Mit dem DF nach Portugal und Zurück

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Warnung vorweg:

das Folgende ist ziemlich lang und dessen Inhalt beinhaltet lediglich einen stinknormalen Reisebericht inkl. Vorbereitungsgelaber und ein paar langweilige Bilder auf denen zu allem Ueberfluss auch noch häufig ein Velomobil zu sehen ist.

Lesen auf eigene Gefahr! J

Seit Monaten schon freue ich mich auf diesen 31. Juli. Und dann ist es plötzlich soweit und ich sitze im DF bereit zur Abfahrt…….

Aber…..alles der Reihe nach:

……..Wie jedes Jahr verbringen wir unseren grossen Sommerurlaub in Portugal im Heimatdorf meiner Frau. Und wie immer sind wir auch dieses Jahr mit dem Auto hingefahren.

Das Ziel ist eigentlich immer ziemlich zügig und direkt da unten anzukommen. Trotzdem verändern wir im Laufe der Jahre zumindest einen kleinen Teil der Route etwas Richtung landschaftlich reizvoller anstatt immer nur die schnellste und direkteste Verbindung zu wählen.

Das Ganze mit dem VM zurückzulegen bleibt aber seit Jahren mein geheimer Traum welcher dann mit der immer attraktiver werdenden Autofahrt und nicht zuletzt auch wegen TimB zunehmend in den Vordergrund tritt.

Meiner Frau zuliebe ergeben sich längere als einen ganzen Tag dauernde Velomobil-Touren immer nur anlässlich eines Neukaufs eines VMs während dessen Ueberführungsfahrt.

……..dann kurz vor der Abfahrt, wir beide sitzen schon im beladenen Auto, schaue ich meine Frau an und verkünde ihr: Nächstes Jahr mach ich diese Tour mal per VM und du könntest doch den Flieger nehmen, ja?


JA!

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Durch Hausumbau- und Renovation mit viel Eigenleistung hatte mein Trainingszustand den wohl tiefsten Stand in meiner VM-„Karriere“ erreicht.

Eine auf diese Tour ausgerichtete gründliche körperliche Vorbereitung mittels intensivem Training erschien mir daher mehr als angebracht.

Ich erhöhte mein übliches Trainingsprogramm nach und nach bis ich etwa vier Monate vor der geplanten Abfahrt täglich vor der Arbeit mindestens 2 Stunden trainierte und jeden Montag eine Ganztagestour von zwischen 250 und 350 km absolvierte.

Auch fahrzeug- und ausrüstungsmässig galt es einen tourfähigen Zustand zu erstellen, plante ich doch die Reise allein und ohne jegliche Begleitung zu machen.

Mein Werkzeugset inkl. Ersatzteillager (welches ich HIER schon erwähnt hatte) wurde immer umfangreicher bis dann zuletzt ein wasserdichter Packsack mit 10 Litern Inhalt zur Unterbringung nötig wurde.

Dank den zu erwartenden Temperaturen im August konnte ich die Kleidung auf ein Minimum reduzieren und problemlos in einem zweiten 10-Liter Sack verstauen.

Um möglichst realitätsnah zu trainieren führte ich sämtliches Reisegepäck von knapp 20 kg auf all meinen Trainingsfahrten mit.

Zur Steigerung der Trainingseffizienz wurden die letzten 2 Monate dann rundum noch Marathon Plus montiert………..noch nie hatte ich während des Trainings so oft die Reifen auf eventuelle Platten untersucht und zigmal Rolltests gemacht……. so schlecht konnte doch das gar nicht rollen………das war hart….:))

Einen Vorteil boten die M+. Ich hatte während diesen 2 Monaten tatsächlich keinen einzigen Platten J.

2 Wochen vor Abfahrt montierte ich dann für die Reise vorne 28mm Durano Plus und hinten einen normalen 28mm Durano (geplant war hinten den Durano DD zu fahren welcher aber seltsamerweise nicht verfügbar war).
Ein absoluter Wahnsinn wie das plötzlich rollte……..ich bildete mir ein gleich doppelt so schnell als vorher unterwegs zu sein (VM-fahren vernebelt halt doch die SinneJ).

Das Fahrzeug sonst irgendwie speziell vorzubereiten war nicht nötig da alles bis jetzt tadellos funktioniert hatte.
Als einzigen Zusatz fertigte ich einen gepolsterten Aluhalter welcher seitlich oberhalb des rechten Radkastens und etwas nach hinten versetzt an die Bordwand geklebt wurde und meinen Selfiestick mit eingeklemmtem Smartphone für Fotos und Videos griffbereit halten soll.

Grösseres Kopfzerbrechen bereite mir die Sorge um genügend Sonnenschutz im Kopfbereich weshalb ich die Anschaffung eines Versatile-Dachs (HIER diskutiert) ins Auge fasste. Auf der anderen Seite wollte ich nicht noch zusätzliche Ausstattung mitschleppen welche bei Nichtgebrauch mangels Platz nirgendwo verstaut werden könnte.
Verschiedene Lösungen mit möglichen und bis zu lächerlich unmöglichen Kopfbedeckungen wurden ausprobiert.

Das Ergebnis meiner Experimente ist zwar optisch für viele eine Faust aufs Auge, die optimale Funktion und Bequemlichkeit steht für mich aber im Vordergrund.

Die Basis bildete ein relativ günstiger einfacher Fahrradhelm in fluoreszierender Farbe welcher mittels Klett, Moskitonetz für Fenster, zurechtgestutzter Isomatte und einem auseinandergeschnittenen Sinner-Kopfvisier von der Spezi zu einem exzellent funktionierenden Sonnenschutz modifiziert wurde.

Von vorherigen Ueberführungsfahrten (bei Interesse HIER, HIER und HIER nachzulesen) hatte ich doch schon einige Erfahrung bezüglich Verpackung und Beladung.

Einzig die bereits erwähnten zwei wasserdichten Packsäcke mit Rollverschluss wurden extra angeschafft. Diese passen vorzüglich neben den hinteren Radkasten. Damit sind sämtliche Kleidung, Necessaire sowie Werkzeuge, Ersatzteile und Ladegeräte feuchtigkeitsgeschützt bereits verstaut.

Eine kleine Tragtasche mit 3 Reserve-Duranos und die Mini-Apotheke fanden hinter den Packsäcken noch Platz.

Die wasserdichte Bananentasche mit Geld, Ausweisen und Schlüsseln ruht während der Fahrt rechts auf der Ablage hinter dem Sitz. Als einzige Schuhe (ausser den Fahrradschuhen) stopfe ich dann noch meine unverzichtbaren CROCS, in einer IKEA-Tragetasche eingewickelt, in den Kopfhubbel.

Das Master-Lock-Schloss hängt aufgewickelt an der Sitzabstützung auf dem hinteren Radkasten. Unter dem Sitz liegen eine 1,5 lt PET-Flasche Mineralwasser, ein Liter Orangensaft sowie die 0,5 Liter Pflanzen-Sprühflasche zur Bremsenkühlung.

Links neben dem Sitz finden eine verschraubbare Plastikdose voll mit Energie-Riegeln und- Gels und eine gleich hinter dem Radkasten am Boden angeklettete Vorratsdose mit Linsenmittel und Taschenlampe ihren Platz.

Rechts vom Sitz eine weitere geklettete Vorratsdose mit Taschentüchern und Kopftüchern (für was wird später erklärt), dahinter eine 0,75 lt Trinkflasche mit Wasser und eine weitere mit Elektrolyt-Getränk. Zwischen vorderer Sitzkante und Lenkgestängetunnelabdeckung wartet ebenfalls griffgünstig eine dritte Trinkflasche mit Wasser.
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Die beiden Akkus sind geladen, der Edge 800 (mit aktiviertem mittels BRouter geplantem Track) am Tiller eingeklickt, das Smartphone im Selfiestick hängt im Halter, kurze Lichtkontrolle (ich fahre prinzipiell bei Tag und Nacht mit Licht), Schuhe eingeklickt……

und am 31. Juli morgens um 8Uhr10 geht’s los……..

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Trotz reichhaltigem und ausgewogenem Frühstück rolle ich mit einem leicht flauen Gefühl im Magen die ersten Kilometer gemütlich zum Anwärmen dahin. Was würde ich im Verlauf der knapp 4000 km alles erleben. Eigentlich ist es doch nur eine etwas verlängerte Ueberführungsfahrt redete ich mir ein.

Dank recht flachem Strassenverlauf mit wenigen leichten Wellen erhöhe ich schonend warm gefahren etwas die Leistung und cruise auf mir noch bekanntem Terrain mit um die 45 km/h Richtung Westen. Mein DF liegt satt auf der Strasse und federt dank üppigem Gepäck sanft und komfortabel.

Erst jetzt wird mir langsam bewusst welch aufregende und wunderbare Reise ich vor mir habe. Ich komme mir an diesem Sonntag morgen auf den fast menschenleeren Strassen wie ein König vor und geniesse das flotte Vorwärtskommen unter zunehmend bewölktem Himmel.

Die vortags angekündigte Gewitterfront erwischt mich mit einer viertelstündigen sintflutartigen Regenschauer. Die Strasse ist kaum mehr zu sehen und mein Oberkörper ist im Nu komplett durchnässt. Doch es macht mir nichts aus. Ich schwitze und mir ist warm, da kommt es auf etwas mehr oder weniger Wasser von oben auch nicht an.

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In Neuchâtel begrüsst mich bereits wieder die Sonne. Das erste Mal für heute aktiviere ich den MountainDrive (Umbaubericht für Interessierte HIER) und biege rechts Richtung Jura ab und kurble mich gemütlich ins Val de Travers hoch. Kurz vor dem Grenzübertritt nach Frankreich in Les Verrières gönne ich mir bereits den ersten Energienachschub in einem kleinen Tankstellenshop. Die ersten 2 Liter Wasser sind verbraucht und werden ebenfalls wieder aufgestockt.

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Die Grenze ist nicht besetzt und so geht’s auf angenehmer Fahrbahnqualität weiter bis ich dann nach Pontarlier erstmals in eine mir unbekannte Gegend eindringe.

Mittlerweile ist es sommerlich warm geworden aber der stetige Fahrtwind durch die hohen Geschwindigkeiten der meist abfallenden Route kühlt immer noch angenehm trotz montiertem Minivisier von velomobiel.nl. Anfangs wollte ich auf dessen Mitführen angesichts der zu erwartenden Temperaturen verzichten doch würde sich dies im späteren Verlauf der Reise als ein zu bereuender Fehler entpuppen.

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In der Gegend von Lons le Saunier verlasse ich den Jura und erreiche auf überwiegend flacher Strecke die hübsche Stadt Chalon-sur-Saône.

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In einem gemütlichen Restaurant im Stadtzentrum geniesse ich eine deftige Portion Pasta mit Lachs und überlege dabei mein weiteres Vorgehen. Immer wieder werde ich über mein seltsames Fahrzeug ausgefragt, x-fach fotografiert. Speziell Interessierten gebe ich auch gerne eines meiner zuvor zuhause vorbereiteten Informationsblätter über VM ab.

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Fortsetzung nächster Beitrag....
 
Die nächst grössere Ortschaft mit entsprechendem Hotelangebot schien mir für diesen Tag etwas zu weit weg und so buchte ich im lokalen Hotel Campanile (eine mir von früheren Besuchen bestens bekannte Hotelkette) ein Zimmer bewusst im Erdgeschoss.

Knapp an der Hecke vorbei passte das DF wunderbar durch die Hoteltür und fand neben meinem Bett eine würdige und vor allem diebstahlsichere Bleibe für die Nacht…..

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Am nächsten Morgen führt mich meine Route durch ein Stück der wunderschönen Weinberge des Burgunds. Zwei knackige Anstiege gefolgt von einer längeren Abwärtspartie und weiteren 100 km mit längeren steilen Aufstiegen und Abfahrten. Die Temperaturen bleiben bis am frühen Abend im angenehmen 25 Grad Bereich mit teils leichter Bewölkung und auch absolut wolkenlosen Abschnitten.

Dem Canal du centre folgend benutze ich ausschliesslich Strasse und meide jeden Radweg sofern überhaupt vorhanden. Erstaunlicherweise werde ich im Verkehr extrem respektiert und mit grosszügigem Seitenabstand überholt.

Regelmässig ernte ich einen Daumen-hoch und zig-mal werden von Beifahrern Fotos und Videos geschossen.

In einer kleinen Epicerie im Dorf Ecuisses direkt am Kanal fülle ich abermals meine Wasser- und Verpflegungsvorräte auf. Der Inhaber ist dabei derart von meinem VM fasziniert, dass er kurzerhand ein Bild davon auf seiner Facebook-Seite publiziert. (LINK).

Die Strassen entlang des Kanals sind übrigens trotz Hochsaison sehr verkehrsarm, in ausgezeichnetem Zustand und dadurch zügig zu befahren.

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In der Gegend von Moulins bietet sich als einzige einigermassen direkte Verbindung Richtung Westen eine etwas weniger amüsante vierspurige Schnellstrasse an. Es rollt aber mit meistens über 50 km/h sehr gut und mit dem dadurch geringeren Geschwindigkeits-Unterschied zwischen mir und dem übrigen Verkehr ist auch dieser Abschnitt erträglich zu meistern.

Nach ca. 25 km stetigem Bergab erreiche ich die Kleinstadt St. Armand-Montrond. Bei einem kurzen Bistro-Aufenthalt finde ich dann aufgrund einer Empfehlung eines Tischnachbars eine sehr angenehme Unterkunft. Deren Besitzerin weist mir ungefragt einen Platz im Frühstücksraum für mein VM zu mit der Bitte vor 6Uhr45 morgens diesen wieder zu räumen.

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Es ist erstaunlich wieviel Zuvorkommenheit von Personal mit etwas Freundlichkeit und einem kurzen aber angeregten Gespräch über Fortbewegung per Muskelkraft erreicht werden kann.

Ein grosszügiges Abendessen mit köstlichem Nachtisch aus der vorzüglichen Küche im Garten bei Sonnenuntergang bildet den Abschluss dieses Tages. Leider bin ich zu müde um noch von einem Bad im Pool zu profitieren.

Am nächsten Tag werde ich nach dem Frühstück herzlich von der ganzen Belegschaft verabschiedet. Nach scheinbar endlosem Frage und Antwort-Spiel zwischen Gästen und mir nehme ich bei strahlendstem Sonnenschein die nächste Etappe unter die Räder.

Die Fahrt verläuft eher unspektakulär bis sich im Dorf St. Août eine Strassensperre in meinen geplanten Track stellt. Ein Dorf mit unter 1000 Einwohnern aber ein Hauptstrassen-Markt im Ausmass wie der einer 50'000 Einwohner-Stadt. Also anhalten und eine Umfahrungsroute suchen.

Wie ein Magnet zieht mein DF die Marktbesucher von den Ständen weg. Es ist einfach unglaublich für welches Aufsehen ein ungewöhnliches Fahrzeug sorgen kann. Die lokale Polizei führt mich dann auf einem nicht einmal im Navi verzeichneten Weg um den Ort herum auf meinen Track zurück.

Weiter geht’s durch den riesigen Natur-Park de la Brenne wo ich zeitweise während einer Viertelstunde kein Fahrzeug antreffe. Die Strassen sind schön zu fahren und der dichte Wald bietet erlösenden Schatten, klettern doch die Temperaturen heute Richtung 30 Grad.

Ich fahre an einem militärischen Sperrgebiet vorbei in dessem Bereich auf mehreren Kilometern Strecke absolutes Halte- und Fotografierverbot herrscht. Die haushohen Antennenanlagen hinter meterhohem Stacheldrahtzaun inmitten der dunklen Baumlandschaft erzeugen ein gespenstiges und unwirtliches Ambiente welches ich gerne zügig hinter mir lasse.

Dann nach weiteren Kilometern meldet sich ein eigentlich von mir erwartetes Ereignis: Schon bei der Montage des rechten Duranos fiel mir dessen leicht unrunder Lauf auf.

Ein ohrenbetäubender Knall wie ein Pistolenschuss unterbricht die Fahrt. Aber erstaunlich wie gut sich die Fuhre trotz Volllast und 60 km/h Geschwindigkeit problemlos und kontrollierbar zum Stehen bringen lässt.

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Der Reifen ist nach wenigen hundert Kilometern Laufleistung mitten auf der Lauffläche geplatzt. Die Inspektion des linken noch intakten Reifens kündigt mit einer leichten Beule ein ähnliches Schadensbild an und so wechsle ich vorsichtshalber beide Pneus. Da hatte ich wohl ein schlechtes Lot erwischt.

Leider habe ich nun keinen Ersatz mehr für die Vorderräder dabei.

Doch ein kurzes Telefonat mit dem Team von Cycles JV Fenioux sorgte wieder für meine Beruhigung. Sie würden mir per Kurier Ersatzpneus (noch dazu die von mir gewünschten) aus Ihrem Lager postlagernd in eine grössere Stadt auf meiner Route senden.

Erleichtert gehts in einer weiten Linksschleife unterhalb von Poitiers weiter Richtung Atlantik und ich erreiche ohne weitere Vorkommnisse meine nächste Unterkunft, ein kleines 2 Stern Hotel in einem unspektakulären Ort namens Civray.

Am nächsten Morgen trennen mich etwas weniger als 150 km von der Hauptpost in Royan welche hoffentlich eine Sendung mit begehrtem Inhalt für mich erhalten hat.

Schon von weitem glitzert mir der leicht bewegte Atlantik entgegen und kurz nach Mittag nehme ich beruhigt mein Päckchen entgegen.

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Nach einem stärkenden Mittagessen mit frisch gepresstem Zitronensaft in einem Hafenrestaurant gönne ich mir die 20 Minuten Fährüberfahrt nach Le Verdon sur Mer. Wieder wird das VM von Passagieren wie auch von der halben Schiffs-Besatzung belagert.

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Ich geniesse derweil den fantastischen Ausblick auf die Weiten des Atlantik. Das unruhige braune Wasser schäumt wild unter dem Schub des Schiffsantriebs und wir nähern uns rasch der angesteuerten Landzunge.

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Die touristische Anziehungskraft ist in diesem Gebiet deutlich zu spüren und widerspiegelt sich auch im Verkehrsaufkommen beim Verlassen der Fähre. Glücklicherweise kann ich die mehrere kilometerlange Autoschlange links liegenlassen und erreiche dank des VM-optimierten Tracks schnell eine wenig befahrene und flache Strasse in Küstennähe. Mit hoher Durchschnittsgeschwindigkeit „fliege“ ich Richtung Bordeaux ohne dass mir die bereits anbrechende Nacht richtig bewusst wird. Der Magen meldet Hunger und ich bestelle mir schon in später Nacht eine Pizza.

Die Recherche nach einer Uebernachtungsmöglichkeit gestaltet sich heute mangels Unterkünfte etwas schwieriger. Das beste Angebot böte sich in Bordeaux selber doch bevorzuge ich eindeutig die etwas ruhigere und ländlichere Gegend der Grossstadt.

Kurz bevor mein Essen vor mir auf dem Tisch steht finde ich ein Hotel in Mios mit allerdings zu dieser Zeit schon geschlossener Reception. Glücklicherweise kann man aber dort trotzdem per Kreditkarte buchen und mittels Zahlencode ins Zimmer gelangen. Erleichtert über die erfolgreiche Suche nach einem Bett geniesse ich die wunderbar duftende Pizza doppelt.

Die anschliessenden 25 km bis zum Hotel dienen als willkommenes Verdauungsfährtchen und etwas vor Mitternacht schiebe ich mein DF in den menschenleeren Empfangsraum.

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Das Gepäckausräumen wird vom offensichtlich im Hotel wohnenden Hotelleiter unterbrochen: Ich könne mein Vehikel hier nicht stehenlassen…….

Auweia……..das gibt Aerger denke ich mir und bevor ich antworten kann, schlägt mir der freundliche Herr den abgeschlossenen Elektroraum als Abstellplatz vor. Es sei zu gefährlich so ein wertvolles Fahrzeug unbewacht im für alle Gäste zugänglichen, öffentlichen Bereich stehen zulassen.
Wo ich hin komme werde ich quasi mit offenen Armen empfangen.

Am nächsten Morgen honoriere ich diese aussergewöhnliche Gastfreundschaft gerne mit einem Euroschein.

Die Weiterfahrt führt mich durch typische Orte in Strandnähe, mal etwas weiter, mal etwas näher von der Küste entfernt. Das Meer selbst ist fast nie zu sehen ausser man wählt eines der zahlreichen Strässchen und fährt einige Kilometer über Hügel und dann hinunter zu den kilometerlangen Stränden.

Ab Bayonne weicht das entspannte Gleiten durch ruhige Weiten einer hektischen Grossstadt-Atmosphäre mit dem üblichen Touristikgewimmel und entsprechendem Verkehrschaos. Der kurze Strandbesuch in St. Jean de Luz entschädigt dafür etwas für die unerfreuliche Durchquerung dieser Gegend.

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Dann inmitten einer unattraktiven Betonlandschaft übersehe ich fast den äusserst unscheinbaren Grenzübertritt nach Spanien. Ein Bild muss trotzdem sein denke ich und halte auf einer Sperrfläche an.

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Der Anstieg in die Pyrrenäen beginnt unmittelbar nach dem Passieren der Grenze über die einzig mit Fahrrädern legal befahrbare Strasse, einer stark frequentierten vierspurigen Schnellstrasse mit einem glücklicherweise grosszügigen und mit VM gut zu befahrenden Pannenstreifen.

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Strassenschilder mit bizarr klingenden Ortsnamen lassen einen mit Bestimmtheit wissen: Hier haben die Basken das Sagen.

Die Strasse schlängelt sich durch das teils abenteuerlich geformte Bergmassiv und je weiter die Grenze zurückliegt desto weniger wird der Verkehr und damit verringert sich auch spürbar die Schadstoffbelastung. Die nunmehr nur noch zweispurig geführte Strasse ist jetzt sogar angenehm zu fahren.

Auffallend auch hier wenn nicht sogar noch ausgeprägter als in Frankreich: kein knappes Ueberholen! Auto- wie auch LKW-Fahrer warten lieber bis der Gegenverkehr komplett vorbei ist bis dann in fast übertrieben grossem Abstand überholt wird.

Das in den Pyrrenäen häufig anzutreffende Wetter erwartet auch mich wenn auch nur in Form eines leichten Nieselregens der während den Anstiegen mitunter sogar angenehm kühlend wirkt.

Wenig später aber verdunkelt sich der Himmel hinter den Bergen bedrohlich und ich mache einen Mahlzeitenhalt in einem strassennahen Einkaufscenter. Keine 2 Minuten unter dem gedeckten Eingangsbereich parkiert fängt es auch schon so stark in Strömen zu giessen an, dass das etwa 100 m entfernte Ende des Parkplatzes fast nicht mehr zu erkennen ist.

Während einige Kunden ungeduldig unter dem Vordach auf eine Regenpause warten um zu Ihren Fahrzeugen zu gelangen geniesse ich meine erste echt spanische Tortilla und dazu einen frisch gepressten Orangensaft.

Mittlerweile wird es schon wieder dunkel und ich mach mich erneut Online auf die Suche nach einer Bleibe für die Nacht. Die Suche spuckt erstaunlich wenige Möglichkeiten im Umkreis von 30 km aus doch werde ich auch heute nach 3 Telefonaten fündig.

Pünktlich zum Essensende inkl. Hotelbuchung gibt der Regen nach und ich nehme die wenigen Kilometer zur Unterkunft in Angriff.

Auf einer kleinen Anhöhe erwartet mich ein luxuriös aussehendes 4 Sterne-Hotel (übrigens meine teuerste Unterkunft auf der ganzen Reise). Beim Betreten der mit schneeweissen Hochglanz-Fliesen und Wänden ausgestatteten Empfangshalle fühle ich mich in meinem verschwitzten Rad-Outfit mit meinen zwei Packsäcken in den Händen fast etwas deplaziert.

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Das Personal ist sich aber offensichtlich auch nicht luxusorientierte Kundschaft gewöhnt, bieten Sie mir doch sogleich einen separat abgeschlossenen Raum für das DF an.

Mit dem umfangreichsten Frühstück der ganzen Tour im Magen trete ich abermals in die Pedale. Je besser das Frühstück desto höher die Leistung denke ich mir und freue mich wie zügig es die ersten 50 km stetig bergan geht. Etwas vor Beasain routet mich das Garmin vom grossen Verkehrsstrom neben der Autopista weg in ein Seitental auf eine etwas steilere und kurvige Bergstrasse mit sehr wenig Verkehr. Es wird rasch warm aber die zahlreichen bewaldeten Teilstücke bieten immer wieder kühlenden Schatten und zusammen mit dem strassenbegleitenden Flüsschen herrscht ein angenehmes Klima.

Kurz vor der Passhöhe von Lizarrusti wird Energie-Nachschub nötig. Der Wirt des Gasthauses mit eingegliedertem Kleinst-Naturmuseum versteht sofort und bereitet mir einen mehr als grosszügigen Teller mit Tomaten-Spaghetti zu. Mit einem Tischnachbarn ergibt sich sogleich ein interessantes Gespräch über…………. natürlich Velomobile, was sonst J.

Der gebürtige Portugiese ist auf mehrtägiger Wanderschaft in der Region, fragt mich Löcher in den Bauch, beherrscht mehrere Sprachen und so unterhalten wir uns abwechselnd in portugiesisch, französisch, englisch und sogar etwas in deutsch.

Die in 500 m liegende Passhöhe ist schnell erreicht und ich wechsle ab hier in die Provinz Navarra
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und geniesse eine kurze Abfahrt welche dann in eine gut ausgebaute Regionalstrasse auf einer Art Hochebene Richtung Vitoria führt. Diese nicht sonderlich attraktive Grossstadt lasse ich über eine Umfahrungsstrasse links liegen.

Das bergige Gebiet der Pyrrenäen verlassend rausche ich unter nur leicht bewölktem Himmel durch die rundum von verschiedenen Bergketten begrenzte Ebene des Rioja.

Kurz vor Miranda de Ebro trübt ein mehrere Kilometer langer nur dürftig und teils stark ansteigender asphaltierter Wirtschaftsweg etwas den Fahrspass. Ich gönne mir im Schatten der mittlerweile rar gewordenen Bäume eine von zahlreichen Pausen. Ein Schluck Grapefruitsaft, ein Energiegel und eine Banane wirken Wunder und geben neuen Schub für den bevorstehenden langen, aber sehr gut ausgebauten Anstieg zum Puerto (Pass) de Burgos.

Die Route quert dabei durch eine Art Schlucht eine kurze Bergkette und führt anschliessend durch flaches und über weite Strecken unbewohntes Land.

Tausende sandbeiger Felder zeugen von hoher Wasserarmut welche nur vereinzelt von oasenhaft durch künstliche Bewässerung bewirtschaftete Stellen unterbrochen werden.

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Des öfteren schiele ich während der Fahrt auf die Vorderreifen um wegen bescheidener Geschwindigkeit einen etwaigen Platten zu entdecken nur um dann festzustellen, dass die in weiten Teilen schnurgeraden und scheinbar flach verlaufenden Strassen den MountainDrive verlangen.

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Die kastilische Stadt Burgos erreiche ich nach einer ca. 20 km langen Abfahrt des eben erklommenen Passes von 970 m mühelos.

Der Hotelangestellte ist beim Anblick des bei der Buchung per Telefon angekündigten, etwas grösseren Fahrrades sichtlich beunruhigt und kratzt sich verdutzt am Hinterkopf. Der übliche Fahrradraum sei zu klein entgegnet er aber draussen stehen lassen könne man so etwas Aussergewöhnliches auch nicht. Kurzerhand räumt er im engen Frühstücksraum die Stühle und Tische beiseite und hilft mir das VM um die Ecke zu tragen.

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Nach dem üblichen alltäglichen Duschen, Wäschewaschen und der Steckdosensuche zur Ladung von GPS und Licht-Akku beschliesse ich aufgrund der etwas anstrengenderen heutigen Etappe früher zum Essen zu gehen.

In den 10 Minuten Wartezeit bis zur Ankunft des Kochs (in Spanien wird spät zu Abend gegessen und daher öffnen die Küchen üblicherweise erst ab 21 Uhr) genehmige ich mir einen Aperitiv in Form eines frischgepressten Orangensaftes auf Eis (nein, ich lasse mir kein erfrischend kühles Bier die Gurgel runterlaufen, ich konsumiere nämlich absolut gar keinen Alkohol J)

Der nächste Tag begrüsst mich mit strahlendem Sonnenschein und mit bereits am frühen Morgen ziemlich hohen Temperaturen. Bei der frühesten Möglichkeit mach ich bei einem kleinen Supermarkt Halt um genügend Flüssigkeit und etwas frisches Obst einzukaufen.

Nun zufällig der Pilgerroute des heiligen St. Jakob folgend scheint die sonst gute Strasse in der Ortschaft Cavia am Rio Arlanzon ein abruptes Ende zu nehmen und das Navi schickt mich auf eine Schotterpiste. Als ausschliesslich „Nur-Asphalt-Fahrer“ suche ich nach 200 m Duranomalträtieren die Umgebung auf dem kleinen Bildschirm nach einer Alternative ab und erspähe einen weiteren in dieselbe Richtung führenden Weg jenseits des Flusses und der Autobahn und beschliesse mein Glück dort zu versuchen.

Ich wende und kreuze den kurz zuvor von mir überholten holländischen Fahrradfahrer welcher mich verwundert darauf aufmerksam macht, den falschen Weg eingeschlagen zu haben. Der 68 jährige braungebrannte Mann durchfährt diese Route mit immer dem gleichen Ziel Santiago de Compostela bereits das 3 Mal in seinem Leben.

Der gewählte Alternativ-Weg entpuppt sich als in noch schlimmerem Zustand und so fahre ich kurzerhand auf die parallelführende Autovia de Castilla auf (Auto-Vias sind mautfreie Autobahnen und dürfen in Spanien von Fahrradfahrern benutzt werden, die gebührenpflichtigen Auto-Pistas hingegen sind tabu).

Dank spärlichem Verkehr sind die wenigen Kilometer absolut stressfrei zurückzulegen bis mich dann ein Verbotsschild wieder auf eine gut befestigte Regionalstrasse verweist. Als einzige Verbindung in der gewünschten Richtung bleibt mir nicht anderes übrig als der nunmehr kurvigen und teils sehr steil ansteigenden Route zu folgen.

Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel, kein Wölkchen weit und breit und ich erklimme langsam aber stetig den kargen Berggürtel. Das Thermometer zeigt 42 Grad und ich sauge im 2 Minuten-Takt an meiner Wasserflasche dessen lauwarmer Inhalt schon seit geraumer Zeit nicht mehr erfrischt.

Meine Haut quittiert die fast vergeblichen Körper-Kühlungsversuche mit heftiger Schweissabsonderung welche sich am Unterarm zu einem Rinnsal sammelt und auf dem Karbonboden eine hin- und herschwappende Lache bildet. Bei jedem kurzen Halt erinnert das Tropfen unter dem VM an den von einer Auto-Klimaanlage verursachten Kondenswasserfleck.

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Dank dem mit extrabreiter Sonnenkrempe ausgestatteten Helm bleibe ich aber von jeglichem Sonnenbrand verschont. Das Anfangs erwähnte Kopftuch deckt unter dem Helm getragen zuverlässig die offenen Lüftungsöffnungen des Helms ab und verhindert so die direkte Sonneneinstrahlung. Die bisher noch nicht zum Einsatz gekommene Bremsenkühl-Spritzflasche verwende ich in dieser besonders heissen Gegend zum Kopfbesprühen. Jeder Spritzer durch die Helmöffnungen auf das Kopftuch ist eine Wohltat.

Ueberhaupt sind die hohen Aussen-Temperaturen im VM erstaunlich gut auszuhalten und die Gefahr eines Sonnenbrandes an jeder anderen Körperstelle praktisch ausgeschlossen.

Ein gutes Stück vor Palencia bis vor Zamora ernte ich dann während etwa 100 km Strecke den Lohn für die vorherigen Strapazen: der Tacho zeigt immer über 55 km/h oder mehr an.

In Zamora stürze ich mich auf das erste verfügbare Bistro und bestelle mir ein wohlverdientes eisgekühltes Mineralwasser. Auch am frühen Abend herrschen dabei immer noch 32 Grad.

Trotz dieser extremen Schwitztour befinde ich mich zu meinem eigenen Erstaunen immer noch in ausgezeichneter Verfassung und entscheide mich nach der erfolgreichen Hotelbuchung für eine Weiterfahrt bis nach Alcañices unweit der portugiesischen Grenze.

Ein in die Jahre gekommenes 2 Sterne-Hotel mit Basis-Komfort zum Schnäppchenpreis dient diese Nacht als Unterkunft. Das DF kriegt einen grosszügigen Abstellplatz neben Kartoffelkisten in einer abschliessbaren Festhalle.

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Nach einem vorzüglichen Nachtessen mit Vorspeise, Hauptspeise und doppelter Nachspeise im hoteleigenen Restaurant (habe ich schon erwähnt, dass ich extrem gerne Süssspeisen mag) freue ich mich auf einen erholsamen Schlaf.

Ich beginne den Tag etwas später, da die bevorstehende Etappe lediglich knappe 70 km lang ist aber einige knackige Anstiege bereit hält.
Nach einem spärlichen Frühstück (für 2Euro50 erwartet man selbstverständlich nicht ein üppiges Buffet) mach ich mich gemächlich auf den Weg Richtung Vimioso.

Der obligatorische Fototermin an der portugiesischen Grenze ist schnell erledigt und mit spürbarem „Stalldrang“ strample ich die ersten Anstiege des nordöstlichst von Portugal gelegenen Distrikts „Trás-os-montes“ (was soviel heisst wie „hinter-den-Bergen“) hoch.

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Welch eine Ueberraschung als mir dann zwischen Vimioso und Izeda der Wagen meines Schwiegervaters inkl. meiner Frau, Schwiegervater und Schwiegermutter entgegenkommt welcher mich die letzten 30 km bis zur Ankunft im Heimatdorf meiner Frau begleitet.

Ich geniesse nun einige Tage zusammen mit meiner Frau und Familie aber im Hinterkopf bin ich schnell wieder bereit zum Antreten der Rückfahrt in die Schweiz.

Das DF ist für viele Dorfbewohner wohl das seltsamste Vehikel welches sie jemals gesehen haben. Einige klopfen mir ob der absolvierten Reise anerkennend auf die Schulter und sprechen von herausragender Leistung, Andere können das Wahrgenommene kaum glauben und schauen sprachlos der sich um das VM gebildeten Menschenmenge zu.

***

Anders als geplant erreiche ich nicht über dieselbe Route die spanische Grenze sondern wähle die etwas weniger Höhenmeter bereithaltende Strasse über die Hauptstadt Bragança von Trás-os-montes. Den ersten Fotohalt mache ich nach nur 23 km im Zentrum auf dem praça da sé welcher zusammen mit dem im Hintergrund sichtbaren castelo (Schloss) eine würdige Kulisse für das DF darstellt.

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Der Himmel zeigt sich wolkenverhangen und ab und zu findet ein Regentropfen den Weg auf meine Schutzbrille. Der lange Anstieg über die Grenze nach Spanien bis nach Alcañices gestaltet sich trotz einigen Mehrkilometern und nicht zuletzt auch wegen der deutlich angenehmeren Temperaturen bedeutend weniger anstrengend als bei der Hinfahrt.

Ich folge mit einer kleinen Ausnahme der gleichen Route wie auf der Hinfahrt bis Zamora. Die Befahrung der Brücke über den Stausee Ricobayo ist aus unverständlichen Gründen aus dieser Richtung für Fahrräder verboten. Dies bedeutet einige zusätzliche Höhenmeter über eine dafür landschaftlich sehr reizvolle Lokalstrasse zwischen Ricobayo und Muelas del pan.

Nach Zamora führt mein Track Richtung Osten über auf weiten Teilen schnurgeraden, leicht welligen Strassen teils neben dem Fluss Duero durch die kastilische Ebene an den Orten Toro und Tordesillas vorbei. Die meisten Anstiege kann ich mit Schwung und ohne grossen Geschwindigkeitsverlust „mitnehmen“.

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Ab Tordesillas gilt es die ansonsten direkte Verbindung nach Valladolid per Autovia de Castilla durch eine weite Umfahrungsschleife Richtung Süden zu ersetzen. In der Realität stellt sich diese fast verkehrslose und schön zügig zu fahrende Nebenstrecke als optimale Wahl heraus.

So optimal, dass mich nach viel zu langer Fahrt am Stück die langsam aber sicher zu brennen anfangenden Füsse an eine Pause erinnern. Der Tag ist wie im Flug vergangen und ich besorge mir während dem Füssevertreten per Netz eine Bleibe im schönen Städtchen Tudela de Duero.

Der August ist in vielen Städten südlicher Länder der Monat der Feste, so auch heute in meinem Etappenziel. Die wegen einer Prozession gesperrte Haupt- und zugleich einzige Zufahrtsstrasse zu meiner Unterkunft zwingt mich zum Warten.

Ich nutze die Zeit für ein eher bescheidenes Abendessen garniert mit abermals durch das VM verursachtem Gesprächskontakt mit den Festbesuchern. Ein jüngerer Mann ist derart fasziniert und dankbar über die Möglichkeit von mir und dem VM ein Foto machen zu dürfen, dass er mir spontan meine Konsumation offeriert. Jetzt bin zur Abwechslung mal ich selber sprachlos!

Schon am frühen Morgen begrüssen mich laue 24 Grad und der absolut wolkenlose Himmel verspricht auch heute Höchsttemperaturen.

Ich klette gleich von Anfang an mein extra für Fahrten Richtung aufgehende (oder Richtung Westen untergehende) Sonne präpariertes Gesichts-Schutztuch an die Helm-Riemen. Den Helm tief über die Brille gezogen kurble ich durch das nun fast menschenleere Zentrum und finde am Stadtrand auf meinen Track Richtung Osten zurück.

Die Route führt auf einer stetig ansteigenden fast ausschliesslich geraden Nationalstrasse durch unendlich scheinende Weiten mit abermals ausgetrockneten steppenartigen Feldern. Im Verlaufe des Tages steigen die Temperaturen auf gegen 40 Grad und ich komme wegen der kontinuierlichen Steigung nur mühsam vorwärts. Einzelne kürzere bis zu fast 100 km/h schnelle Abfahrten bieten erlösende Erholung. Die Landschaft ist unspektakulär, fast langweilig und lässt das Vorwärtskommen zeitweise noch zäher erscheinen.

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In Burgo de Osma finde ich nach sehr langer Strecke eine erlösende Einkaufsmöglichkeit zur Aufstockung der zur Neige gehenden Wasserreserven. Sicherheitshalber verstaue ich 2 zusätzliche Extra-Flaschen unter dem Sitz, so, dass ich nun mit einem Vorrat von insgesamt fast 8 Litern Flüssigkeit unterwegs bin.

Nach einer unerwartet kurzen Etappenleistung buche ich kurz nach Villaciervos eine Hostal am Stadtrand von Soria. Die letzten 20 Kilometer vor der Unterkunft kann ich glücklicherweise fast rollen lassen. Die wenigen Verpflegungsmöglichkeiten während des Tages fordern eindeutig ihren Tribut. Auch der überdurchschnittlich hohe Kohlenhydrat-Gel-Verbrauch vermochte das durch Mahlzeitenausfall verursachte Energiemanko nicht zu decken.

Nach dem verpflegungsmässig unbefriedigenden Vortag bemühe ich mich bereits beim Frühstück diesen Tag besser anzugehen. Ich bediene mich grosszügig am reichlich bestückten Buffet und besorge in einem nahegelegenen Supermarkt noch ein Extra-Sandwich und etwas Obst.

Obwohl es heute sehr gut zu rollen scheint zwinge ich mich bereits nach weniger als 2 Stunden Fahrt zu einer Mahlzeiten-Pause in Agreda.

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Tortilla-gestärkt verlasse ich die über 1000 Meter hoch gelegene kastillische Hochebene und rolle hinunter ins Tal des Flusses Aragon und weiter bis Tafalla wo ich eine weitere „Zwangspause“ einlege. Die Verpflegungs-Strategie scheint mir deutlich besser als am Vortag. Keinerlei Schwächegefühle oder Durchhänger, die Motivation weiterzufahren ist präsent wie am Morgen.

Trotzdem plane ich die Pyrrenäen-Ueberquerung am nächsten Morgen frisch in Angriff zu nehmen. Ich entscheide mich deshalb während eines Bistrobesuchs im Pamplona-Vorort Noain eine Unterkunft in Akerreta unweit des ersten Anstiegs Richtung Passhöhe zu buchen.

Pamplona habe ich auf meinen Autoreisen mehrmals zusammen mit meiner Frau besucht daher folge ich meinem Track welcher mich zwar über eine vielbefahrene ringautobahnähnliche Strasse schickt dafür aber grosszügig um die ansonsten attraktive Grossstadt herumführt. Die in früheren vor-GPS-Zeiten schwierig zu erreichende N135 Richtung Ibañeta-Pass finde ich auf Anhieb ohne mich auch nur einmal zu verfahren.

Die N135, auf welcher ich mittlerweile fast jede Kurve auswendig kenne, ist eine gut ausgebaute aber im oberen Teil und besonders in der Abfahrt sehr kurvige Passstrasse.

Sie wird häufig von lokalen Rennradfahrern zum Training benutzt. Die ersten paar Kilometer steigen nur sanft und ich erreiche rasch mein Etappenziel im Bergdorf Akerreta. Die auf einer kleinen Anhöhe und direkt am St. Jakobsweg gelegene Unterkunft ist für viele Pilger ein idealer Etappenort. Die schmale und sehr steile Erschliessungsstrasse verlangt ein erneutes Mal auf dieser Reise den kleinsten Gang (geschlumpftes 75er Kettenblatt und 36er Ritzel).

Der sympatische Hoteleigner gerät beim Anblick meines fahrbaren Untersatzes völlig aus dem Häuschen und lässt vor lauter Begeisterung die seit geraumer Zeit wartende, von den Tagesstrapazen gezeichnete vierköpfige Pilger-Familie, einfach an der Reception stehen. Glücklicherweise habe ich reserviert, denn die sichtlich erschöpften Pilger müssen mangels freiem Zimmer leider weiter nach einer Bleibe suchen.

In dieser Gegend ist es während der Hochsaison fast aussichtslos auf gut Glück bei Ankunft noch freie Uebernachtungsmöglichkeiten anzutreffen.

Das VM findet knapp Platz unter der Treppe im Flur und ich mache es mir im rustikal eingerichteten Zimmer mit schöner Aussicht auf die Bergwelt gemütlich.

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Das über eine löchrige Schotterpiste zu Fuss erreichbare kleine weilerartige Dorf bietet genau einen einzigen Gasthof in welchem ich aber trotz touristikverwöhnter Inhabern ein überaus befriedigendes Menu serviert bekomme.

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Der Wecker reisst mich um 6 Uhr morgens aus den Träumen. Durchs geöffnete Fenster strömt frische Bergluft ins Zimmer. Es ist stockdunkel, nur hinter den Bergen kündigt der fein erhellte Himmel den Tagesanbruch an. Es herrscht Totenstille. Ein überwältigendes Erlebnis.

Die Passstrasse wirkt mit dem Auto erlebt anstrengend, ist aber weniger steil als angenommen und ich komme schnell voran und erreiche zu meinem Erstaunen den ersten Pass „Erro“ nach weniger als einer Stunde. Ich bin heute früh unterwegs und begegne keinem einzigen Radfahrer. Es ist leicht bedeckt und angenehm mild. Nach einer kurzen Abfahrt folgt ein etwas längerer Anstieg über einen fast baumlosen Abschnitt bis auf die zweite Passhöhe namens „Mezkiritz“.

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Nach Passieren der schmalen Hauptstrasse durch das Dorf Espinal nimmt die Steigung etwas zu.

Ein spezieller Anblick bietet sich in Burguete: die Strasse wird schmäler und durch beidseitige versenkte aber offene Wasserkanäle noch zusätzlich verengt. Bei Gegenverkehr wird das Kreuzen von Fahrzeugen massiv erschwert und von Gesellschaftswagen sogar verunmöglicht.

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Neben dem Kloster in Roncesvalles, einer wichtigen Pilgerstation am Jakobsweg mache ich einen kurzen Imbiss-Halt. Mittlerweile ist es komplett bedeckt, windig und damit merklich kühler geworden. Nach dem Füssevertreten bin ich froh, mit meinem völlig durchgeschwitzten, am Körper klebenden Oberteil wieder im warmen, windgeschützten DF Platz zu nehmen.

Der kurze Anstieg zum Pass „Ibañeta“ bringt mich zum höchsten zu überwindenden Punkt auf meinem Weg über die Pyrrenäen.

Das Kloster auf der Passhöhe ist umhüllt von dichtem Nebel. Ein geheimnisvoller, fast schauriger Anblick!

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Auch hier ist zum fotografieren aussteigen Pflicht wobei ich die Zeit ausserhalb der schützenden Karosserie wegen starkem Wind und 9 Grad Temperatur auf ein Minimum reduziere und schnellstens wieder einsteige.

Das Lüftungsloch zugestopft lasse ich es rollen. Die Strasse ist nass, kurvig und lässt keine hohen Geschwindigkeiten zu. Mehrmals halte ich an um mittels der Sprühflasche die Bremsen von aussen zu kühlen. Zisch!

Im Innern ist es immer angenehm warm und erstaunlicherweise benötige ich den Schaumdeckel kein einziges Mal. Die Abfahrt ist lang und um die Knie nicht komplett auskühlen zu lassen kurble ich dennoch mit ohne aber Vortrieb zu leisten.

Die Route führt ab Gainekoleta ständig an der französischen Grenze entlang und erst im Dorf Arnéguy verlasse ich nach einem Kreisel Spanien und fahre nun im französischen Département Pyrénées-Atlantique der nun links liegenden spanischen Grenze entlang.

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Die Sonne meldet sich zurück. Die mittlerweile trockene Fahrbahn schlängelt sich kurvig durch das enge Tal und lässt wieder höheres Tempo zu. Die wenigen Hügel können mit Schwung und jenseits der 50 km/h überwunden werden und so gelange ich in Windeseile nach St.Jean-Pied-de-Port.

Die einzige Strasse durch das sehr sehenswerte Städtchen ist wie üblich zu dieser Zeit komplett verstopft und der Verkehr kommt nur in Schrittgeschwindigkeit vorwärts. Hier mit dem Auto einen Parkplatz zu erwischen ist vergleichbar mit einem Lotteriegewinn.

Ich kenne das historische Zentrum mit dessen engen verschlungenen Gassen mit Kopfsteinpflaster jedoch von früheren Besuchen und lasse die sich links und rechts der Strasse dicht gedrängt hindurchzwängende Touristenmasse hinter mir.

Das Tal weitet sich in eine grosszügige Ebene mit bunten Feldern. Die nunmehr entsprechend den Platzverhältnissen übersichtlich breite und ausgezeichnete Fahrbahn mit leichtem Gefälle ladet förmlich zum schnellen Dahingleiten und so sind während zahlreicher Kilometer Dauergeschwindigkeiten von 60 km/h und mehr kein Problem.

Vor der Ortschaft Salies de Béarn biege ich rechts ab und folge am nördlichen Fuss der Pyrrenäen-Ausläufer über die nun wieder leicht ansteigende Strasse dem Fluss Le Gave d’Oloron bis nach Oloron Ste. Marie. Bei bei leichter Bewölkung und somit angenehmen 25 Grad komme ich zügig voran.

Ab und zu gönne ich mir während der Fahrt einen Energieriegel oder etwas Obst. Die schöne Landschaft lädt zum Verweilen ein und ich mache öfters Pause und setze mich einfach für ein paar Minuten auf eine Bank, träume vor mich hin und geniesse das Gefühl von Freiheit.

Gegen den frühen Abend erreiche ich dann die Pilgerstadt Lourdes. Das Stadtzentrum ist wegen zahlreicher Einbahnstrasse relativ kompliziert zu befahren und so mache ich mich auf einem Parkplatz am Ortseingang per Smartphone über Nächtigungsmöglichkeiten schlau.

Zu meiner Verwunderung (es ist immerhin Hochsaison) finde ich beim ersten Anruf in einem über eine Umfahrungsstrasse erreichbares Zentrumshotel wenige Meter von den heiligen Grotten entfernt ein freies Zimmer.

Das Navi zeigt 6 Fahrrad-Minuten an und so folge ich den Anweisungen auf meinem Mäusekino. Zumindest probiere ich es…….der einzuschlagende Weg ist aber durch einen Zaun blockiert. Also fahre ich doch Richtung Zentrum und komme plötzlich nicht mehr weiter. Viele Strassen in Lourdes sind seit dem LKW-Anschlag in Nizza aus Sicherheitsgründen für den Verkehr gesperrt.

Kaum angehalten belagert mich sogleich eine Gruppe chinesischer Touristen, stellen mir wild durcheinanderredend Fragen und füllen die Speicher ihrer Smartphones mit Fotos.

Eine Japanerin fragt mich in allem Ernst: „how much do you want for this car?“ (wieviel wollen Sie für Ihr Auto?). Auf meine Erklärung, dies sei ein Fahrrad ohne Motor lässt das Interesse der jungen Touristin jedoch sichtlich nach…….

Einer von dutzenden patroullierenden Polizisten erlöst mich dann von dem Menschenauflauf und beschreibt mir den einzig möglichen Weg zu meinem Hotel welches ich dann endlich nach 25 Minuten Berg- und Talfahrt (in Lourdes scheint es nur steil hoch und runter zu gehen) erreiche.

Die überaus freundliche Hotelangestellte bietet mir gleich 3 Abstellmöglichkeiten für das DF an: unter der Treppe im Flur, in einem abschliessbaren leeren Abstellraum und in einer alten ausgedienten Küche neben der Reception. Ich wähle dankend die Küche da das VM für den Flur und den Abstellraum doch etwas zu lang ist.

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In Anwesenheit von Angestellten und Gästen mit grösstenteils offenen Mündern schiebe ich mein Dreirad durch eine riesige Glastür hindurch und über die am Boden verlegten Hochglanzfliesen Richtung Küche. Die leicht feuchten Duranos hinterlassen dabei leider eine nicht zu übersehende Drei-Spur auf dem edlen Bodenbelag (dass ich in einem 4 Stern Superior-Hotel eingecheckt hatte wurde mir erst später klar). Ich entschuldige mich und verlange sogleich Putzzeug um das Malheur zu beseitigen.

Die verantwortliche Dame beruhigt mich aber zuvorkommend und erklärt mir, dass für solche Fälle genügend Personal zur Verfügung stehe. Ob dieser unerwarteten Antwort stand in meinem Hinterkopf nun mein eigener Mund weit offen……J

Lourdes ist (für mich) alleine schon wegen der unzähligen, aneinandergereihten Souvenirshops, welche alle in etwa dasselbe Sortiment anbieten, sehenswert. Und zwar nicht etwa wegen meines eigenen vermeintlichen Einkaufsbedürfnisses in einer Riesenauswahl an Geschäften sondern weil diese glaubensgesteuerte Kapitalismusapparatur ein Musterbeispiel für unsere zivilisierte Ueberflussgesellschaft darstellt und diese zu beobachten für sich amüsiert.

Besonders bei Nacht ist der Besuch der Sanctuaires und der Grotte auch für Nicht-Religiöse ein spezielles Erlebnis. Die riesengrosse Wallfahrtsstätte bietet eine überaus spezielle, mystische Atmosphäre welche zusammen mit der geheimnisvollen Stille zum bedächtigen Innehalten anregt und bei dem einen oder anderen mit entsprechendem Glauben sogar zum Erkunden der eigenen Seele führt.

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Ich jedenfalls geniesse den Moment im Scheine meiner im flauen Abendwind flackernden Kerze und denke dabei an meine Nächsten.

Glücklicherweise gibt’s dank über Nacht getrockneten Reifen keine Abreisespuren in der Hotelhalle.

Die Hoteldirektorin persönlich dankt mir für meinen Besuch und heisst mich auch bei einer eventuellen Rückkehr nach Lourdes mit oder ohne VM herzlich willkommen. Eine aus der gleichen Region wie meine Frau stammende Hotelangestellte will dann unbedingt noch ein Erinnerungsfoto……..und ich lasse den heiligen Ort hinter mir.

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Ich nähere mich langsam aber stetig der Pyrénéenne, der Verbindungs-Autobahn zwischen Atlantik und Toulouse. Das Leben auf der Strasse wird mit jedem Kilometer hektischer. Der Respekt gegenüber Radfahrern ist immer noch sehr ausgeprägt aber der allgegenwärtige Druck im Tagesablauf der Menschen scheint im Verkehr doch einen grösseren Einfluss zu üben als zB. in den teilweise menschenleeren Weiten von Spanien.

Der durch den BRouter-Parameter „VM schnell“ errechnete Track schneidet vorteilhafterweise die Durchfahrt von Toulouse gänzlich ab und führt weit ab von der Grossstadt und deren Vororte über eine Abkürzung durch das Hinterland mehr oder weniger direkt Richtung Carcassonne.

Ich komme wiederum dank grösstenteils minimal abfallender Strasse sehr zügig und entspannt voran, die Landschaft fliegt an mir vorbei und erzeugt ein fast unbeschreibliches Lebensgefühl.

Die wieder etwas dünner besiedelte Gegend hat wie schon vor einigen Tagen den Nachteil von spärlicher ausfallenden Verpflegungsmöglichkeiten. In weiser Voraussicht beginne ich, bereits vor dem sich unweigerlich früher oder später einstellenden Hungergefühl, nach einer offenen Gaststätte Ausschau zu halten.

In einem kleinen unscheinbaren Weiler freue ich mich auf eine Pizza von einem in Frankreich häufig anzutreffenden mobilen Pizza-Bäcker. Der überaus originell und mit Bildern von köstlichen Pizzen bestückte und mit Holzofen ausgestattete Lieferwagen wirkte auf mich äusserst appetitanregend.
Umso grösser war meine Enttäuschung bei der Vernahme der Ofen habe erst in etwa einer halben Stunde seine Betriebstemperatur erreicht.

Schade, aber solange will ich nicht warten und fahre weiter.

Einige Kilometer weiter kreuze ich dann das erlösende kleine Imbisslokal mit ansprechendem Angebot. Während der mit allerlei Goodies belegte Fladen im Ofen schmort komme ich mit dem Inhaber ins Gespräch; Velomobile, Geschäft, Pizzen, Liebe, Geld, alles wird durchdiskutiert.

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Seit 34 Jahren sei er im Geschäft und finde keinen Nachfolger weil jeder Proband nach spätestens einem Probetag hinter dem Pizzaofen über zuviel Arbeitsaufwand klage. Kein Wunder gehe die Wirtschaft bei dieser Arbeitsmoral langsam aber sicher den Bach runter……..und unrecht hat er wahrlich nicht, denke ich mir……

Die Pizza schmeckt vorzüglich, ist aber derart gross, dass ich nur dreiviertel davon runterkriege. Beim zurückbringen der Schachtel fällt mein Blick auf die Oeffnungszeiten: Dimanche soir fermé…….heute ist aber Sonntag Abend und trotzdem geöffnet?. Der Chef meint einige Kollegen hätten sich per Telefon angemeldet, was bliebe ihm da anderes übrig als den Ofen anzuwerfen……….

……dieser Typ ist bewundernswert!

In Carcassonne buche ich selbstverständlich in der bekannten Hotelkette Campanile, im Erdgeschoss versteht sich. Das VM ins Zimmer rollen und neben dem Bett stehen lassen wie auf der Hinreise, denke ich und mache mich auf den Weg.

Bei der Ankunft vor dem Hotel dann erste Sorgenfalten: Die übliche Campanile-Architektur mit von aussen einzeln zugänglichen Zimmern ist offenbar in letzter Zeit einem moderneren Konzept gewichen, denn ich sehe von aussen nur Fenster aber keine Türen……..

Beim Einchecken schiele ich in den langen Flur voller Türen. Die Durchfahrtsbreite könnte klappen, hoffe ich und melde der Empfangsdame meine Versuchsabsichten. Kein Problem meint sie.

Also dann. Säcke und möglichst viel Gewicht raus und dann rein mit dem Rad an der Reception vorbei, 90 Grad Drehung in den Flur, vierte Tür rechts, Tür auf…….grrrrrr…..die geht von selbst wieder zu, also schnell ne zusammengefaltete Broschüre unter die Türkante geklemmt, hält, mit dem Heck rein soweit es geht, vorne rüberrutschen, weiter rein, vorne nochmal nachrutschen und flutsch passt das Teil haarscharf neben der WC-Tür vorbei vor das Doppelbett. Perfekt! Ich spähe nochmals aus der Tür raus den Flur runter Richtung Empfang…….die Frau grinst mich an…und ich grinse zurück.

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Ich bediene mich noch kurz am Dessert-Buffet und lasse mich nach einmal DF-Gute-Nacht-Streicheln ins Bett fallen.

Es ist ausserordentlich komfortabel das VM bereits im Zimmer startklar zu machen. So bleibt nix anderes übrig als ein gutes Frühstück zu geniessen und hinterher reinzuhüpfen, Helm und Brille auf und los.

Die heutige Route begrüsst mich mit einem Auf und Ab bei stetig ansteigenden Temperaturen.

In der Gegend von Béziers sind die 30 Grad erreicht und das nicht weit entfernte Meer ist förmlich zu riechen.

Auf den Strassen ist wieder viel los. Fahrzeug an Fahrzeug, Franzosen, Holländer, Belgier, Italiener, Spanier…….alle reihen sich in einer fast endlos scheinenden Blechlawine aneinander und wälzen sich in Schritttempo Richtung Strand.

Aufgeregte Kindergesichter spähen aus den Fenstern der vollklimatisierten Familienkutschen und verfolgen mich beim Ueberholen auf dem Radstreifen. Der eine oder andere Beifahrer erwischt mich mit dem zufällig gezückten Smartphone…..klick..klick…schon vorbei……

Ab Marseillan steht den Fahrrädern eine sogenannte voie verte (also ein grüner Weg, ein von der Strasse unabhängiger und getrennter Fahrradweg) bis nach Sète zur Verfügung. Für viele sicher unverständlich mache ich zwar auf dieser gut ausgebauten Piste den obligaten Foto-Halt um etwas Sand und Meer als DF-Hintergrund zu haben, aber anstatt mich wie üblich an den Strand zu legen oder ein kühles Bad zu geniessen, fahre ich gleich wieder weiter (hier sind für meinen Geschmack einfach zu viele Leute an einem Haufen unterwegs).

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Die auch als Klein-Venedig bekannte Stadt Sète umfahre ich aufgrund des enormen Touristikverkehrs jedoch weiträumig und mogle mich wieder an ständig stehenden Fahrzeugschlangen vorbei bis nach Palavas-les-flots.

In der Zwischenzeit lassen die Verkehrsströme erstaunlicherweise nach und die Fahrt in Meernähe durch die diversen bei Sonnenanbetern und Strandgängern angesagten Orte gewinnt zunehmend an Attraktivität.

An einer Strandpromenade gönne ich mir ein Eis und beobachte im Schatten einer Palme belustigt einige urlaubsbedingte Stressmomente einer Familie mit Kindern.

An Aigues-Mortes vorbei tauche ich ein in die Weiten der wilden Camargue. Eine ständige laue Brise im Gesicht fliege ich förmlich über die auf einem Damm angelegte topfebene Departementsstrasse welche mich direkt ins Rhonetal an mein nächstes Etappenziel Arles führt.

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Der auf meinen Wunsch fleischlos und äusserst pikant zubereitete Cous-Cous schmeckt hervorragend und dem Anblick der gut assortierten Auswahl an tunesischen Patisseries kann ich nicht widerstehen.

Das Rhonetal ist landschaftlich wunderschön und per Fahrradweg „ViaRhona“ sicherlich ein Erlebnis für sich. Allerdings ist auf eben dieser ViaRhona an ein zügiges Vorankommen nicht zu denken zumal Teile davon für mein Verständnis nicht VM-tauglich sind.

Mein Track führt deshalb über etliche Nebenstrassen aber leider auch Teile von vielbefahrenen Hauptstrassen.

Ein paar Abschnitte in unmittelbarer Nähe der Rhone sind richtig schön zu durchfahren aber vom grössten Teil des Tales bin ich doch etwas enttäuscht, so, dass ich froh bin kurz vor St. Rambert d’Albon die Abgasschluckerei beenden zu können.

Die nachfolgende Fahrt auf der D1 nach Beaurepaire geniesse ich wieder in vollen Zügen und spüle währenddessen dankbar meine Atemwege mit frischer Luft durch.

Das DF parkt wiederum in einer abgeschlossenen Privatgarage. Frischgemacht und mangels Alternative, mit zerknittertem aber sauberem T-Shirt, kurzen Hosen und Crocs wage ich mich in das stilvoll und luxuriös gestaltete Hotel-Restaurant. Schnell entschuldige ich mich beim Service-Personal für meinen bürgerlichen, etwas unpassenden Aufzug.

Pas de problème (kein Problem) entgegnet die freundliche Lehrtochter und begleitet mich zu einem freien Tisch. Ich stelle mir ein besonders leckeres Menu mit aufwendigem Nachtisch zusammen und lasse es mir nach einem abgas- und lärmbelasteten Tag doppelt schmecken.

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Nach einer äusserst erholsamen Nacht beginne ich den Tag mit einem längeren Anstieg bei schon angenehmen 22 Grad. Die ersten 40 genau nach Osten führenden Kilometer verlangen wieder nach etwas Sonnenschutz im Gesicht und ich montiere wiederum mein Baumwolltuch am Helm. Durch den ständigen Fahrtwind ohne Tuch würde ich den beginnenden Sonnenbrand erst spüren wenn es bereits zu spät wäre.

An einer etwas steileren Passage mit entsprechend kleinerer Geschwindigkeit unterwegs bleibt auf dem Gehweg eine Frau mit offenem Mund stehen und schaut mir nach bis ich Sie im Rückspiegel nicht mehr erkennen kann. Ich frage mich ob ihr erstauntes Gesicht nun vom VM oder meiner Vermummung herrührt……ich werde es leider nie erfahren……..

Nach etwa eineinhalb Stunden Fahrt ändert die Route die Richtung nach Norden und ich erlöse meine Umwelt vom Anblick der furchterregenden Gesichtsmaske. Ich bin mir ab jetzt sicher, dass eventuelle weitere erstaunte Gesichter nun nur noch durch mein Fahrzeug verursacht werden.

Ich überquere die A43, die Verbindungs-Autobahn zwischen Lyon und Chambéry (in der kalten Jahreszeit ein wichtiger Zubringer für die Skigebiete der französischen Alpen) und folge ab St. Didier wieder der Rhone Richtung Genfersee-Becken. Die Vorläufer des Alpenreliefs sind in den Beinen deutlich zu spüren, etliche Höhenmeter werden gewonnen um diese dann sogleich wieder bei einer Abfahrt zu vernichten.

Auf 550 m Höhe in Jonzier-Epagny mache ich zu Gunsten der Aussicht auf den noch weit entfernten Genfersee einen kurzen Halt zum Beinevertreten und genehmige mir einen Beutel Gel und etwas Orangensaft. Langsam aber sicher ereilt mich ein untrügliches Gefühl von nahender Heimat.

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Die „grüne“ Grenze in die Schweiz erreiche ich nach einem steilen Anstieg. Dieser Grenzübergang wird offensichtlich vor allem von Frontaliers (Grenzgänger welche in der Schweiz arbeiten und im nahen Frankreich leben) frequentiert, denn mir kommen ausschliesslich Fahrzeuge mit französischen Kennzeichen entgegen.

Meine Befürchtungen beim Umfahren von Genf in stockenden Feierabend-Verkehr zu geraten bestätigen sich glücklicherweise nicht. Auch hier führt der Track über eine wirklich ruhige und zügig zu fahrende Route durch kleine Vororte weitab des Stadtgebiets.

Ich wechsle bei Meyrin für ein kurzes Stück nochmals nach Frankreich um dann 2 km weiter vorne in Ferney-Voltaire abermals einen Grenzübertritt in die Schweiz zu machen.

Ab Versoix dem nördlichen Genferseeufer folgend nimmt der Verkehr deutlich zu. Ich vermeide üblicherweise Radwege doch der hier strassenbegleitend aber deutlich getrennt angelegte Radstreifen ist hervorragend ausgebaut und ein Genuss zu fahren. Dutzende von Rennrad- Klapp- Fixie- und Pedelecfahrern sind unterwegs und lassen fast etwas holländisches Grossstadt-Feeling aufkommen.

Der Magen meldet Brennstoffbedarf und ich mache in Nyon in einem Gartenrestaurant mit Seeblick Abendessen-Halt. Das DF stelle ich in Sichtweite neben die Terrasse.

Parkplätze sind speziell in Seenähe hier permanente Mangelware und sorgen bei vielen Autofahrern für frustrierte Gesichter. Der Fahrer eines Luxus-Geländewagens scheint sich selber etwas freizügigere Rechte einzuräumen und manövriert auf eine Sperrfläche. Prompt wird der sichtlich verärgerte ältere Herr von einer zufällig anwesenden Patrouille weggewiesen.

Die Eglifilets mit speziellen Pommes und Salat schmecken hervorragend. Dabei beobachte ich die teilweise fassungslos erstaunten Leute welche sich um das VM scharen. Ein Familienvater versucht seinen zwei Sprösslingen etwas hilflos zu erklären um was es sich bei diesem Fahrzeug handelt bis ich ihn dann mit einer kurzen Erklärung aus seiner misslichen Lage befreie.

Der Abend naht und ich mache mir Gedanken über eine Uebernachtungsmöglichkeit doch im Hinterkopf verspüre ich, trotz der bereits ansehnlichen Strecke mit vielen Höhenmetern, irgendwie einen leichten Willen weiterzufahren.

Langsam hüllt die Dämmerung die Umgebung in ein gespenstisches Licht. Ich verlasse bei St. Prex das Seebecken und kurble mich auf das folgende Hochplateau hinauf. Auf den schmalen Lokalstrassen ist kaum Verkehr. Es wird merklich kühler und die Nacht bricht an. Die spektakuläre Sicht über den Genfersee bis zu den im Restlicht geheimnisvoll trohnenden Gipfel der Alpen lädt zum Träumen ein.

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Ich gleite über die Hochebene durch die stille Nacht Richtung Yverdon. Ich fühle mich gut und mit genügend Wasser und Proviant an Bord steht einer ausgedehnten Nachtfahrt eigentlich nichts im Wege, denke ich mir, und so verdränge ich den Hotelsuch-Gedanken im Nu.

Nach der 11. Fahrstunde mache ich in Yverdon einen Halt und gönne mir ein Sandwich und eine Banane. Ab hier ist mir die Strecke bekannt und ich beschliesse definitiv ohne Hotelaufenthalt direkt nach Hause zu fahren. Und so nehme ich die letzten 100 km meiner Reise in Angriff und komme etwas nach 3 Uhr morgens in meiner Heimatstadt an.

***

Die Reise verlief abgesehen vom Wechseln der beiden fehlerhaften Vorderpneus pannen- und unfallfrei und das DF hat sich dabei in jeder Hinsicht von seiner besten Seite gezeigt und mich nie im Stich gelassen.

Ich würde mit diesem ausserordentlich ausgereiften und zuverlässigen Fahrzeug solch eine Reise jederzeit und ohne Zögern wieder in Angriff nehmen.

Meine Ausrüstung hat sich ebenfalls bewährt obwohl Werkzeug und Ersatzteile nur minimalst zum Einsatz kamen. Trotzdem würde ich sämtliche Teile genau in diesem Ausmass wieder mitführen (nach dem Motto: hast du’s dabei brauchst du’s nicht).

Das vorangehende Training hat sich meiner Ansicht nach ebenfalls gelohnt und insbesondere die längeren, zum Teil gewollt hart ausgefallenen Tagestouren von bis zu 350 km mit 3000 Höhenmetern haben zu einem starken Durchhaltewillen beigetragen.

Ich habe mir mit diesem unvergesslichen Erlebnis einen Traum erfüllt. Ich lege jedem nahe nach Möglichkeit zumindest einmal im Leben eine solche Tour zu unternehmen, denn die Erfahrung ist unbezahlbar und prägend.

Noch was für die Zahlenhungrigen:

Hinfahrt 7 Tage, 1863 km, 19'000 Höhenmeter
Rückfahrt 8 Tage, 1936 km, 21'000 Höhenmeter
Durchschnittsgeschwindigkeiten zwischen 28 km/h und 35 km /h
Minimalgeschwindigkeit 4,3 km/h
Maxiamalgeschwindigkeit 99,8 km/h
 
das sind die Berichte, die nachhaltig reizen, anstecken und herausfordern - Danke!
 
Danke für diesen Bericht, das Lesen hat mir großen Spaß und Lust auf so eine große Tour gemacht!
Gruß
Jörg
 
toller Bericht..
ich bin erstaunt, dass man scheinbar doch "so einfach" das Velomobil siher verwahrt bekommt...
nicht nur einmal oder 2mal...
sondern zickmal !
 
Ein sehr toller, umfangreicher, bildhafter mit viel Liebe und Humor geschriebener Bericht, der fast neidisch macht. Toll dass du überall gut aufgenommen wurdest und keinerlei größere Probleme hattest. Ich bin beeindruckt *handgeklapper*

Danke, dass du uns teilhaben liessest
 
......scheinbar doch "so einfach" das Velomobil siher verwahrt bekommt...

wenn man mit etwas witz-garnierter Freundlichkeit auf die Leute zugeht bekommt man manchmal sogar mehr als benötigt.......ich hab mich jedenfalls in jeder Unterkunft mit dem Personal köstlich amüsiert.....
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.....Erfahrungen bei der Routenplanung......

gerne.......womit kann ich dienen....?
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n paar Stunden warens schon.......ich hab das Ganze auch für mich selber geschrieben.......wenn ich mit steigendem Alter dann alles vergesse kann ich s hier nachlesen.....:D:D
 
... wie geil ist das den, klasse !!! hab ich`s überlesen: wo gings jetzt eigentlich los ? nähe bern ?
 
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