Moin Kulle und auch Einrad,
Ich bin des Lesens durchaus mächtig. Dennoch sehe ich diese Art von Bremsbetätigung skeptisch. Lenkergriffe sind dazu da, das Fahrzeug unter Kontrolle zu halten. Bau ich da so eine Knickhebelei ein, ist das in meinen Augen nicht mehr gegeben, wenngleich die Idee, auf ein Bauteil zu reduzieren und diesen eine zweite Funktion aufzubürden im Grundsatz interessant ist einer cleanen Optik wegen.
Beim Tiller wie bei der erwähnten Windcheetah sehe ich noch eine gewisse Funktionalität und Beherrschbarkeit, weil hier, wie bei so ziemlich jedem Zweirad - egal ob HPV oder MPV - die Bremsbetätigung durch Zug nach hinten bzw in Richtung Lenker erfolgt. Das Prinzip funktioniert seit 100 Jahren, bringt die nötige Stabilität bzw lässt mögliche negative Folgen für die Manövrierfähigkeit bei Brems-und Lenkvorgängen gar nicht erst zu. Es heißt nicht umsonst, dass die einfachsten Lösungen oft die besten sind...
Aber bevor mir wieder einer Vorwürfe macht, ich hätte das Wort behindert nicht gelesen und ich mir dann den Rest von halbgeschriebenen Sätzen zusammenreimen soll, die dann sinngemäß lauten, ich solle doch bitteschön den Mund halten, lasst euch folgendes gesagt sein:
Ich beschränke mich bei der Betrachtung solcher Bauteile nicht auf den Behinderten im klassischen Sinn, der da im Rollstuhl sitzt und ggf Mißbildungen hat, sondern ich denke weiter. Nämlich in die Richtung, ob so etwas nicht gar das Potential einer weiteren Verbreitung hat. Sei es, weil ein solches Bauteil auch für einen Nichtgehandicapten Vorteile gleich welcher Art bringen kann oder aber, weil es gerade im Handbereich zig chronische Erkrankungen gibt, die je nach Schwere durchaus den Grad einer Behinderung darstellen können, aber meist nicht für einen Eintrag in entsprechende Papiere reichen.
Gibt genug Leute da draußen, denen die
- Sehnenscheiden
- Gicht
- Rheuma
- Arthrose
usw usf.
den Gebrauch der Hände und Finger übel einschränken.
Schauen wir uns den Azub doch mal näher an:
Das hier verbaute Handgriff-Bremshebel-System am Untenlenker braucht schon mal ne Menge Eigenwiderstand, damit nicht bei ner schnöden Lenkbewegung ne Bremse ausgelöst wird. Noch mehr, um solches auch bei abrupten Lenkmanövern zu unterbinden. Dann die Betätigung nach vorn - sorry, geht gar nicht! Fahrzeug taucht ein, Gewicht verlagert sich nach vorn, Pilot stemmt sich dagegen und stützt sich auf den Hebeln ab und schnell ist überbremst. Oder du kannst andere technische Hilfsmittel anwenden, um zu viel Bremskraft zu verhindern - aber ist das Sinn und Zweck?
Dann sehe ich, dass der gehandicaptenfreundliche Lenker mit ner Rapidfire ausgestattet ist - OK. Wenn ich dann noch sehe, dass die so verbaut ist, dass die Schalthebel außen liegen, wo doch die Finger innen???
Hab ich auch mal versucht, hab´s schnellstens geändert.
OK, vom Griff aus ohne die Hand vom Lenker zu nehmen lassen die sich eh nicht schalten, weil der Bremshebelmechanismus im Weg ist und das ganze Geraffel somit zu tief sitzt. Ob die Rapidfire die geeignete Schalthebelei ist für jemanden, der nicht (mehr) in der Lage ist, einem normalen Bremshebel zu ziehen? Das dürfte auf den Einzelfall ankommen. Aber bei Einschränkung der Beweglichkeit der Finger gibt´s ne bessere Lösung.
Ich hoffe, das nun klar wird, worauf ich hinaus will. Dem ein oder anderen mag die Konstruktion von Azub eine Hilfe sein. Ein Allheilmittel mit feinfühliger Funktionalität wie ein herkömmliches Konstrukt mit größtmöglicher Betriebssicherheit bietet sie indes nicht: grobmotorisch halt und somit nichts anderes als ein günstig zu produzierendes, aber unausgegorenes Konstrukt.
Das ließe sich durchaus besser machen. Entweder trendy mit elektrischen Komponenten oder sogar vollmechanisch und somit völlig analog
. Ja, sogar mit feststehendem Lenkerende ohne kippeln und knicken. Aber da ist dann nichts mehr mit bei Shimano im Regal nach Bedienelementen fischen, sondern das bedarf Eigenkonstruktionen und dann meldet entweder die betriebswirtschaftliche oder die produkthaftungstechnische Seite ihre Bedenken... Schade.
MfG