Moinsen,
bin gestern auch wieder gut in einem prasselnden Schauer zu Hause eingerollt.
Die Strecke war ja nahezu identisch zu 2010 aber mit dem Milan war's doch ne komplett andere Runde. Als Einzelfahrer sehe ich mehr von der Landschaft und brauche nicht ständig ein Hinterrad oder die Gruppe hinter mir im Rückspiegel im Auge behalten. Dafür muss ich selber auf die Route achten und es fehlt etwas die „Geborgenheit“ in der Gruppe.
Die höheren Geschwindigkeiten im Milan lassen mich die Strecke zu unterschiedlichen Tageszeiten als 2010 durchfahren, den Harz jetzt wunderschön in der Abendsonne statt mitten in der Nacht 5 Rücklichtern zu folgen.
Wir waren mit 3 Milanen und einem Strada gestartet. Peter mit seinem neuen Milan hat auf der ersten Abfahrt des neutralen Starts gleich das Führungsfahrzeug mit Heino und dem Bürgermeister überholt, war aber an der nächsten Abbiegung geradeaus gefahren. Petra hatte wie einige andere hinter Nauen Pech an einem Bahnübergang und musste wg. techn. Defekt aufgeben, Gert im schwarzen Strada ist in der Hitze mit Schaumdeckel gestartet (?) hat die Berge aber auch mit Geduld gewuppt bekommen. Ich bewundere aber den Mut von Peter nach 10 Tagen Milan und ohne Liegeradanpassung, die Tour zu machen und habe mich riesig gefreut, ihn Di, Nacht locker grinsend in Ziel kommen zu sehen. Nur die Hacken an den Schuhen hatte er sich weggesägt.
Diese ruhigen Abendstunden in den felsigen Schluchten bei Treseburg zählen für mich sicherlich zu den Highlights, ebenso die übermütigen schnellen Passagen auf dem ersten Stück nach Nauen. Bei 30 °C und Tempo 50 durch sie Gischt verliert auch die Allee des Elends bei Rhinow jeglichen Schrecken. Schwalben zischen tief über den Asphalt und dem Milan um die Bug. Das Freibad in Nauen erreiche ich 6:20h nach dem Start und während Burkhard die Kontrolle aufbaut genieße ich 2,5 l Wasser + Schorle. Der Wind dreht böig auf SüdWest – also wieder Gegenwind bis Ditfurth und ein paar erfrischende Schauer. Die urige Kontrollstelle im Museum erreiche ich über das steile Kopfsteinpflaster polternd schiebend gegen 18:00h. Der leckere Milchreis dampft schon auf dem Tisch;-))
Dann kommen die herrlichen Stunden im Harz, der Wind ist abgeklungen. Später tiefes Abendrot über den höhere Kuppen des Harzes im Norden während hinter mir im Südosten ein mächtiger Vollmond aufsteigt. Die Nacht durchs Weserbergland ist so hell und einsam, dass ich kein Licht bräuchte. Mehrmals wähne ich hinter mir ein Auto – aber es ist nur der große Reflektor am Himmel. Plötzlich läuft ein Wolf über die Straße und nimmt schnell reißaus.
Die Temperaturen von rund 15 °C sind ideal fürs VM, rauf nicht zu sehr schwitzen und bergab nicht frieren. Das will ich nicht durch Schlaf verpassen;-)
Die Kontrollstelle in Petersborn ist um kurz vor 6 noch im Tiefschlaf – alle Türen abgeschlossen. Vorsichtig klopfe ich an einem Wohnwagen, wo man mir bedeutet, dass ich doch am Schützenheim lauter klopfen müsse. Schließlich komme ich an eine heiße Dusche und an ein Frühstück, wollte auch gar nicht groß stören doch dann als ich fahre, sind alle auf.
Vielleicht durch die Warterei in der Kühle fühlt sich der linke Fuß etwas steif an und ich will bewusst locker weiterkurbeln. Die 20 km bis zur Streckenteilung der Kölner Schleife offenbaren zu meiner Überraschung ein Steilstück nach dem anderen. So heftig hatte ich das nicht in Erinnerung und krieche langsam rauf und runter. Später bei Kreuztal schiebe ich auch den 18%igen Stich, einen schmalen Wirtschaftsweg in meinen Gummischlappen hoch und erledige dabei gleich einige Dehnübungen. Die letzten 3 h vor Rösrath ab Morsbach im Regen – aber im Hellen und so komme ich die arg löchrige Piste hinter Waldbröl unbeschadet runter.
In Rösrath, 16:35 h, begrüßt mich Bärbel herzlich mit einem „Da kommst Du ja endlich, das Essen ist schon fertig“ – inkl. frischer Erdbeeren mit Sahne und Frank hilft mir, mein Hinterrad auszubauen, an dem ich ungewohnte Knackgeräusche ausgemacht hatte. Aber die Lager laufen rund und die Kassette sitzt fest.
Es hört derweil auf zu regnen und ich mache mich doch wieder auf die Reifen, bin dann heilfroh, den nächtlichen Starkregen auf der noch viel befahrenenn Hauptstraße in Attendorn hinter mir gelassen zu haben und mich wieder ans ruhige nächtliche Klettern zu begeben. Der Mond kommt wieder und schließlich wieder die 20 Hammer km vor Petersborn mit 2 Schiebeeinlagen und einem sich auflösenden Schützenfest.
In Petersborn ist jetzt richtig was los und ich bekomme erste Infos, was sonst so alles passiert ist. Duschen, Essen, ein Weizen und einen Schlafplatz für 3 h bis 8:00h. Ich wache frisch kurz vorher auf und puzzle meine Sachen zusammen, frühstücke noch ausgiebig und breche fröhlich in die Morgensonne zum letzten nennenswerten Anstieg auf. Die Knie sind nur ein bisschen steif und bei böigem Wind von schräg hinten lassen mich nur die hubbeligen Straßenbeläge öfter in die Bremsen greifen. Teuteburger Wald und Wiehengebirge in der Sonne und dann Richtung Lindern werden sie Straßen glatter und der Milan kommt in den geschwungenen Alleen wieder ans Fliegen.
In Lindern bei Andrea und Ludger noch Mal Auftanken und ein leckerer Eintopf. Wenn's gut läuft, erreiche ich noch im Hellen die Elbe. Und es lief. Dann noch der Anstieg bei Escheburg, im Sachsenwald verschwindet die Straße unter dichten Fichten im Stockdunklen und nur direkt über mir ist ein schmaler Saum Dämmerung zu sehen. Auf den letzten sich etwas ziehenden km bleibt Zeit für ein zufriedenes glückliches Resumee bevor ich in der hell erleuchteten Mensa von Heino, Michael und Günther in Empfang genommen werden.
Von Sa 6:15h bis Mo 22:22h waren es gut 64 h, 1510 km, 11000 Hm, Milan in Bewegung 50 h, Nettoschnitt 30 km/h, geschlafen 3h
Das Timing der Schlafpause war ähnlich wie bei LEL, sogar etwas später, aber hier hatte ich im Gegensatz zu LEL keine Schlafentzugsprobleme und konnte bis zuletzt mit Druck fahren. Vielleicht, weil ich hier von Anfang an mein Tempo gefahren bin und nicht wie in London mit der Gruppe gejagt bin. Koffeinmäßig habe ich insgesamt 3 l Cola und Mo früh eine Tasse Kaffee getrunken, bei LEL hatte ich bestimmt 10 Tassen Kaffee und in der letzten Nacht einen Koffeinbonbon, der aber auch nichts mehr gebracht hat.
Total happy und auch überrascht bin ich über meine unauffällige Achillessehne, habe auf Speedplaypedale gewechselt und mache regelmäßig Dehnübungen.
Die minimal gepolstere Carbonsitzschale hat auch bei dieser extremen Anwendung keine Probleme gemacht – die blaue Flecken an den Knochen im Steißbereich und Schulterblättern schmerzen nicht.
Gelegentliches Brennen der Fußzehen ließ sich durch etwas Zehengymnastik bei locker geschlossenen Schuhen immer schnell beseitigen.
Gegessen und Appetit hatte ich auf alles, was da war, Wurstbrote, Milchreis, Waffeln, Nudeln, Honigbrote und Eintopf. Zwischen den Hauptkontrollen ein paar wenige Riegel, Bananen, Bifis und Äpfel, Birnen und Pflaumen vom Straßenrand – dazu Mengen von Leitungswasser, wenn ich dran gedacht habe etwas gesalzen.
Der Milan war dann deutlich genügsamer, 2 x die Kette leicht geölt. Auf den 3 hügeligen Etappen ist mir vorne rechts jeweils eine Innenspeiche am Kopf gebrochen und wurde umgehend ersetzt – glücklicherweise immer im Hellen im trockenen. Eine Pedalplatte hatte sich gelockert und das schon erwähnte Klicken am Hinterrad ließ sich nicht orten und ist auch wieder verschwunden.
Positiv überrascht haben die Ultremos, die einige Kopfsteinpflaster und schottrige Baustellenwege mit Hin und Rückfahrt 2500 km pannenfrei weggesteckt haben, auch der Kojak hinten. So habe ich 3 Ersatzmäntel, 6 Schläuche, Umlenkrolle, Schaltauge, Gelenkkopf, Sperrklinkenfeder liebend gern umsonst spazieren gefahren.
Auch der neue LiIon Akku (für BP945) vom ebayshop hat die 2 Nächte, Regenfahrten und den Montagabend mit insgesamt deutlich über 20 h prima ausgehalten, brauchte meist auch nur den CYO Premium für DC, den mir Jörg freundlicherweise besorgt hatte.
Navigiert mit dem Garmin 60CSX, hier den kompletten Track als fetten Eisenbahnähnliche Spur als Karte hinterlegt und mich zusätzlich von Hauptkontrolle zu Hauptkontrolle routen lassen. So hatte ich nachts dann immer nur bei Abbiegungen automatisch die Displaybeleuchtung an. So bin ich mit 3 Akkusätzen (2xEneloop+1xAldi) 1500 km HBK + 500 km Heimfahrt hingekommen!!
Klamotten hatte ich nur noch 1xkurze Hose, Unterhemd, Socken, Buff sowie ungebraucht Knie- und Armlinge mit sowie meinen kleinen Regenlatz für oberen Brustbereich und Schulter. Bei dieser Minimalausstattung wäre soger Roger stolz auf mich.
Und schließlich möchte ich mich beim gesamten Veranstaltungsteam bedanken für deren Einsatz, die Strecke per Rad auch 2 Mal abzufahren, die gute Laune an jeder Station und Gelassenheit auch gegenüber einem wie mir.
Und Gedanken lesen können sie auch noch: Mi morgen bin ich in Großhansdorf wieder nach Hause aufgebrochen und erst Mal dem Track zurück nach Lindern gefolgt und habe da noch viele Randoneure getroffen, war noch kurz bei Jens Buckbesch in der MilanWerkstatt und hatte mir ausgemalt, zu Hause erst Mal Schokopudding oder Pfannekuchen zu machen. Als aus dem Abzweig zur Kontrolle in Lindern gerade HBKler herauskamen, bin ich spontan noch Mal vorbei – und Ludger hatte auf dem Dessertbuffet Pfannekuchen UND Schokopudding aufgebaut, herzlichen Dank!