Fronthaube aus PE-Schaum fürs Liegerad

Es nervt mich zunehmend, wie ein Grillwürstchen in der heißen Sonne zu liegen. Wegen des sehr kurzen Umwerfermasts meines Liegerad-Auslegers kann ich keine "Nose" z. B. von Roland verwenden. Daher habe ich neulich die Idee verfolgt, hier Abhilfe zu schaffen, indem eine Teilverkleidung aus PE-Schaummatte auf das Gestell meines Streamers montiert wird. Jeder Alu-Bügel davon verfügt über die hakelige Seite eines Klettverschlusses und die Streamer-Scheibe über die Flauschseiten.

Ich meuffele bzw. meufle mir also meine Zusatzhaube, beide Schreibweisen verwende ich hier, damit die Internet-Suchmaschinen dieses Posting finden.

Die Zielvorgaben waren wie folgt:
- Sonnenschutz und möglicherweise auch Regenschutz
- wenig Windwiderstand beim Fahren
- keine geometrisch und daher auch konstruktiv aufwendige Formgebung
- dennoch die Eigensteifigkeit des PE-Schaums gut ausnutzen
- billig, weil erster Versuch

Zutaten:
- ein Streamer von HP Velotechnik
- zwei PE-Schaummatten von saarschaum.de mit 1x1 m, einmal 1 cm und einmal 2 cm dick.
- Sprühkleber Pattex Power Spray, klebt PE-Schaum
- Klettbandstücke mit getrennter Flausch- und Klettseite, je 60 cm lang
- noch mehr Klettband mit Flausch
- breites Kartonklebeband zum Abkleben
- alte Briefumschläge oder Karton zum Schablonenschnitt
- viel Zeitungspapier zum Abdecken
- Werkzeug: Teppichmesser, Zollstock, Geodreieck, Bleistift, Lineal

Das Grundproblem ist, daß die Sicht nicht zu stark verstellt sein und die Gesamtform möglichst einfach bleiben soll, obwohl die Knie und Fußspitzen bei meiner Tretlagerüberhöhung recht weit nach oben kommen. Daher keine mittige Sichtrinne, über die man gucken kann, sondern mein Blick soll über und unter der 1-cm-Matte entlanggehen, die wie ein umgedrehtes U auf dem Gestell "hängt", aber auf jeden Fall oberhalb der Bügel. Dazu habe ich das Gestell niedrig eingestellt, den vorderen Bügel wie ein U nach oben geklappt, die Klettbereiche mit Küchenkrepp und Klebeband abgedeckt, die dünne Matte darübergelegt und mit Fahrradschlauchverpackungen und einer leeren Krepprolle improvisiert. Die Rolle steckt auf dem Lichthalter des vorderen Bügels, und die Verpackungen simulieren die zwei T-Längsträger, die in Sichtachse meine Beine/Schuhe verdecken werden. Dabei ist nichts verklebt. Schwerkraft und Reibung sind meine Freunde, siehe Bild 1 mit schlechter Kellerbeleuchtung.

Bild1-Konzept.jpg

Nachdem ich die grobe Ausrichtung am Rad bestimmt und ausgemessen hatte, habe ich die Schablone für die Längsträger einfach aus dem Lieferkartondeckel für die Matten freihändig per Teppichmesser herausgeschnitten, da gab es bereits eine perfekt gerade Kante. Der Träger muß vertikal einerseits dick genug sein, um das Mattengewicht zu tragen, andererseits sollen die Füße nicht dranstoßen. Die vordere Trägerhöhe habe ich ebenfalls am Rad abgeschätzt, indem ich die Schablone zu hoch gemacht und tatsächlich frei unter der Matte eingeklemmt habe. Etappenweises Kürzen der Höhe bringt einen dann der idealen Sichtlinie näher. Hierbei ist darauf zu achten, daß Träger und Beinrotation keine Kollisionen verursachen. Von der 2-cm-Matte wurden die beiden Längsträger freihändig über die Schablone herausgeholt. Dabei habe ich ausgenutzt, daß die Außenkanten gerade hergestellt worden sind und sich somit perfekt für den T-Stoß eignen. Die Kurbelkreisrundung mußte ich noch gegenüber der Schablone verschieben. Die dünnste Stelle hat 4 cm Höhe. Der PE-Schaum ist geschlossenporig und recht glatt und nimmt sehr wenig Wasser auf, taugt also nicht nur als Sonnenschutz, sondern sollte auch Regenschauer aushalten können. Wie geplant läßt er sich leicht mit dem Teppichmesser unter gleichmäßigem Zug schneiden. Aussparungen und belastbare Materialüberstände gibt es dort, wo die Streamer-Bügel sitzen. Siehe Bild 2.

Bild2-Traeger.jpg

Vor dem Verkleben ist noch einmal der genaue Verlauf der Längsträger entlang des Sichtstrahls zu prüfen und mit dem Zollstock zu vermessen. Also die Träger unter die Matte geklemmt und wieder auf die Schwerkraft vertraut. Die Matte ist in 1 m Breite gefertigt und mit einem Heißdraht im Werk abgeschnitten worden. Diese verschmolzenen Seiten richte ich nach vorne und hinten aus, damit Regen es noch schwerer hat einzudringen. Die Matte wird nun flach auf den Boden gelegt und die Position der Längsträger mit Klebeband abgeklebt, so daß der Bereich für den Sprühkleber frei bleibt. Dazu habe ich nur die gemessenen Abstandswerte vom Mattenrand mit dem Zollstock repliziert, ohne Anzeichnen. Jetzt muß man großflächig den Rest mit Zeitung abdecken, da der Sprühkleber insbesondere bei Wind gerne auf Wanderschaft gehen möchte. Der Kleber ist auf beiden Seiten kreuzweise gesprüht anzubringen, etwas Zeit abzuwarten, und dann müssen die beiden Teile mit Druck aufeinandergepreßt werden. Ahnungslos wie ich war, habe ich die Träger per Handschuh in die Hand genommen und besprüht, was teils daneben ging und auf den weiteren Fotos zu sehen ist. Ein kleines Stück Zeitung blieb später auch noch hängen. Mir egal, unter der Haube sieht sowas kaum jemand. Weil der Kleber recht schnell Fäden zieht, muß man unmittelbar nach dem Sprühen die Schablonen oder Abklebungen zügig entfernen. Gibt es Kleberblasen, kann man die einfach wieder gegen das Material pusten.

Pattex empfiehlt 15 Minuten Wartezeit, aber ich war ungeduldig und habe die Teile nach fünf zusammengefügt. Hält wohl trotzdem.

Die Matte habe ich eine halbe Stunde flach liegen lassen, bevor ich die Krepprolle vom Gestell genommen und die Matte draufgepackt habe. Ich brauchte noch eine kleine Korrektur an den Aussparungen, weil die Träger sich unter dem Druck nicht exakt gleich lang ausrichten ließen. Zur Kontrolle des Konzepts bin ich gleich in die Mittagssonne raus und habe die Beine in den Mattenschatten (!) gelegt. Sehr guter Eindruck, sobald ein Bein in die Sonne gehalten wird, ist der Unterschied extrem zu spüren.

Aber ach, der Wind, der Wind, das himmlische - Mißvergnügen. Weiter geht's zur Arretierung per Klettband, das die Matte hinreichend positionierbar mit den Bügeln verbinden soll. Die Klickschuhe ohne Beine eingeklickt und von vorne gucken, wie hoch die Haube außen stehen muß, damit der Kurbelkreis frei funktioniert. Ein Nebeneffekt dieses leichten Höherschiebens war, daß vorne keine Rundung entstand, sondern eher eine Kastenform, was der Sichtlinie entgegenkommt. Abstände zu den Bügeln wieder mit Zollstock abmessen, die leichte Winkelung der Bügel auf der Mattenfläche berücksichtigen, Schablonen aus den Briefumschlägen mit Löchern von 2x15 cm für vorne und 2x8 für hinten per Geodreieck, Lineal und Bleistift anzeichnen und mit dem Teppichmesser ausschneiden, Position mit Zollstock freihändig einstellen und Schablone aufkleben. Bild 3 zeigt unten die dunkle Freifläche mit dem Mattenmaterial, darüber das passend abgeschnittene Flauschband von der Rückseite, alles vor dem gemeinsamen Einsprühen.

Bild3-Klett.jpg

Nun einsprühen, schnell die Schablone entfernen, abwarten, mit Druck aufeinanderkleben, das ganze an allen vier unteren Haltepunkten. Das Ergebnis sieht man auf Bild 4.

Bild4-MatteBoden.jpg

Bild 5 bis 7 zeigen die Matte per Klett montiert. Ich hatte sie so weit nach hinten gezogen, daß bequemes Aufstehen noch möglich war. Vorne ragt sie einiges über die Füße hinaus, aber das ist bei Regen eher positiv zu sehen. Sehr gut ist die angenäherte Kastenform zu erkennen.

Bild5-BlickOben.jpg Bild6-BlickVorne.jpg Bild7-Seitenansicht.jpg

Auf dem hinteren Bügel ist die Biegung der Matte recht gering und unproblematisch. Vorne muß die Matte etwas stärker gebogen werden, damit genügend Klettfläche zueinanderkommt. Aus dem Grunde habe ich auch vorne 15 cm Länge vorgesehen, die aber nicht vollständig ausgeschöpft werden.

Bei der Probefahrt im teils böigen Wind hielt die ganze Geschichte recht gut, nur der rechte Träger rutschte nach vorne und dann etwas nach unten, wurde aber durch die Eigensteifigkeit der Haube noch über den rechten Klettverband gehalten. Ein gutes Zeichen. Trotzdem sind auf Bild 5 und 6 auch schon die beiden Extraklettbänder zu sehen, die dieses Abrutschen verhindern. Geräusche gibt es gar keine, das Gewicht ist geringer als bei der Streamer-Scheibe. Der Windwiderstand ist praktisch nicht spürbar, weil ich ja eigentlich nur eine halbe Röhre durch die Gegend schiebe. Die Sicht ist gut und kann durch die verstellbaren Bügel optimal eingestellt werden, bei Bild 8 schaut die Kamera monokular wie mein linkes Auge.

Bild8-Fahrersicht.jpg

Noch zu tun: Seitlich sollen auch noch T-Längsträger als Versteifungen eingesetzt werden, damit Seitenwind die Haube nicht mehr gegen meine Beine und Füße drücken kann. Dies ist jetzt am Wochenende bei den Probefahrten durch kräftigere 45-km/h-Böen gelegentlich passiert.

Mal gucken, was ich mit dem Restmaterial anstelle, vielleicht muß ich ja nochmal nachkaufen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Heute wurde die Haube mit zwei Stunden reiner Fahrzeit in der prallen Mittagssonne getestet. Zum Schutz des Oberkörpers habe ich ein langärmeliges Hemd angezogen und das unterste Knopfloch mit einem alten Schnürsenkel mit dem hinteren Streamer-Bügel verbunden, so daß der Fahrtwind in dieses "Zelt" von vorne hereinkommen konnte. Ich weiß nicht, ob die Entgegenkommenden dann eventuell durch die Haube hindurch auf mein Feinkostgewölbe schauen können, aber was soll's. Dazu ein belüfteter Hut mit breiter Krempe und hohem UV-Schutz sowie Fahrradhandschuhe, und los ging es über Asphalt, Feldweg und auch Wiese. Meine einspurige Lyra taugt mit den Marathon-Reifen ja als Trekkingrad.

Mir wurde nicht übermäßig heiß, die Kühlung war gut. Die Tour war sehr angenehm, obwohl ich keine Sonnencreme verwendet habe und auch mal plötzlich mitten auf einem Feld gestrandet bin. Die Haube verstärkt etwas das Geräusch der Kettenblätter, ansonsten bleibt sie komplett stumm. Es gab auch ein paar Böen bis Windstärke 2, aber dies hat sich auch ohne seitliche Verstärkungen nicht negativ bemerkbar gemacht. Die Klebungen und Längsträger vertragen die Hitze von etwas über 30 Grad, letztere bogen sich allerdings zusammen mit der Deckmatte ein wenig in der Mitte ein und verschlechterten leicht die Sicht. Die war auch auf den Feldwegen mit den Schlaglöchern ausreichend, aber die Einschränkung des stereoskopischen Sehens hat mich einige wenige Löcher erwischen lassen. Nichts, was man beheben müßte.

Kastenform vorne und Rundung hinten sind für die weitgehend freie Sicht sehr vorteilhaft. Zwei einen Unfallort vermessende Polizisten sahen mich, haben aber nicht reagiert.

Fazit: Test bestanden! Jetzt noch ein XL-Hemd, so daß ich zum Zeltaufspannen die unteren Spitzen rechts und links mit dem Bügel verbinden kann, und selbst die Oberschenkel bekämen so gut wie gar keine Sonne mehr ab.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß ja nicht, wo Du herkommst, aber in Schleswig-Holstein beginnt Wind bei Stärke 7 (sieben) ;)
Böen unter acht sind Erfindungen von teilverkleideten Flevonauten :lol:
Gruß Krischan
 
Vorhin ergab sich die Gelegenheit, die Fronthaube mal eine halbe Stunde im normalen Regen bei leichtem Wind und etwa 14 Grad auszuprobieren. Das klappt sehr gut, alles unterhalb der Gürtellinie bleibt trocken und auch die Unterarme bei meinem Unterlenker fast komplett. Von Fahrten durch Pfützen war mir ja schon seit Jahren bekannt, daß es bei einer Höhe mit 26-Zoll-Rädern nur unten herum spritzt und man selber gar nichts abbekommt, insofern ist es jetzt auch von oben gut.

Natürlich durchfeuchtet man etwas an der Brust, das Hemd war stellenweise wie gewohnt naß, aber die Outdoor-Jacke von innen nicht. Die Fahrt im Regen ist etwas schwierig, weil manche Nacktschnecken auf dem Weg von West nach Ost unterwegs sind, aber andere wiederum von Ost nach West. Da muß man aufpassen bei der Geschwindigkeit. Also, der vom Rad.

Die Haube selber setzt keine Feuchtigkeit an, sondern das Wasser perlt auf der Oberfläche herum und trocknet teils schon durch den Fahrtwind ab, vor allem im vorderen, unteren, gebogenen Außenbereich. Der Innenbereich der Haube blieb knochentrocken, die Längsträger bekamen nur von vorne ein wenig Nässe ab.

Fazit: Test schon wieder bestanden!
 
Wegen des sehr kurzen Umwerfermasts meines Liegerad-Auslegers kann ich keine "Nose" z. B. von Roland verwenden.
Stimmt so nicht. Du brauchst nur eine etwas modifizierte Befestigung, dann geht das problemlos. Noch extremer war es nämlich, ohne Umwerferrohr vom Hauptrahmen ausgehend um eine Pinion zu bauen - und das hielt auch problemlos.

Wie Du feststellst - der Schutz einer Frontverkleidung ist auch gegen Sonne bestens ... bis zur Hüfte. :) Drüber müsste man das Cape nehmen oder sich mit Kleidung gut schützen.

VG, Roland
 
Zurück
Oben Unten