Ode ans Velomobil

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Ode ans Velomobil

16. JANUAR 2016

Am Samstagmittag, Sonnenschein,
steig ich in mein Fahrzeug ein
auch eine Kanne Tee muss mit
dann bleibt man auch bei Kälte fit.

Eine Karte brauche ich wohl nicht für die paar Stunden
hier dreh ich seit Jahren meine Runden
eine warme Jacke für den Fall der Havarie,
dreimal Holz, man weiß ja nie.

Die Straßen sind zumeist ganz frei
und die Landschaft surrt nur so vorbei
bei leichtem Frost treibt grau vom Meer
ein wenig Wind die Wolken vor sich her.

Nach Kopf und Hals ab Tempo dreißig
greift der Fahrtwind wirklich eisig
im Inneren der fahrenden Apparatur
herrscht dagegen angenehmere Temperatur.

Über mir seh ich Gänse in Formation
die Küste entlang nach Süden ziehn
aber allmählich meldet mein Verstand
beim Kurbeln einen Widerstand.

Im Geiste seh ich auf der Stelle
die schlimmsten Dinge als Fehlerquelle,
statt Vortrieb nur noch Rattern,
mich dann in der Kälte schnattern

und hilflos und mit klammen Fingern
Inbusschlüsseln und so Dingern
Bolzen losdrehn und - oh nein!
Warum geht der nicht mehr rein?

"Hallo Liebste, kurz und knapp
holst du mich mal eben ab?"
Bei aller Liebe, aber nein
dieses kann und darf nicht sein!

Also rechts ran, naja, was soll’s
der kleine Jung in mir hat seinen Stolz,
frisch ans Werk und alles aufgemacht
zum Glück hab ich das Werkzeug mitgebracht.

Vorne angefangen, eins, zwei, drei...
das Kettenleitrohr ist doch frei?
Sitz hinaus und nachgeschaut,
auch diese Rolle wird nicht ausgebaut.

"Und warum", frag ich leise fluchend
und die Unglücksursache suchend
"passieren solche Dinge immer nur
am entferntesten Punkt der ganzen Tour?”

Als wär das noch nicht genug, fängt obendrein
es grad noch kräftig an zu schneien.
Doch vier Schräubchen und ein paar Minuten später
find ich ganz hinten dann den Übeltäter.

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[DOUBLEPOST=1453551131][/DOUBLEPOST]Mein Schal hat sich hinten rein geschmuggelt
und sich ums Schaltwerk rumgewickelt
zum Glück ließ sich dieses nicht lange bitten
und hat ihn sauber mitten durchgeschnitten.

Nach dem Geschraube kann ich wieder treten
für die Weiterfahrt heißt's dennoch beten
denn mit den Schnee- und Grieselschauern
mag die auch wohl länger dauern.

Vor einer Bettelampel, hoch und fern
träume ich: “Jetzt hätt ich gern
ein rohes Schnitzel und nen langen Stecken,
dann müsst ich mich nur rüber recken..."

Da kommt im dichten Schneegestöber
aus dem Nirgendwo eine Frau herüber,
stellt die Ampel schnell für mich auf grün
und geht erst als ich drüben bin.

Die Sicht tendiert jetzt gegen Null
und ständig ist die Brille voll
doch auch nach dem Putzen hab ich keine Ahnung
von der Radwege Verlauf und Planung.

Der Schnee liegt in unberührter Schicht,
nur wo ich lang soll seh ich nicht.
Ich folge der Landstraße am linken Rand
und halt den Abstand zu ihr stur konstant.

Dieses geht eine Weile gut
und ich schöpfe wieder Mut
als "Himmel, macht der Radweg hier nen Schlenker???
Wer plant denn sowas nur, zum Henker!?”

Worauf ich (schlitter, schleuder, gegenlenk)
gerade noch rumkomm und dann denk
"Jetzt hilft nur Tiller grade und dann hoffen
Hahaaa! Schwein gehabt, die Furt getroffen!"

In dem weiteren Verlauf
fällt mir Folgendes dann auf:
Ist die Zahl der Räder zwei
kommt man mir schiebend nur entgegen
ich mit meinen drei
fahre halbwegs zügig noch hingegen
(obwohl Momente gibt's da wünscht ich mir
ich hätte sogar deren vier).

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[DOUBLEPOST=1453551243][/DOUBLEPOST]Doch bald darauf muss ich mich schinden
die Hangabtriebskraft zu überwinden
so viel ich strample, so viel ich schnauf
es geht die ganze Zeit bergauf, bergauf.

Ich komm in überhaupt und keiner Weise
auch nur halbwegs zügig auf die Reise
trotz gefühlt dreihundert Watt
bin ich sowohl langsam als auch platt.

Was bin ich bloß für eine Schnecke?!
Wobei, ich kenne diese Strecke!
An andren Tagen ist die eben
und als würd's hier Berge geben!

Eine Weile noch wühl ich wie in Trance
und seh am Ende nur eine Chance
"Runter von dem großen Blatt, zur Not per Hacke Fuß
muss die Kette, sonst ist Kacke gleich Schluss!"

Kein Umwerfer montiert, jaja da rächt sich
ein Kettenblatt so um die sechzig,
doch nach zwei Versuchen heißt es schon:
"Kettenabwurf, Endstation!"

Zwar ist nach etwas Rumgefrickel
die Kette wieder draufgewickelt,
aber der Schnee ist derart zäh,
dass ich ne Weile lieber geh.

Nach stundenlanger Dunkelheit
wird der Himmel plötzlich hoch und weit
taucht die Sonne alles in Gold und dann
hält die Welt einmal kurz den Atem an.

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Doch vier Schräubchen und ein paar Minuten später
find ich ganz hinten dann den Übeltäter.
Das Ende der Ode ist unvollständig,
weckt sie beim Leser doch ziemlich unbändig
den Drang, das Übel beim Namen zu nennen
-für eigene Fahrt das Werkzeug zu kennen.
:)
Gruß
Christoph

EDIT:
hätte ich mal auf den Teil 2 (und 3) gewartet.
Dankeschön. Klasse geschrieben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Musste echt schmunzeln, da ich mich durchaus an manchen Stellen wiedergefunden habe. ;) Aber Gott sei Dank geht nicht jede Tour so schief, und Momente wie der geschilderte (
wird der Himmel plötzlich hoch und weit
taucht die Sonne alles in Gold und dann
hält die Welt einmal kurz den Atem an.
), entschädigen für Vieles.
Toll geschrieben - Danke !!!:LOL:(y)
 
Eine Grünkohltour steht schon Spalier
leicht angetrunken und sie wünschen mir
eine gute Reise noch mit dem, äh, Ding
hahaha, ob ich mir wirklich sicher bin....

Der Schnee pappt derart, dass ich nun
gehe wie auf Stöckelschuhen
und so geh ich fröhlich winkend
würdevoll vorüber hinkend.
Schon nach der nächsten Biegung ist mir klar,
dass ich jetzt nach Hause fahr.

Das Hinterrad wird bei nächster Gelegenheit
von einem Riesenhaufen Schnee befreit.
Der hat gebremst, das will ich glauben,
aber der soll mir keine Kraft mehr rauben.

Die Straße hat nur eine Spur
immerhin, mit höchstens siebzig nur
doch werd ich weder angemacht
noch angehupt, noch ausgelacht
an einer Ampel seh ich neben mir
sogar einen Daumen oben - Dank dafür!

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[DOUBLEPOST=1453552176][/DOUBLEPOST]Eine Stunde später komme ich dann schließlich
aus eigener Kraft nach Hause und dort schließ ich
mein Fahrzeug an nach dieser langen Fahrt
und streiche mir zufrieden das Eis aus meinem Bart.

Gut, wie am Schnürchen lief's heut nie
bei meiner kleinen Landpartie
und zu deren Ende stehen auch nur
knapp neunzig Kilometer auf der Uhr.

Ein paar meiner Sorgen sind jetzt fort,
die waren heute Morgen noch an Bord,
haben Platz gemacht für das was blieb
von dem, das einfach so vorüber trieb.

Aber alles was am Ende zählt
und nebenher den Körper stählt:
Es ist meist lange noch nicht Schluss,
wenn man nicht nur will, sondern auch muss.

Das soll aber nicht dazu verleiten
sich blindlings in die Scheiß zu reiten,
denn ohne die rettende Kavallerie
lernt man dann selten oder nie.

Herausforderung mit Augenmaß
so macht die Sache auch noch Spaß,
nach einem guten Tag sag ich für meinen Teil:
Ich bin kaputt, der Rest ist heil.

Obwohl: der Schal.
Naja, egal.
 
So, ihr habt’s geschafft.

Ich entschuldige mich nachträglich bei allen empfindsamen Germanisten unter den Mitlesenden, aber es war mal an der Zeit, einigen Leuten meinen Dank auszusprechen.

@Reinhard für seinen unermüdlichen Einsatz, dieses Forum zu betreiben und in Schuss zu halten, denn angemeldet habe ich mich als Ruderradfahrer und fand mich zu meiner eigenen Überraschung aber irgendwann hauptsächlich bei den Velomobilen wieder, das Ergebnis ist bekannt.

denen, die die Velomobile mit unermüdlichem Einsatz bauen, verbessern und verkaufen. Meines läuft immer noch nicht ganz so rund wie ich mir das vorstelle, aber Spaß habe ich schon jede Menge damit, ich hoffe, das kam rüber

und Euch allen dafür, hier im Forum ihre wertvollen Erfahrungen weiterzugeben.

Ich habe jetzt zwar das Gefühl, noch irgend etwas Negatives sagen zu müssen, damit das nicht so eine Art Bambiverleihung wird, aber ich geh jetzt einfach mal eine Runde laufen

Passt auf Euch auf (ach verdammt :))
 
Einfach herrlich! Wie erheiternd zu lesen und wie gut man mitfühlen kann in so vielen Punkten.
Herzlichen Dank @Prion, Du hast mich gerade so richtig aufgemuntert! Hab schon lange nicht mehr so herzlich geschmunzelt.
Wen juckt da noch die Germanistik, es lebe die künstlerische Freiheit!

Und ja, was die Reaktionen auf Deine Photos betrifft, kann ich mich auch nur anschließen: traumhaft schön.
 
Wie heißt denn das Kraut, daß du rauchst? ;)

Butyl :)

Mit welcher Bereifung bist du gefahren?

Durano minus (also kein plus), damit käme ich auf Schnee keine echte Steigung rauf. Auf der Straße ging es ganz passabel, aber wenn das Hinterrad in festgefrorenen Spurrillen einfädelt, das kann ich mir durchaus unangenehm vorstellen, ein paar Andeutungen gab's bei der Fahrt. Noch beherrschbar, aber für die Zukunft habe ich überfrierenden tiefen Schneematsch als Kriterium abgespeichert, bei dem ich nicht mehr unbedingt losfahren muss.
@eisenherz hat's bei der Gelegenheit ja mal zerrissen.
 
War also nur Schneematsch. Mit den Duranos auf dem Mango bin ich schnell hängegeblieben. Mit dem DF habe ich bei dem Wetter eine Woche ausgesetzt. Für die nötigen Fahrten bin ich dem Mango los (hinten Moiree), bin aber auch ein paar mal hängengeblieben (vereiste festgefahrene Schneedecke).
 
Servus @Prion,

was für eine Ausfahrt (y)
Eine tolle Geschichte und das alles in Reimform (y)
Wir sind nur noch begeistert.

Könntest du bitte deinen Beitrag auch in diese Sammlung reinstellen.

Wir freuen uns auf weitere so erheiternde Dichtungen
 
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