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Aus irgendeinem Grund interessiert mich das Thema Langstrecke mit dem Fahrrad, auch wenn ich selber nicht viel Erfahrung damit habe. Ein Hintergrund für den Kauf meines DF-XL war wenigstens ab und an mal eine längere Strecke zu fahren als bisher. Nachdem der Start der Beziehung zu meinem DF-XL ja eher durchwachsen war, wollte ich dieses Jahr dann Nägel mit Köpfen machen und herausfinden wie man sich dabei fühlt. Brevets bekomme ich derzeit aus beruflichen und familiären Gründen nicht hin, also galt es das allein herauszufinden. Gefahren war ich bisher nur knapp über 200, immerhin Ruderrad, alles darüber war also Neuland für mich. Ich fand die Zahlen, die hier so kursieren immer ein wenig respekteinflößend, 250km und 275km klingen ja fast gleich, aber dazwischen liegen am Ende eines langen Tages ja locker noch eine Stunde mehr, wenn man schon soundsoviel Kilometer in den Beinen hat.
Unter anderem deswegen waren die letzten Monate der Suche nach einer vernünftigen Sitzposition und der Behebung diverser Kleinigkeiten, die mir in der Summe aber doch auf dei Nerven gingen, gewidmet. Aber das kann nicht ewig gehen und so hatte ich mir selbst eine HAZJUF Therapie verordnet - Hör Auf Zu Jammern Und Fahr.
Völlig unverhofft ergab es sich letzten Samstag, dass die ganze Familie für den darauffolgenden Sonntag auf einmal eigene Pläne und ich auf einmal frei hatte. Suboptimal war, dass ich nur 4 Stunden Schlaf bekam vorher, aber familienfrei sticht erst einmal ganz hoch, und wenn ich darauf warten müsste, dass wirklich alles Wünschenswerte zusammenkommt, dann könnte ich lange warten. Also das DF gepackt, das Wetter sollte gut werden, Proviant eingekauft. Da traf es sich, dass mein Bruder ankündigte, genau zum richtigen Zeitpunkt seinen selbst gemauerten Pizzaofen erstmals in Betrieb nehmen zu wollen. Also war das Ziel klar, schnell auf brouter.de ein Route erstellen lassen, hie und da korrigiert und aufs iphone gespielt.
Ich komme am nächsten Morgen nicht ganz so früh los wie geplant, weil ich am Abend vorher noch eine Umstellung der Sitzposition vorgenommen hatte, ich wollte wieder etwas steiler sitzen, obwohl genau das vorher mein Problem gewesen war. Gegen sieben breche ich dann auf und meine Vorfreude erhält einen ordentlichen Dämpfer, da bis auf eine einzige Ampel, die ich noch bei Gelb mitnehmen kann ausnahmslos wirklich alle Rot sind. "Wenn das so weiter geht....".
Mit dem Ortsschild Bremerhavens lasse ich aber auch die Ampeln hinter mir, ich fahre einfach Straße und es ist angenehm wenig Verkehr, es ist noch kühl und es läuft einfach gut, auch wenn ich mich bewusst zügele, um nicht zu viele Körner zu früh zu investieren.
An der Fähre Vegesack habe ich dann mal Glück, die Fähre kommt innerhalb von Minuten und traditionsgemäß verzehre ich die erste Banane während der Überfahrt. Die von Brouter gewählte Route ist besonders in den mir unbekannten Bereichen ausgesprochen gut, selbst eine Deichauffahrt in Lemwerder, die ich gar nicht kannte, wird gefunden und obwohl ich die schieben muss, um mir nicht die Reifen auf dem Split kaputt zu fahren, gefällt mir die Strecke insgesamt sehr. Langsam wird es immer heißer, so dass ich mich freue, mich gut eingecremt und eine Sonnenbrille dabei zu haben. Ich lasse ich es laufen und versuche nicht schneller zu fahren als ich durch die Nase atmen und den Kopf an die Nackenstütze anlehnen kann. Solche Regeln brauche zumindest ich, weil man die auch noch befolgen kann, wenn man für kompliziertere Selbsteinschätzungen vielleicht schon zu müde geworden ist. Was mir richtig gut gefallen hat ist mein neues Visier, das ich mir aus einem 1mm Lexan Rest geschnitten habe, es ist deutlich höher als das käufliche Visier, aber man ist nicht versteckt unter einer Haube, sondern kann Leute grüßen und fühlt sich freier, verschluckt nicht jedes Insekt UND hat nicht immer dieses Wummern auf den Ohren, das hat mich vorher beim komplett offen fahren fast wahnsinnig und beim Aussteigen halb taub gemacht. So kann ich sogar die Vögel beim fahren wieder singen hören.
Mittlerweile herrscht eine Affenhitze, knappe 30 Grad und ich komme mit dem Trinken kaum hinterher, nach 100km ist die Weiterfahrt nur noch als Fisch in Salzkruste möglich. Und überhaupt: Wo bleibt das ganze Essen? Ich esse jede Stunde irgend etwas, in der Not frisst der Teufel Fliegen und ich halt Müsliriegel, Fruchtschnitten, Bananen, obwohl ich das sonst in diesen Mengen nicht gern tue. Aber mir bleibt bei der Fahrt ein Völlegefühl ebenso wie ein Hungerast erspart.
Durch die neue Sitzposition werden die Gesäßmuskeln deutlich und die Knie etwas mehr beansprucht, dafür Achillessehne und Bereich neben Schienenbein überhaupt nicht. Ein Cleat steht schief, aber der ist derart eingegraben, dass er nicht mehr grade zu montieren ist, die Schuhe muss ich bald mal wegwerfen. Die Gegend südlich von Bremen ist erst noch leicht wellig und wird dann aber so flach, dass es irgendwann keinen mehr Spaß macht. Trotzdem gibt es immer wieder wunderschöne Orte, an denen ich gern angehalten hätte, diesmal habe ich aber nicht die Muße dazu, sondern konzentrierte mich darauf, locker weiter zu kurbeln. Erwartungsgemäß beschweren sich die Gesäßmuskeln irgendwann über fehlende Vorbereitung auf die neue Position, aber es fühlt sich dennoch richtig an.
Ich habe sicherheitshalber vorher ein paar Punkte festgelegt, die ich in vorgegebener Zeit erreichen wollte, um rechtzeitig feststellen zu können, ob nicht wegen zunehmender Erschöpfung vielleicht die ganze Fahrt besser abgebrochen werden sollte, aber wenn auch knapp, werden diese Ziele erreicht und es geht mir immer noch gut, also weiter.
Bis zum Fuß des Wiehengebirges ist der Schnitt auf irgendwas mit 35 geklettert, dann geht es bergauf und ich kurbele mit angemessener Zurückhaltung (=langsam) rauf, berghoch drücken ist nicht so mein Ding. Im Hügelland südlich des Wiehengebirges fühlt sich das VM und ich auch irgendwie wohler, mal kann man es laufen lassen und trotzdem einiges an Schwung den nächsten Hügel hinauf mitnehmen. Mit dem Navi innen auf dem rechten Radhaus montiert verfahre ich mich dennoch ein paar Male, weil die Lenkung immer noch zu unruhig ist und ich bei Tempo 50-70 schon nicht mehr gern und sei es auch kurz aufs Display gucke. @DanielDüsentrieb, was muss man noch mal tun, um die Lenkgeometrie ein bisschen zu beruhigen?
Eine Viertelstunde nach der berechneten Ankunft rolle ich dann auf den Hof und rieche schon das Holzfeuer. Mein Bruder staunt nicht schlecht und ich muss sagen, dass er weder mit dem Bau des Pizzaofens noch mit der Herstellung der Pizza darin seine Zeit vertan hat. Das war mit Abstand die leckerste Pizza seit langem, auch wenn sicher mein Kohldampf nach der langen Fahrt mit zu diesem Eindruck beigetragen hat. Gute 5 Liter Wasser und Obstsaft habe ich auf der Fahrt bis hier her getrunken und während des Aufenthaltes bei meinem Bruder kommt noch einiges hinzu.
Knapp über 200km bis hierher mit insgesamt einem 33er Schnitt nach GPS, mein Tacho behauptet mehr, aber ich habe den Umfang des kürzlich montierten Schwalbe One noch nicht eingegeben.
Unter anderem deswegen waren die letzten Monate der Suche nach einer vernünftigen Sitzposition und der Behebung diverser Kleinigkeiten, die mir in der Summe aber doch auf dei Nerven gingen, gewidmet. Aber das kann nicht ewig gehen und so hatte ich mir selbst eine HAZJUF Therapie verordnet - Hör Auf Zu Jammern Und Fahr.
Völlig unverhofft ergab es sich letzten Samstag, dass die ganze Familie für den darauffolgenden Sonntag auf einmal eigene Pläne und ich auf einmal frei hatte. Suboptimal war, dass ich nur 4 Stunden Schlaf bekam vorher, aber familienfrei sticht erst einmal ganz hoch, und wenn ich darauf warten müsste, dass wirklich alles Wünschenswerte zusammenkommt, dann könnte ich lange warten. Also das DF gepackt, das Wetter sollte gut werden, Proviant eingekauft. Da traf es sich, dass mein Bruder ankündigte, genau zum richtigen Zeitpunkt seinen selbst gemauerten Pizzaofen erstmals in Betrieb nehmen zu wollen. Also war das Ziel klar, schnell auf brouter.de ein Route erstellen lassen, hie und da korrigiert und aufs iphone gespielt.
Ich komme am nächsten Morgen nicht ganz so früh los wie geplant, weil ich am Abend vorher noch eine Umstellung der Sitzposition vorgenommen hatte, ich wollte wieder etwas steiler sitzen, obwohl genau das vorher mein Problem gewesen war. Gegen sieben breche ich dann auf und meine Vorfreude erhält einen ordentlichen Dämpfer, da bis auf eine einzige Ampel, die ich noch bei Gelb mitnehmen kann ausnahmslos wirklich alle Rot sind. "Wenn das so weiter geht....".
Mit dem Ortsschild Bremerhavens lasse ich aber auch die Ampeln hinter mir, ich fahre einfach Straße und es ist angenehm wenig Verkehr, es ist noch kühl und es läuft einfach gut, auch wenn ich mich bewusst zügele, um nicht zu viele Körner zu früh zu investieren.
An der Fähre Vegesack habe ich dann mal Glück, die Fähre kommt innerhalb von Minuten und traditionsgemäß verzehre ich die erste Banane während der Überfahrt. Die von Brouter gewählte Route ist besonders in den mir unbekannten Bereichen ausgesprochen gut, selbst eine Deichauffahrt in Lemwerder, die ich gar nicht kannte, wird gefunden und obwohl ich die schieben muss, um mir nicht die Reifen auf dem Split kaputt zu fahren, gefällt mir die Strecke insgesamt sehr. Langsam wird es immer heißer, so dass ich mich freue, mich gut eingecremt und eine Sonnenbrille dabei zu haben. Ich lasse ich es laufen und versuche nicht schneller zu fahren als ich durch die Nase atmen und den Kopf an die Nackenstütze anlehnen kann. Solche Regeln brauche zumindest ich, weil man die auch noch befolgen kann, wenn man für kompliziertere Selbsteinschätzungen vielleicht schon zu müde geworden ist. Was mir richtig gut gefallen hat ist mein neues Visier, das ich mir aus einem 1mm Lexan Rest geschnitten habe, es ist deutlich höher als das käufliche Visier, aber man ist nicht versteckt unter einer Haube, sondern kann Leute grüßen und fühlt sich freier, verschluckt nicht jedes Insekt UND hat nicht immer dieses Wummern auf den Ohren, das hat mich vorher beim komplett offen fahren fast wahnsinnig und beim Aussteigen halb taub gemacht. So kann ich sogar die Vögel beim fahren wieder singen hören.
Mittlerweile herrscht eine Affenhitze, knappe 30 Grad und ich komme mit dem Trinken kaum hinterher, nach 100km ist die Weiterfahrt nur noch als Fisch in Salzkruste möglich. Und überhaupt: Wo bleibt das ganze Essen? Ich esse jede Stunde irgend etwas, in der Not frisst der Teufel Fliegen und ich halt Müsliriegel, Fruchtschnitten, Bananen, obwohl ich das sonst in diesen Mengen nicht gern tue. Aber mir bleibt bei der Fahrt ein Völlegefühl ebenso wie ein Hungerast erspart.
Durch die neue Sitzposition werden die Gesäßmuskeln deutlich und die Knie etwas mehr beansprucht, dafür Achillessehne und Bereich neben Schienenbein überhaupt nicht. Ein Cleat steht schief, aber der ist derart eingegraben, dass er nicht mehr grade zu montieren ist, die Schuhe muss ich bald mal wegwerfen. Die Gegend südlich von Bremen ist erst noch leicht wellig und wird dann aber so flach, dass es irgendwann keinen mehr Spaß macht. Trotzdem gibt es immer wieder wunderschöne Orte, an denen ich gern angehalten hätte, diesmal habe ich aber nicht die Muße dazu, sondern konzentrierte mich darauf, locker weiter zu kurbeln. Erwartungsgemäß beschweren sich die Gesäßmuskeln irgendwann über fehlende Vorbereitung auf die neue Position, aber es fühlt sich dennoch richtig an.
Ich habe sicherheitshalber vorher ein paar Punkte festgelegt, die ich in vorgegebener Zeit erreichen wollte, um rechtzeitig feststellen zu können, ob nicht wegen zunehmender Erschöpfung vielleicht die ganze Fahrt besser abgebrochen werden sollte, aber wenn auch knapp, werden diese Ziele erreicht und es geht mir immer noch gut, also weiter.
Bis zum Fuß des Wiehengebirges ist der Schnitt auf irgendwas mit 35 geklettert, dann geht es bergauf und ich kurbele mit angemessener Zurückhaltung (=langsam) rauf, berghoch drücken ist nicht so mein Ding. Im Hügelland südlich des Wiehengebirges fühlt sich das VM und ich auch irgendwie wohler, mal kann man es laufen lassen und trotzdem einiges an Schwung den nächsten Hügel hinauf mitnehmen. Mit dem Navi innen auf dem rechten Radhaus montiert verfahre ich mich dennoch ein paar Male, weil die Lenkung immer noch zu unruhig ist und ich bei Tempo 50-70 schon nicht mehr gern und sei es auch kurz aufs Display gucke. @DanielDüsentrieb, was muss man noch mal tun, um die Lenkgeometrie ein bisschen zu beruhigen?
Eine Viertelstunde nach der berechneten Ankunft rolle ich dann auf den Hof und rieche schon das Holzfeuer. Mein Bruder staunt nicht schlecht und ich muss sagen, dass er weder mit dem Bau des Pizzaofens noch mit der Herstellung der Pizza darin seine Zeit vertan hat. Das war mit Abstand die leckerste Pizza seit langem, auch wenn sicher mein Kohldampf nach der langen Fahrt mit zu diesem Eindruck beigetragen hat. Gute 5 Liter Wasser und Obstsaft habe ich auf der Fahrt bis hier her getrunken und während des Aufenthaltes bei meinem Bruder kommt noch einiges hinzu.
Knapp über 200km bis hierher mit insgesamt einem 33er Schnitt nach GPS, mein Tacho behauptet mehr, aber ich habe den Umfang des kürzlich montierten Schwalbe One noch nicht eingegeben.
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