läuft im vorderen Teil neben der Schwinge. Die hintere Umlenkrolle sitzt nah beim Schwingenlager und führt die Kette direkt durch den Drehpunkt der Schwinge. Falls die hinten arbeitende Rohloff-Nabe in der Praxis zuviel "Eigenleben" entwickelt , läßt sich die Rolle auch etwas höher oder tiefer anbringen. Der eine Holm der Schwinge ist nach oben geschwungen, um der Kette Platz zu machen, der andere schwingt nach unten, um dem (unnötig) langen Dämpfer Platz zu machen.
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Mitte September 2014 war es dann endlich soweit, das ThyK stand auf eigenen Rädern und konnte -oben noch offen- die ersten Meter.
Es folgten einige kleine und eher kurze Ausfahren im geschützten Bereich rund um die Werkstatt, wurde alles zwar auch Spaß machen, aber keine neuen Erkenntnisse mehr bringen.
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Servus,

sehr sauberer Aufbau und eine durchdachte Entwicklung!
Hut ab!

Darf ich fragen was du Hauptberuflich machst ? ;)

Gruß,
Patrick
 
Im November und Dezember 2014 standen kleinere Basteleien an, wie auch die Ausschnitte für die Blinker vorne. Anfang 2015 erfolgten dann größere kosmetische Arbeiten, sprich spachteln, schleifen, Primern...


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Daniel ist der Erste, der darauf hinweist, dass Ähnlichkeiten auch vordergründig sein können und der Teufel im Detail steckt, insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass er was dagegen hat, dass Du das K zum Vorbild genommen und etwas Eigenes gebaut hast.
Hut ab, ich bin wie viele andere sehr angetan. Darf ich fragen, ob es etwas Bestimmtes gab, das du anders bauen wolltest als im K oder ob der Selbstbautrieb an sich ausschlaggebend war?
Prion
 
Hi @Thykonaut,
Na nu isses Fertig und ich muss mir nicht mehr auf die Zunger beißen.(y)

Mich hats ja immer gejuckt ein Foto zu veröffentlichen, konnte mich immer nur so gerade daran hindern.

Für die Anderen:
Unser Erbauer hat auch erhebliches Vorwissen:
2 verschiedene Tiefliefer in NegativBauweise.
Dazu beruflich auch Kenntisse in dieser Materie und nutzbare Kapazitäten bei seiner Firma.
Und dennoch dauerts Jahre bis man privat sowas fertig hat!

... und immer hat er bei mir im Keller an K und SL nach gemessen und meinte das wäre alles zu klein....:D

Wann kann man es denn mal Live erleben?
 
Schönes Projekt und die Ähnlichkeit zu bekannten Produkten ist bei aerodynamisch optimierten VMs unvermeidlich. Ich würde gerne wissen, warum du dich für das Urmodell in aufwendiger Holzspannten Bauweise entschieden hast, und nicht für einen meiner Meinung nach schneller und einfacher zu erstellenden Schaumkern? Spachteln und Schleifen dürften nach meiner Erfahrung mit Holz in größerem Umfang anfallen.
 
Na, wenn das, wie Rene es beschreibt, in der Firma möglich ist, dann erübrigt sich auch die Frage nach der Software. Ich hatte mich auch schon gewundert, was das für eine gut ausgestattete Werkstatt im Hintergrund ist, tippte aber auf Werklehrer als Beruf.
@ Independent Mechanic: Ich könnte mir vorstellen, dass es mit den sauber gearbeiteten Spanten weniger Probleme mit der Seitensymmetrie gibt, außerdem bringen über die Spanten gespannte Leisten eine "Grundspannung" hinein, so dass es zu weniger Dellen kommt. Wer "nach der alten Schule" in einer vergleichbaren Art Flugzeug- oder Schiffsmodelle baut, kennt das.
Waren ja trotzdem noch "Monate des Spachtelns und Schleifens".
Das ThyK ist nach der im ersten Beitrag beschriebenen Entstehungsgeschichte die "Gran Tourismo" Ableitung vom Evo K. Mir gefällt das Gerät.
 
Respekt. Auch mit der gut ausgestatteten Werkstatt ein zeitraubendes Experiment. Man muss schon viel Spaß am Bauen haben um das so durch zu ziehen. Sparen tut man dabei nicht.
 
Ich bewundere Deine Geduld und Dein Können, so ein Riesenprojekt allein durchzuziehen.
Respekt!!!!!!!!!!

Aber nun habe ich eine Frage:
Ist es richtig, dass Du den Prototyp auf dem Urmodell außen drauf laminiert hast und dann aus den 3 Teilen zusammengesetzt und dann anschließend außen wieder geschliffen und geglättet hast?
Also alles ohne Negativform?
 
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