Hallo Aficionados.
Warum ist das Ackermann Lankensperger Lenkprinzip unzutreffend im Zusammenhang mit Geradeauslaufproblemen?
Es ist das falsche Modell.
Georg Lankensperger hatte ein anderes Ziel als Geradeausfahren, nämlich die Raumverluste bei Maximaleinschlag zu begrenzen: "dem Hofwagner Lankensberger dahier wegen Erfindung eines neuen Riebes des Vorderwagens, der keines sogenannten Scheibengestelles bedarf, und ohne Raumverlust die Wagen sehr verkürzt."
Statische Lenkauslegung
Das nach Ackermann benannte Lenkprinzip beschreibt eine sogenannte „Statische Lenkauslegung“ (Heißing, Ersoy, Gies 2013, Fahrwerkhandbuch, Seite 94 ff.).
Es handelt sich dabei um eine
rein geometrische Betrachtung auf die momentane Winkellage der Bauteile bei geringer Geschwindigkeit und seitenkraftfrei. D. h. das Abrollen der Räder ohne Zwangskräfte und mit minimaler Reibung und geringer Geschwindigkeit.
Dabei ist zu erkennen, das das Ackermannprinzip durch das Trapezlenkgestänge nur in einem einzigen Lenkwinkel tatsächlich optimal im Sinne des reibungsfreien Abrollens ist. Bei allen anderen Lenkwinkeln entstehen Differenzen zwischen Istwert und idealem theoretischen Wert. Die Lenkhebelwinkelauslegung für das Lenktrapez ist abhängig von den Fahrzeugdimensionen Spurbreite und Radstand. Diese Zusammenhänge sind gut illustriert zu Lesen in dem Artikel von Hans-Gerd Finke „Berechnung einer Lenkung mit Lenktrapez und einteiliger Spurstange“. Dort kann eine Lösung in Excel zum Selbstversuch geladen werden.
http://www.urlaub-und-hobby.de/metallbaukasten/sonst/lenkung1dt.html
Eine technische Auflösung hinsichtlich der Differenzenbildung von Istwert und idealem theroetischen Wert beim Ablauf der Trapezwinkel hat Leonard John in Aalen, 12. Klasse des Schubart-Gymnasiums erstellt (Papermint Junge Forscher, Ausgabe 7 Dezember 2013).
www.tecnopedia.de/papermint
Dynamische Lenkauslegung
Obige Betrachtung nach Ackermann hat heute nur noch theoretischen Wert da die sogenannte „Dynamische Lenkauslegung“ (Heißing siehe oben 2013) angewandt wird.
„Bei Kurvenfahrt mit höherer Fahrgeschwindigkeit treten an den Rädern Schräglaufwinkel auf, aus denen die zur Abstützung der Fliehkraft erforderlichen Reifenseitenkräfte resultieren“ (S. 95). Im Vergleich zum Ackermann Momentanzentrum oder Kurvenmittelpunkt wandert dieses in Richtung Frontachse.
„Eine dynamische Lenkauslegung
erfordert daher ein Abweichen von der Ackermann Bedingung in der Weise, dass die Räder eher parallel eingeschlagen werden als mit zunehmender Nachspur. ….In der Praxis strebt man Paralleleinschlag der gelenkten Räder (dynamische Auslegung) bis zu einem Winkelgrad von ca. 20 Grad an und verwirklicht erst bei größeren Einschlagwinkeln eine Annäherung an die Ackermann Auslegung. Die größeren Radeinschlagwinkel werden nicht im Fahr- sondern für den Rangierbetrieb benötigt und dort ist ein schlupffreies Verhalten im Sinne der Ackermann Bedingung anzustreben."
Für kleine Lenkausschläge um 5 Grad stimmt demnach eher eine parallele Stellung der Räder oder sogar um das Seitenkraftpotential des kurvenäußeren Rades vollständig zu nutzen einen stärkeren Einschlag des Aussenrades. Bei stärker abgewinkeltem Aussenrad, ganz im Gegensatz zum weniger abgewinkeltem Aussenrad bei Ackermann, treffen sich die Radachsen weit vor der Vorderradachse!
Alle genannten Autoren und noch viele andere die ich in der Bibliothek besichtigt habe hätten bei der Erklärung der Ackermann Lenkung den Geradeauslauf begründen oder zumindest erwähnen können.
Dies geschieht jedoch an anderen Textabschnitten unabhängig von Ackermann.
Das Ackermannprinzip ist eine rein geometrische Ansicht gelenkter Räder ohne Berücksichtigung von Fahrzeugeinflüssen durch Schwerpunktverlagerung oder Störgrössen.
Wenn man eine Fahrzeugmodellierung im Sinne der Handlingssimulation durchführen will, und dazu zählt auch der Geradeauslauf, so schlägt Heißing (2013) das einfache „ Einspurmodell von Dr. Rickert und Dr. Schunck“ vor.
Es ist 1940 erstellt worden und findet auch heutzutage sehr häufig die Anwendung. Dies Modell erlaubt die schnelle Erfassung und Analyse des Fahrverhaltens sowie die einfache Umsetzung in ein Simultionsprogramm.
Bei der Beschreibung der Kenngrößen der Radstellung beziehen sich sowohl Heißing als auch Pfeffer auf die Modellierung von Matschinsky (1998).
Wieder hat es Sinn gemacht Autoren zu lesen die fähig sind Primärquellen zu verstehen und zu verarbeiten.
Und ebenso fähig sind den historischen Hintergrund, das Milieu indem eine Idee geboren wird, erkennen zu können.
Macht et jood.
thegetaway
Quellen:
Lenkungshandbuch:
Lenksysteme, Lenkgefühl, Fahrdynamik von Kraftfahrzeugen
Herausgeber Prof. Peter Pfeffer, Dr. Manfred Harrer
Ausgabe 2
Verlag Gabler, Betriebswirt.-Vlg, 2013
Fahrwerkhandbuch:
Grundlagen · Fahrdynamik · Komponenten · Systeme · Mechatronik · Perspektiven
Reihe: ATZ/MTZ-Fachbuch
Heißing, Bernd, Ersoy, Metin, Gies, Stefan (Hrsg.)
4., überarb. u. erg. Aufl. 2013, XXIII, 731 S. 1250 Abb. in Farbe.